Wenn Staatsbefürworter und Freiheitsfreunde über Voluntarismus oder Anarchokapitalismus, also über freie Gesellschaftsordnungen diskutieren, wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit im Verlauf des Gesprächs gegenüber den staatskritischen Diskussionsteilnehmern die Frage "Und wer baut dann die Straßen, wenn es keinen Staat mehr gibt?" aufgeworfen.
Häufig wird dieser, den eigenen Standpunkt vorerst scheinbar verteidigende, Einwand seitens der Staatsbefürworter noch vor der Frage nach der Unterstützung von Hilfsbedürftigen ("Alten & Schwachen") formuliert, auf die bereits an anderer Stelle eingegangen wurde.
Die Beantwortung der, neben der Instrumentalisierung der Alten & Schwachen, häufig als "Argument" gegen eine freie Gesellschaftsordnung angeführten Frage nach der örtlichen und überregionalen Verkehrsinfrastruktur ist dabei im Vergleich etwas spekulativer, denn im Endeffekt ist kaum vorauszuahnen, wozu die Kreativität und der Unternehmergeist von weltweit über 7 Milliarden Individuen zu realisieren im Stande sind.
Zu allererst sei darauf hingewiesen, dass bereits heute sämtliche Straßen von privatrechtlichen Unternehmen gebaut und darüberhinaus (die diversen staatlichen Straßenmeistereien unterstützend) auch instand gehalten werden. Es würde sich in einer staatenlosen Gesellschaft also hauptsächlich nur die Art und Weise der Finanzierung ändern.
Die gegenwärtige Finanzierung durch Verwendung von Steuergeldern, also von Geldmitteln, die unter Androhung von Zwang und Gewalt eingetrieben wurden, würde, wie für den marktwirtschaftlichen Prozess charakteristisch, durch entsprechende Investitionen (Vorfinanzierungen) künftiger Anbieter von Straßen ersetzt werden.
Wie in sämtlichen Bereichen menschlicher Bedürfnisse üblich, gilt auch bei der Infrastruktur des Straßenverkehrs das fundamentale Prinzip profitorientierter Bedürfnisbefriedigung (Marktwirtschaft): Dort, wo Bedürfnisse bestehen, wird es Individuen (Anbieter) geben, die aus einem eigenen Interesse heraus gewillt sind, entsprechende Bedürfnisse ihrer Mitmenschen (bestmöglich) zu befriedigen.
Das bedeutet in Bezug auf den Straßenverkehr in einer freien Gesellschaft, dass beispielsweise Eigentümer von Straßen(-abschnitten) ein Interesse daran haben werden, die Benutzung ihres Eigentums erlösbringend anzubieten. Anbieter könnten also eine Gebühr für die Benutzung ihrer Straßen verlangen oder aber durch Vermarktung entsprechender Werbeflächen entlang der Straßen die Benutzung womöglich gebührenfrei anbieten.
Darüberhinaus werden Unternehmer ein Interesse an der Gewährleistung einer problemlosen (und im näheren Umfeld wohl auch gebührenfreien) Erreichbarkeit ihrer Geschäftsstelle im Sinne ihrer Kunden, Angestellten und Geschäftspartner haben (analog zur heutzutage gängigen Praxis der Bereitstellung entsprechender gebührenfreier Mitarbeiter- bzw. Kundenparkplätze).
Damit es für potentielle Kunden und Nutzer nicht zu aufwendig und kompliziert wird, kann davon ausgegangen werden, dass Straßeneigentümer einer Region kooperieren werden und beispielsweise eine gemeinsame Flatrate (monatliche Nutzungsgebühr) zur Benutzung ihres Straßennetzes in jener Region anbieten könnten und/oder einheitliche Nutzungsregelungen (Verkehrsregeln) vereinbaren könnten.
Da sämtliche Anbieter von Verkehrsstraßen miteinander im Wettbewerb stehen dürfte die überwiegende Mehrheit der Straßeneigentümer ein großes Interesse an einer hohen Reputation haben.
Daraus folgt einerseits, dass Straßeneigentümer einen qualitativ hochwertigen Zustand ihrer Straßen gewährleisten werden, denn bei einem schlechten Zustand der Straßen würden Kunden künftig womöglich andere Routen wählen. Außerdem träfe Eigentümer maroder Straßen prinzipiell (wenn nichts anderes vereinbart ist) eine Mitschuld bei aus Fahrbahnmängeln resultierenden Verkehrsunfällen. Sie könnten somit von Geschädigten entsprechend haftbar gemacht werden.
Andererseits folgt daraus, dass Anbieter ein ausgewogenes Preis-Leistungs-Verhältnis wahren müssen, da sie sonst mit Kundenrückgängen und in der Folge mit Umsatzeinbußen zu rechnen hätten.