"Call Me by Your Name"Gedanken zu Buch und Film


Wenn ich mich beim Erstellen eines Headers nicht entscheiden kann, welches der großartigen Zitate ich aus dem besprochenen Roman wählen soll, ist das bereits ein gutes Zeichen; wenn mir beim Lesen dann noch immer bewusster wird, dass es sich wohl um eine der authentischsten Liebesgseschichten handelt, die ich je gelesen habe, ein weiteres. Dabei scheint es für die Handlung vollkommen irrelevant zu sein, dass es sich um die Gefühle zwischen zwei Männern handelt, da sich wohl jeder darin wiedererkennen wird, der sich einmal in der Situation eines starken Verliebtseins und eines schmerzlichen Abschieds befand.
Es ist so wunderbar, wie sich das Buch vollkommen auf Elios Gefühle konzentriert, ohne dabei Themen wie Coming-out oder ein verständnisloses Umfeld anschneiden zu müssen. Ganz im Gegenteil, der/die Leser*in ist Gast in einer sehr aufgeklärten, liebevollen Familie – gebildet, leidenschaftlich und verständnisvoll –, die ihren jüngsten Sprössling experimentieren und seine Jugend genießen lässt. So stehen vor allem Elios Gedanken im Fokus (das Geschehen wird aus seiner Sicht erzählt), sie werden aber durch tiefrgündige Dialoge zwischen ihm, seinen Eltern und Oliver begleitet, die teilweise sehr ergreifend sind. Abgesehen von der wunderschönen Sprache des Buches vermittelt es auch ein warmes Gefühl von Sommer, Freiheit und Italien. Damit ist es vor allem für die wärmeren Jahreszeiten geeignet, oder zum Aufhellen der kalten. Man spürt förmlich den Schweiß am Rücken hinabperlen, die brennende Sonne auf der Haut und den süßen Geschmack von Aprikosensaft auf der Zunge. Das alles unterstreicht die sinnlichen Szenen zwischen den beiden jungen Männern, macht die Geschichte unheimlich sexy, driftet aber nie ins Niveaulose ab. Ach was soll ich noch sagen? Ich bin begeistert.



Wenn man, so wie ich, eher amerikanische Filme gewohnt ist und nur durch Großbritannien mal auf den europäischen Filmmarkt blickt, dann wird einem die besondere Art der Call me by your name-Verfilmung auffallen. Wie auch im Buch wirkt alles so echt, wie aus dem Leben gegriffen, sodass man stellenweise vergisst, dass die Szenen geschauspielert sind. Vor allem Timothée Chalamets Darstellung des 17jährigen Elio war so unglaublich überzeugend, so mitreißend und authentisch, dass ich ihn am Ende des Filmes am liebsten in den Arm genommen hätte. 
Viele der Dialoge sind direkt aus dem Buch übernommen, sodass ich sagen kann, dass sich der Film sehr stark an seiner literarischen Vorlage orientiert. Nur wenige Stellen wurden ausgelassen und selbst da hat sich der Drehbuchautor, meiner Meinung nach, für die richtigen entschieden. Den Oscar für das beste adaptierte Drehbuch hat er sich also mehr als verdient. Die Emotionen, die Atmosphäre und die Stimmung des Romans wurden sehr gut eingefangen und wiedergegeben. Ohne Theatralik, ohne überspitzte Darstellungen, ohne übertriebenes Schauspiel bekommen die Zuschauer*innen eine ehrliche Geschichte geboten, die fesselt und mitreißt. 
Es wurde bereits ein Sequel angekündigt, welches in meinen Augen nicht nötig gewesen wäre. Zwar lässt der Film am Ende einen Ausblick in die Zukunft aus, der im Buch sehr wohl vorhanden ist, aber dass damit noch ein zweiter, sinnvoller Film gefüllt werden kann, muss mir erst noch bewiesen werden. Call me by your name funktioniert, genau so wie er ist, sehr gut und ich hoffe, dass man den überraschenden Erfolg nun nicht versucht auszuschlachten. 

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