Vor kurzem fragte mich eine Leserin dieses Blogs, was das für Kekse auf unserem Weihnachts-Keksteller wären, die mit weiss obenauf. Ich googelte also meinen eigenen Artikel von Weihnachten 2013 (Wie schön, es war das erste Weihnachten mit Zoé! ), um nachzuschauen.
Natürlich, die Butter-Krapferl, gefüllt mit einer Mocca-Rum-Creme und in Walnüssen gewälzt, sind das!
Und da es sie auf meinem Blog noch nicht in Rezept-Form gibt, hole ich das heute nach.
Aber ohne Geschichte geht es auch diesmal nicht.
Ich hatte eine Nachbarin, das war unsere ‘Tante Gertrud’. Wir wohnten Tür an Tür.
Sie war aber keine Nachbarin, so wie man sie heute hat, anonym und fremd.
Sie war unser Schutzengel, der Ersatz für die beiden Grossmütter, die wir nie gehabt haben. Sie hatte einen Fernseher (wir nicht), war ein Ass in Mathe (wir alle nicht!) und hatte für mich Zeit. Sie war der nüchterne, zuverlässige, warmherzige Fels in der Brandung unserer Familie, wo der Hut immer wieder brannte.
Ich habe ihr, was das betrifft, schon ein paar Zeilen auf diesem Blog gewidmet.
Sie liebte uns, weil wir so crazy, künstlerisch, so laut manchmal, so lebendig, so anders als sie waren. Vor allem aber, weil sie ein Teil von uns war. Wir, mein Bruder und ich, brachten unsere kindliche Fröhlichkeit in ihr stilles, ernsthaftes, pflichterfüllendes Leben.
In eine Wirts-Familie hinein geboren, hatte sie als Einzige studiert, Karriere gemacht und zeitlebens versucht, auf Distanz zu ihren Ursprüngen zu gehen.
Zu ihrem grossen Kummer hatte sie nie Kinder bekommen und lebte seit dem Tod ihres Lebensgefährten allein.
Die letzte Verwandtschaft, die übergeblieben war, wohnte im Norden Österreichs, knapp an der tschechischen Grenze auf einem Bauernhof. Eine sehr einsame Gegend mit viel Wein, vielen Apfelbäumen und wenig bis gar keinen kulturellen Angeboten. Eine Art No Mans-Land.
(Ich hoffe, das hat sich in den letzten Jahren geändert!)
Auf diesem Bauernhof schien die Zeit in den fünfziger Jahren stehengeblieben zu sein.
Männlein wie Weiblein arbeiteten hart, man lebte von der Schweinezucht und praktisch als Selbstversorger. Ich, das Stadtkind, das Ballett liebte, Geige spielte, und die Eltern fast nur über Kunst sprechen hörte, hatte solche Leute noch nie gesehen:
Alle riesig gross, alle über 100 Kilo schwer und fast alle mit einigen fehlenden Zähnen. Die Cousine von Tante Gertrud trug immer ein wollenes Kopftuch und einen grauen Wollmantel, dessen Stoff sehr bockig und schwer aussah. Das Modell stammte sicher nicht aus Paris…
Diese Familie liess es sich jedoch nicht nehmen, ‘unserer’ Tante Gertrud an Weihnachten und an Ostern einen Besuch abzustatten. Sie bestiegen den täglich zweimal verkehrenden Postbus, kamen dann in Wien Mitte an und fuhren per Strassenbahn zu uns in den achten Bezirk. Das muss ihnen wie eine Weltreise erschienen sein!
Ich sehe noch die Szene vor mir, wie Tante Gertrud ihre wuchtige Verwandtschaft immer eilig in den Lift bugsierte, wenn sie wieder abreisten. Ich glaube, es war ihr peinlich.
Für mich waren es aber Festtage. Wahre Festtage. Diese Frau, Tante Gertruds Cousine, die so rau und bäuerlich aussah, hatte eine Gabe. Sie hatte goldene Hände.
Die abgearbeiteten, riesigen, aber schön geformten Hände konnten die feinsten, anmutigsten Leckereien entstehen lassen. Nie davor und nie danach habe ich jemals so wundervolle und wohlschmeckende Kekse und Bäckereien weder gesehen noch gegessen.
Ich übertreibe nicht: Es war wie im Märchen!
Noch dazu kam das alles in grossen Mengen (Was mich heute eher abschrecken würde, ausser es ist so saugut wie das, worüber ich gerade schreibe!), denn sie wusste, dass die Nachbarskinder schon sehnsüchtig warteten…
Da gab es Kokoskuppeln, Rumstangerl, Klosterkipferl, Mandelbögen, sogenannte Wickelkinder und- ich komme endlich zum Ende der Geschichte- die unsäglich guten Butter-Krapferln.
Sie waren neben den Kokoskuppeln das Allerbeste und wir zählten die Teilchen immer streng und unter vier oder gar sechs Augen ab (Die zwei meiner Mutter wurden sicherheitshalber gleich mal hinzugezogen. Sie fungierte als Mediator bei eventuellen Ungereimtheiten. Da ging es schliesslich um was!)
Anschliessend bekamen mein Bruder und ich jeder seinen Anteil in eine eigene Schachtel. Wir zehrten mit unendlichem Genuss und Sparsamkeit lange davon!
2013 bin ich in einem Dr. Oetker Kochbuch, in dem Privatpersonen ihre Rezepte vorstellen, wieder über diese Leckerei gestolpert. Eine echte Madeleine de Proust, meine Kindheits-Erinnerung.
Wenn ich doch alle, die wir damals an Weihnachten zusammenkamen, alle, die diese Kekse herstellten, weitergaben, meine Familie, die es so nicht mehr gibt, noch einmal an mein Herz drücken könnte…
Hier nun zum Rezept:
Mürbteig:
- 300 gr Mehl
- 250 gr Butter
- 80 gr Staubzucker
- 2 Eigelb
- Vanille-Zucker
Zum Bestreichen:
- 2 Eiweiss
- 160 gr Staubzucker
Mocca-Creme:
- 2 Eigelb
- 100 gr Staubzucker
- 180 gr weiche Butter
- 5 El Rum
- 1 El Löskaffee
Zum Wälzen:
- ca. 30 gr geriebene Walnüsse
Zubereitung:
Für den Mürbeteig das Mehl und den Staubzucker in eine Schüssel sieben.
Die Butter in Würfel schneiden, Vanillezucker dazu und mit dem Mehl verbröseln.
Am Ende die 2 Eidotter rasch einkneten. Flach drücken, in ein Tiefkühlsackerl geben und für mindestens eine halbe Stunde in den Kühlschrank legen.
In der Zwischenzeit die Creme machen: Dotter hell aufschlagen, dann den Staubzucker beigeben und über heissem Dampf (Wasserbad) hell aufschlagen. Das dauert ungefähr 3-4 Minuten.
Danach von der Kochstelle nehmen und 2-3 Minuten weiter schlagen.
Danach die weiche Butter in Stückchen unter den Eischaum mixen.
Den Löskaffee im Rum auflösen.
Dazugeben, schaumig und glatt muss die Masse sein. Im Kühlschrank beiseite stellen.
Die Nüsse reiben.
Teig backen:
Zuerst für den Eischaum (kommt oben drauf) das Eiweiss und den Staubzucker kurz aufschlagen. Die Masse soll hellschaumig, aber noch flüssig (!) sein.
Den Ofen auf 170°C vorheizen.
Teig 2-3 cm dick ausrollen (nur nicht zu dünn!) mit einem runden Ausstecher (4cm Dm) Scheibchen ausstechen.
Auf Backpapier aufs Blech legen.
Mit einem kleinen Löffel gleichmässig mit Eischaum bestreichen.
Die Kekse (Plätzchen) ca. 12 Minuten im Rohr lassen, sie sollen nicht zu hell, aber keinesfalls zu dunkel sein.
Auskühlen lassen.
Die Creme in einen Spritzbeutel (die Wegwerfbaren finde ich sehr praktisch) mit runder Tülle füllen.
Auf die Hälfte der Kekse Creme aufspritzen.
Mit einem zweiten Keks zusammensetzen, leicht andrücken, damit die Creme etwas seitlich herausquillt!
In den geriebenen Nüssen wälzen, damit der Creme-Rand ‘abgedeckt’ wird.
(Das ist der raffinierteste Passus in diesem Rezept, finde ich!).