47°41’29“ nördlicher Breite, 12°9’14“ östlicher Länge.
Im Gegensatz zur illustren Ruine (Neu-)Falkenstein in Flintsbach und der mächtigen Festung Kufstein, die weithin sichtbar über der Perle Tirols thront, ist die Burgruine Kirnstein das scheue Reh unter den Burgen des Inntals. Zwischen den Gemeinden Flintsbach am Inn und Oberaudorf liegen ihre Reste versteckt im Bergwald auf einem Ausläufer des Wildbarren.
Im Fachjargon war Kirnstein eine Spornburg: an zwei Seiten begrenzt von steil abfallenden Hängen. Warum die Herren von Neuburg-Falkenstein sich irgendwann im zwölften Jahrhundert entschlossen, an dieser Stelle eine Burg zu bauen, offenbart sich auch den weniger von Strategiespielen Begeisterten beim ersten Blick auf die Karte. Die Lage zwischen Kranzhorn und Wildbarren, im Flaschenhals des Inntals, drängte sich geradezu auf. Einerseits kontrollierte „Kyrnstein“, wie die Burg in alten Quellen auch genannt wird, die alte Straße zwischen Bayern und Tirol, andererseits sicherten die Falkensteiner mit diesem Vorposten die Südflanke ihres unweit gelegenen namensgebenden Stammsitzes.
Mit dem Erlöschen des Geschlechts derer von Falkenstein fiel auch Kirnstein 1425 an die Wittelsbacher. Fünf Jahre später – die Besitzverhältnisse wechselten in dieser Zeit noch einige Male – wurde die Burg das erste Mal zerstört. Trotz Wiederaufbau schlug Anfang 1500 ihr letztes Stündlein: das Gemäuer fiel dem Landshuter Erbfolgekrieg zum Opfer. Ein kurzes Comeback als Wehranlage gab es um 1800, als die Tiroler in und um Kirnstein Stellungen gegen die anrückenden Franzosen anlegten.
Seitdem die Westmauer 2002 einem Sturm zu Opfer fiel, taugt Kirnstein nicht mal mehr als Drehort für eine Märchenverfilmung von „Dornröschen“. Romantik, wie man sie für gewöhnlich beim Besuch von Burgruinen verspürt, stellt sich nicht ein. Das Areal versinkt zusehends im Unterholz, der Marsch über das von Trümmern und Ranken übersäte Hochplateau setzt eine gewisse Trittsicherheit voraus. Aus dem Inntal steigt der Lärm der gleichnamigen Autobahn auf; hin und wieder rattert ein Zug über die Schienen.
Auch die Zivilisation hat hier ihren – schädlichen? – Einfluss längst geltend gemacht: an den Sporn der Burg schmiegt sich der Zweckbau eines Wasserhochbehälters, und vermutlich ist es die örtliche Forstwirtschaft, die den Innenhof der Burg zum Abladeplatz verkommen lässt. Triste Eindrücke, die aber zumindest an Schönwettertagen „vom Winde verweht“ werden: der „Erler Wind“, eine lokale Luftströmung, weht ja nach Tageszeit taleinwärts oder
-auswärts. Das kahle Astwerk lässt ihm leichtes Spiel mit offen Jacken und Reißverschlüssen.
Andererseits offenbart das lichte Blätterdach den Blick auf den gegenüberliegenden Heuberg, und manch einer mag so die Aussicht vom einstigen Bergfried, dem Hauptturm der Burg, nachempfinden können.
Ruinen beflügelten schon immer die Fantasie der Menschen. Und so gibt es auch über die Burgruine Kirnstein einiges zu erzählen:
- Der Ritter von Kirnstein mit dem Faß voll Gold
- Zwei Grenzer an der Geisterburg Kirnstein
- Die Sage vom Grafen von Kirnstein, der seine Burg nicht mehr finden konnte