An und für sich war es geradezu eine Verhöhnung der Bürger, als sich die Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gestern vor die Mikrofone stellte und das Urteil des BVerfG zu ESM und Fiskalpakt begrüßte.
Mit ihrer eigenartigen, freudig vorgetragenen Genugtuung wollte sie VERGESSEN MACHEN, dass das BVerfG bzw. die Kläger und aufmerksame Bürger Deutschland vor einer beinahe unendlichen Haftung bewahrt hatten.
Tatsache ist, dass einmal mehr seitens der Bundesregierung ein wichtiger Vertrag mit völkerrechtlicher Bindung bei Wirksamwerden dem Bundestag und dem Bundesrat in aller Eile vorgelegt wurde, der krass fehlerhaft war und Deutschland bei Ausfall von EU-Ländern als ESM-Beitragszahler zur ESM-Kapitalaufbringung in die finanzielle bzw. Haftungskatastrophe hätte führen können! Jedenfalls hätten die verbleibenden ESM-Kapital-Einzahler bei Ausfall einzelner Länder das dann fehlende Kapital zusätzlich aufbringen müssen. Und das ESM-Kapital beträgt insgesamt 700 Mrd. Euro, kein Kleingeld! Alleine Deutschland soll rd. 190 Mrd. Euro bei Bedarf aufbringen.
Alleine dieser krasse Vertragsfehler (mögliche Auslegung des ESM-Vertrages, auch nach der Beurteilung des BVerfG) hätte den SOZIALSTAAT bzw. die Sparguthaben der Bürger vernichten können!
Hinzu kommt, dass durch die derzeitigen vertraglichen ESM-Regelungen grenzenlose Kapitalnachschüsse ermöglicht werden (Kapitalerhöhung durch Beschluss), so dass die (rechtlich immune) ESM-Führung die ESM-Mitgliedsländer zu jeder Kapitalerhöhung – ohne demokratische Legitimation/Zustimmung durch die Parlamente -hätte zwingen können.
Auch diesen Wahnwitz hat das BVerfG beendet, indem es die grenzenlose, demokratisch nicht legitimierte Haftung bzw. Nachschusspflicht untersagt hat und eine benötigte Kapitalerhöhung von der Zustimmung des Bundestages abhängig macht.
Angela Merkel, die Patin (nach dem Buch von Prof. Dr. Gertrud Höhler: Die Patin: wie Angela Merkel Deutschland umbaut), hatte einmal mehr den Versuch gestartet, die durch den Souverän verliehene Zuständigkeit des Bundestages für den Staatshaushalt auszuhebeln.
Prof. Dr. iur. Karl Albrecht Schachtschneider, ehemals Lehrstuhl für Öffentliches Recht an der Universität Erlangen-Nürnberg, beschreibt auf seiner Homepage die wahren Absichten wie folgt:
Der Politik, die wir mit der Verfassungsbeschwerde unterbinden wollen, geht es um die Rettung des Euro, vordergründig, in ihrer Finalität geht es ihr darum, die Integration der Europäischen Union zu einem existentiellen Staat voranzutreiben, endgültig die Grenze zum Bundesstaat zu überschreiten. Dafür setzt sie das wirksamste Mittel des Modernen Staates, die Vergemeinschaftung der Finanzen, ein. Sie gibt dafür die existentielle Staatlichkeit der beteiligten Mitgliedstaaten auf, deren Souveränität, und opfert sogar das Königsrecht der Parlamente, die Haushaltsverantwortung.
Wir setzen dieser Politik das Recht entgegen und mit dem Recht die Freiheit der Bürger. Die politische Freiheit entfaltet sich im Staat. Es ist der Staat der Bürgerschaft, des Volkes. Das Volk allein hat die Hoheit, solange es frei ist. Die Hoheit des Volkes ist seine Souveränität. In Souveränität gestaltet es seine Lebensordnung, sein Verfassungsgesetz. Dieses bestimmt und begrenzt die Politik, nach innen und außen, tagtäglich. Jedenfalls im Kern darf die Politik deren Grenzen nicht überschreiten, ohne das Volk zu fragen, d. h. ohne ein neues Verfassungsgesetz des pouvoir constituant, das den Weg für diese Politik freimacht. Das gilt im besonderen Maße, wenn ein neuer, größerer Staat begründet werden soll, der eine „andere Menge von Menschen“ zu ei-nem neuen Volk verfassen soll. Der neue, größere Staat bedarf der Legitimation des neuen Volkes, der demokratischen Legitimation.
Angela Merkel (CDU) macht uns den Honecker, wie bereits an anderer Stelle angedeutet.
Um nicht missverstanden zu werden: Angesichts der internationalen Verflechtungen der Finanzwirtschaft, der Zocker und Gierigen, den politischen Einflussnahmen der Bündnispartner aus Eigeninteresse und den dahinter stehenden Geldbaronen, ist der europäische Weg aus der Krise, auch angesichts des verdeckt stattfindenden Währungskrieges (US-Dollar), keine einfache Aufgabe. Das häufig zu hörende Wort von den “scheuen Rehen des Finanzmarktes” vernebelt in Wirklichkeit die Machtpolitik einer Handvoll von Hauptakteuren wie Goldman Sachs und ähnlichen unkontrollierten Marktteilnehmern, auch über die Steueroasen.
Der US-Politik ist es bis heute nicht gelungen, die unter Mitwirkung der City of London inszenierte Privatisierung der US-amerikanischen Notenbank zu beenden. Das macht deutlich, dass nicht nur in Europa die Regierungen die Getriebenen der Finanzwelt sind.
Die leistungslose Geldschöpfung aus dem NICHTS (ohne realen Hintergrund im Sinne von Gütern und Leistungen) inflationiert die Realwirtschaft über Zinsen und Zinseszinsen. Die Staaten wurden systematisch in die SCHULDENBERGE getrieben bzw. verführt, auch weil das GELDSYSTEM aus volkswirtschaftlicher Sicht ein SCHULDENSYSTEM ist. Jeder Währung (Dollar, Euro, Yen, …) bzw. der GELDMENGE stehen SCHULDEN in gleicher Höhe gegenüber.
Der neoliberale ZINSMECHANISMUS führt zwangsläufig zu einer Umverteilung von unten nach oben, weil bei ansteigendem Zinsdienst und c.p. bei dadurch steigender Geldmenge die Schulden anwachsen, auch weil in den Preisen für Güter und Sachleistungen (ansteigende) Zinsen eingerechnet sind und dadurch letztlich die Staaten ihre Schulden kaum spürbar abbauen können. Nur nebenbei sei daran erinnert, dass ausgerechnet ein Taugenichts der FDP einmal im Wahlkampf auf die Idee kam bzw. das Ziel formulierte (sinngemäß), dass ein Bundesland die Schulden vollständig abbauen könne. Die neoliberale Droge hatte den Sinn für volkswirtschaftliche Realitäten verdrängt; bis heute wird an den Hochschulen und Universitäten nicht hinreichend verstanden, dass die Markttheorien MODELLTHEORIEN sind, die mit der Realität der realen Marktabläufe wenig zu tun haben. Die mikroökonomische Theorie hat die Volkswirtschaftslehre verdrängt; die Konzentration auf den Cash-Flow und Shareholder Value hat letztlich die Leistungsfähigkeit der Unternehmen untergraben, auch weil das Personal im Wesentlichen nur noch als Kostenfaktor aufgefasst wird.
Das infantile, substanzlose Bild von den “scheuen Rehen des Finanzmarktes” bzw. der “Beruhigung der Finanzmärkte” ersetzt volkswirtschaftlichen Sachverstand, insbesondere bei den Handelnden in der Politik. Und die wenigen Politiker, die etwas mehr Durchblick haben, streben in den EU-Einheitsstaat und Nutzen die “Schocktherapie der KRISEN” (nach Naomi Klein), um die Reste der Demokratie abzuschütteln.
Das BVerfG hatte deutlich gemacht, dass es, dem Gedanken der Gewaltenteilung folgend, nicht die Aufgaben der Politik wahrnehmen kann und will, um die skizzierten Probleme der Eurokrise zu lösen.
Es hat damit indirekt auch an die Verantwortung des Souveräns, nämlich der Bürger in Deutschland, appelliert, weil durch Wahlen zumindest die Richtung der Politik bestimmt werden kann. Das ist die Verantwortung des einzelnen (Wahl-) Bürgers, die kaum reflektiert, selbstbewusst und mutig wahrgenommen wird. Dass Versager in den Unternehmen aus den Sesseln gefegt werden, ist eine Selbstverständlichkeit, auch zuweilen mit hohen Verabschiedungsschecks. Nur in der Politik gilt häufig die tumbe Weisheit, dass es die ANDEREN auch nicht besser können! Eine Idiotie, denn die Versager müssen das Feld räumen. Kein Wunder, dass die Gierigen und Zocker der Finanzwelt nicht zur Verantwortung gezogen werden bzw. in Haftung genommen werden. Man hat sich so schön eingerichtet in dem neoliberalen Credo, dass gefälligst das untere Drittel – und zunehmend auch der sog. Mittelstand – den leistungslosen Reichtum der Eliten und Finanzkasino-Besucher zu bewahren hat. Aus dieser Sicht wird die “Krisen-Politik” mit der gezielten europaweiten Verarmung der Unbeteiligten verständlich.
Der Wähler hat es in der Hand, zumindest solange noch nicht der demokratisch nicht legitimierte EU-Einheitsstaat durch Parteioligarchen umgesetzt wurde, eine andere Politik zu erzwingen. Aber selbst die Mehrheit der Abgeordneten im Bundestag, abgesehen von wenigen Ausnahmen, hat sich auf die ESM-Regelungen eingelassen, die von vielen Fachleuten “angewidert” zurückgewiesen wurden (Stichwort: totale Immunität der ESM-Führung). Das zeugt von mangelnder Kompetenz, fehlendem Verantwortungsbewusstsein und einer völlig fehlenden Zivilcourage.
Bis heute wurde in der Öffentlichkeit nicht bekannt, wer die Feder bei den ESM-Regelungen geführt hat. Das blieb bisher GEHEIM.
Die Verantwortlichen für den Versuch der unbegrenzten Haftung und Nachschusspflicht wäre es beinahe gelungen, eine Art Staatsstreich zu vollenden, wenn nicht die aufmerksamen Bürger bzw. Kläger vor dem BVerfG den Rettungsanker für die Reste der Demokratie in Deutschland und für Europa gezogen hätten.
Vor diesem Hintergrund sollte Frau/Mann die Äußerungen der Bundesregierung und der willigen Abgeordneten der Opposition betrachten, die sich allesamt als SIEGER nach der Urteilsverkündung darstellten. Die Demokratie hatte scheinbar gewonnen; sie wurde gestärkt. Allerdings hatten die Alt-Parteien mit der Verteidigung der Demokratie und der Stärkung der Rechte des Bundestages wenig zu tun. Den Parteioligarchen der Alt-Parteien war es sogar überwiegend gelungen, eine Vielzahl der Abgeordneten in den Fraktionen mit der scheinbaren Alternativlosigkeit zu verdummen und zu täuschen. Das BVerfG hat jedenfalls einige “Alternativlosigkeiten” in den ESM-Regelungen als verfassungswidrig eingestuft und die völkerrechtliche Klarstellung bei den Vertragsstaaten durch die Bundesregierung auferlegt.
Fraglich ist, ob jetzt auch die anderen EU-Vertragspartner aufwachen und Klarstellungen in den ESM-Regelungen fordern?
Das würde eine erneute Beschlussfassung in den EU-Parlamenten erzwingen, was augenscheinlich der Bundesregierung nicht genehm ist. Die vorschnelle Idee der “Protokoll-Notiz” sollte erkennbar die möglicherweise aufflammende Neudiskussion der ESM-Regelungen bereits im Vorfeld eindämmen.
An und für sich wäre es nach der Urteilslage des BVerfG vom 12. September 2012 bereits geboten, dass sich der Bundestag erneut mit den ESM-Regelungen befasst. Das gilt m.E. auch für die anderen EU-Länder, die ESM und Fiskalpakt bereits ratifiziert hatten.
Aus Sicht des Völkerrechtes wäre es zu begrüßen, wenn die ESM-Vertragsregelungen angepasst werden würden, auch damit die anderen Vertragspartner ihre Rechte wahren können bzw. die ESM-Regelungen für alle Vertragspartner eindeutig sind. Und dazu gehören auch “Ausstiegskriterien” bzw. Haftungsbegrenzungen bzw. neue Nachschussregelungen (Kapitalerhöhung).
Prof. Dr. iur. Karl Albrecht Schachtschneider hat vor der Beschlussfassung des BVerfG folgendes zutreffend postuliert bzw. dargelegt:
Das Scheitern des Euro rechtfertigt nun wirklich die Aufgabe der Souveränität nicht. Die kritisierte Politik gibt die freiheitliche demokratische Grundordnung, Demokratie, Rechtsstaat und Sozialstaat, auf. Sie riskiert die Widerstandslage. Sie ruiniert die Grundlagen wirtschaftlicher Prosperität, zwingt Staaten und Völker in die Austerität. Sie gefährdet die politische Stabilität.
Die Bürger Europas haben nie Kriege angezettelt; es waren vielmehr verblendete Regierungen und Politiker, die nach der Vorherrschaft in Europa strebten, finanziert durch Geldmächtige mit ganz eigenen Interessen. Die globale und auch europäische “Blockbildung” führt heute in der westlichen Welt erkennbar zu einer Abkehr von sozialstaatlichen, demokratischen und ethischen Prinzipien, wenn sich nicht die mündigen Bürger dagegen stemmen. Den “scheuen Rehen des Finanzmarktes” muss mit der demokratischen Flinte begegnet werden, damit das GELD wieder eine dienende Funktion einnimmt, im Sinne des Tauschmittels und der Finanzierung realer Güter und Leistungen. Die Wirtschaft hat den Interessen der Menschen zu dienen, nicht umgekehrt.
Eine Änderung in der Politik beginnt mit der Erkenntnis, dass uns die PATIN nicht länger den Honecker machen darf. Das hat von den Alt-Parteien allenfalls die CSU erkannt. Immerhin.
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