Cable Ties: Nur Meckern reicht nicht

Cable Ties: Nur Meckern reicht nichtCable Ties
„Far Enough“
(Merge Records)
Das ist ja das Schöne – es muß nicht immer alles neu sein, es ist nur wichtig, dass es gut gemacht ist. Die Cable Ties aus dem australischen Melbourne beispielsweise haben den Indierock ganz sicher nicht erfunden, aber sie spielen, ja verkörpern ihn auf perfekte Weise. Und zwar so, dass es bei aller gebotenen Ernsthaftigkeit der besungenen Themen richtig Spaß macht. Seit gut drei Jahren stöpseln Gitarristin Jenny McKechnie, Bassist Nick Brown und Shauna Boyle am Schlagzeug ihrer Instrumente und Mikrofone in die gleichen Amps, sie kommen aus der ziemlich aktiven und wilden DIY-Punkszene der Millionenstadt, die auch und vor allem in den letzten Jahren ein Meltin Pot des Gender-, Trans- und Queer-Rock ist und haben sich dort mit ihrem 2017 erschienen, selbstbetitelten Debüt-Album einen Namen gemacht. Schon da gemahnte ihr Sound, gleichwohl noch sehr Post-Punk, an die Schwestern im Geiste der Riot-Girl-Bewegung in den Staaten, namentlich Bikini Kill und Sleater-Kinney.

Wer jetzt meint, der Hinweis wäre dann doch etwas hochgegriffen, sollte sich besser erst mal „Far Enough“, das vorliegende zweite Album des Trios, anhören – was hier an Energie aus den Boxen scheppert, muss nun wirklich keinen Vergleich scheuen. Es sind nur ganze acht Stücke auf der Platte, die aber haben es, teilweise mit beachtlichen Spieldauer, in sich. Gleich bei „Hope“, dem Opener, wird die Schlagzahl festgelegt, gibt’s nach einem gemächlichen Intro kräftig auf die Mütze: „If I can’t hope, nothing’s ever gonna change. So let your eyes roll, you’ll still be cool when we’re in flames”, heißt es da mit einer gehörigen Portion Sarkasmus. Und sollte danach immer noch wer an der Durchschlagskraft und Spielfreude der drei zweifeln, dann bekommt er/sie im anschließenden „Tell Them Where To Go“ ganz im Britten’schen Sinne von „The Young Persons Guide To The (ähm) Punk Band“ die ganze Kapelle in all ihrer Pracht, meint Wucht, vorgestellt: Polternde Schläge, ein herrlich flatternder Bass und kratzige Gitarren, dazu ermutigt die zornige Sängerin, den angeblichen Herren der Schöpfung ein paar passende Akkorde um die Ohren zu hauen: „Walk out your bedroom and steal your brother’s guitar, go see the folks who took rock back from blokes and who get who you really are – just ignore them all and play.”

Je länger man den Cable Ties zuhört, desto klarer wird, dass sie sich für dieses Album auch etwas ausgiebiger in den späten 70ern bedient haben, damals hieß das noch Hardrock und wurde von Frauen wie Joan Jett und Suzi Quatro intoniert – eine Vorliebe, die im Übrigen auch Amyl und ihre Sniffers, same place, same rage, mit den Kabelbindern teilt. Es folgen weitere Hammerstücke – das siebeneinhalbminütige „Lani“ (dieser Bass!), der bissige Kommentar zur arroganten Gattung des „Self-Made Man“ und das nicht weniger wütende Statement zur dramatischen Umweltkrise, hier gleich im Titel mit den unmissverständlichen Ermahnung „Anger’s Not Enough“ versehen. Wer bis jetzt nicht kapiert hat, dass Schimpfen allein nicht reicht, sondern dringend auch etwas getan werden muss, wird es wohl in diese Leben nicht mehr lernen. Allen anderen ist diese Platte Ansporn und Bestätigung zugleich.


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