Gewiss kann die studierte Volkswirtin auf eine langjährige und vielseitige Berufserfahrung, u.a. als Berufsschullehrerin, in der Ministerialverwaltung und zuletzt als Senatorin für Bildung und Sport in Hamburg (2004 bis 2008) zurückblicken. Allerdings ist ihre Bilanz als Senatorin (Ministerin) doch eher durchwachsen. So wurde ihr im Oktober 2007 die zweifelhafte Ehre zuteil, mit dem Negativpreis „Big Brother Award“ bedacht zu werden. Grund: Die Einrichtung eines Schülerzentralregisters, mit dem auch ausländische Familien ohne Aufenthaltserlaubnis aufgespürt werden sollten. Kurz vor der Wahl im Februar 2008 machte sie sich bei den Hamburgern durch ihren Vorschlag unbeliebt, wieder Schulunterricht am Samstag einzuführen. Die Ablehnung war so massiv, dass der damals amtierende Erste Bürgermeister Ole von Beust (CDU) um seinen Wahlerfolg fürchtete und sich umgehend von seiner Senatorin distanzierte (Quelle: Wikipedia).
Insgesamt erinnert dieser „Polit-Import“ der Lübecker CDU doch sehr an die Kandidatur des Herrn Dr. Hans-Achim Roll, der nach seinem Ausscheiden als Abteilungsleiter im Bundeskanzleramt unter Kanzler Kohl 1999 mit vielen Vorschusslorbeeren von der Lübecker CDU „aufs Schild gehoben“ worden war. Gepriesen wurde seinerzeit – ähnlich wie bei der jetzigen Kandidatin – die politische Erfahrung und Verwaltungskunde, die aber auch bei Roll nicht im kommunalen Bereich erworben wurde. Der lange in Umfragen vorn liegende Kandidat Roll scheiterte letztlich in der entscheidenden Stichwahl und unterlag dem jetzigen Amtsinhaber Bernd Saxe deutlich. Zuvor hatte er sich in öffentlichen Statements, u.a. durch die Forderung nach einem Verkauf der städtischen Wohnungsgesellschaft „Trave“, um jede Wahlchance geredet. Ob Frau Dinges-Dierig es besser macht als ihr „Kollege“ Roll, bleibt abzuwarten.
Ein „Urgestein“ der Lübecker CDU, nämlich Hans-Lothar Fauth, hat sich in einem Leserbrief in den LN am vergangenen Freitag (taggleich mit der dortigen Veröffentlichung der Kandidatur von Frau Dinges-Dierig) schon einmal klar positioniert. Er greift die „führenden Personen der Lübecker CDU“ offen an, weil sie die Partei bei der Kandidatensuche in bisher noch nicht gegebener Form blamiert habe. Was jetzt unternommen werde, sei vergebliche Liebesmühe. „Die Lübecker Bevölkerung wird diese CDU-Notkandidatur nicht akzeptieren“, so Fauth, und weiter:
Fest steht, dass der SPD-Bürgermeisterkandidat Bernd Saxe in seinen zwei Amtsperioden die Hansestadt Lübeck gut geführt hat. Persönlich vertrete ich die Meinung, dass es keine Schande wäre, die Person wiederzuwählen, die zwölf Jahre die Stadt gut geführt hat, auch wenn sie nicht der CDU angehört.
Hans-Lothar Fauth hat völlig Recht! Die Lübecker CDU hätte sich bei einem Votum für Bernd Saxe wahrlich nichts vergeben, zumal „hinter vorgehaltener Hand“ auch viele Lübecker Christdemokraten freiweg einräumen, dass der Pragmatiker Saxe keinen so schlechten Job gemacht hat. Hierbei ist schließlich in Rechnung zu stellen, dass der amtierende Bürgermeister faktisch fast 14 Jahre gegen seinen eigenen „linken“ Partei-Kreisverband „regieren“ musste. Die jetzt gefundene Gegenkandidatin wird schon deshalb kaum Chancen gegen den Amtsinhaber haben, weil sie (unverschuldet) nicht nur mit der erdrückenden Bürde der „Notkandidatin“ antreten muss, sondern weil sie außerdem in Lübeck weithin unbekannt ist. Da hilft es auch nichts, darauf hinzuweisen, dass Dinges-Dierig in Lübeck geboren wurde, zumal sie die Hansestadt bereits im Kindesalter gen Süddeutschland verlassen hatte.
Fazit: Die CDU hat aus dem Debakel der beiden letzten Bürgermeisterwahlen nichts gelernt. Dass ausgerechnet der „Methusalem“ der hübschen CDU diese bittere Wahrheit als Einziger öffentlich ausspricht, zeugt auch vom erbärmlichen Zustand des Parteinachwuchses. So muss der betagte Hans-Lothar Fauth in der Lübecker CDU die Rolle des „jungen Wilden“ übernehmen!