Manchmal sind freundliche Aufforderungen ganz falsch! Insbesondere bei Bankern kommt man nur weiter, wenn man konsequenten Druck ausübt. Wie gut das allerdings funktioniert, hat gestern der Bürgermeister von Santa Cruz de Tenerife bewiesen. Er räumte kurzerhand die 1,5 Millionen Euro Gemeindegelder vom Bankia-Konto komplett ab, weil sich die Bank geweigert hatte, über Zwangsräumungen zu verhandeln. Plötzlich waren die Banker sofort bereit, sich mit der Sachlage zu befassen.
Die Geschichte hängt vor allem mit Carmen Omaña zusammen. Die 48-Jährige, deren Wohnung im Oktober zwangsgeräumt worden war, übernachtete seit dem vergangenen Montag vor der Bankia-Filiale in der Hauptstadt Teneriffas und war in Hungerstreik getreten. 2008 hatte erst sie ihren Job verloren und bald danach ihr Mann ebenfalls. Sie konnten die ausstehenden 24.000 Euro der Bankia-Hypothek nicht mehr zahlen. Dann ging es bergab, wie in vielen ähnlichen Fällen. Die Schulden türmten sich, die letzten Ersparnisse verschwanden und der wachsenden Spannung fiel sogar die Ehe zum Opfer. Carmen und ihr Mann trennten sich.
Carmen hatte vor der Bankia-Finale von Santa Cruz ihren Hungerstreik begonnen.
Die verzweifelte Frau mit zwei Töchtern im Alter von 16 und 19 Jahren versuchte alles, mit der Bank zu einer Übereinkunft zu kommen, doch die Banker liessen nicht mit sich reden. Am Ende kam es zur Versteigerung und Bankia besorgte sich die Immobilie so zum halben Wert. Die Zwangsräumung war danach nur noch Formsache. Danach campierte Carmen vor der Bank. Nach und nach gesellten sich weitere von der Zwangsräumung bedrohte Canarios hinzu. An diesem Punkt ersuchte der Bürgermeister von Santa Cruz, José Manuel Bermúdez (Coalición Canaria), die Bankdirektion um ein Gespräch. Doch die Banker dachten gar nicht daran, hielten nicht einmal eine Antwort für nötig und ignorierten auch die Belagerung draussen vor der Tür: Menschen, die in den vergangenen Tagen trotz Sturm und Regen ihren Protest aufrecht erhielten.
Gestern hatte der Bürgermeister die Nase voll davon. Kurzerhand räumte er das Bankia-Konto, und nahm die 1,5 Millionen Euro wortlos mit, die die Gemeinde dort gelagert hatte. Und dann ging plötzlich alles sehr schnell. Keine 60 Minuten später holte ein Dienstwagen Carmen Omaña vor der Bank ab und fuhr sie zum Bürgermeisteramt, wo schon Antonio Rodríguez, der Bankia-Chef, wartete. Die Übereinkunft wurde schnell vereinbart und Carmen bekam genau die Zusagen, um die sie unzählige Male vergeblich gebeten hatte. Bürgermeister José Manuel Bermúdez lud sie und ihre Töchter ausserdem ein, die folgende Nacht in einem Hotel der Hauptstadt zu verbringen.
Nach dem Gespräch versicherte Bermúdez, es sei schlicht eine Frechheit, dass es die Bank nicht einmal für nötig gehalten hatte, dem Bürgermeisteramt auch nur zu antworten, als die Behörde um Verhandlungen bat. Diese Haltung habe ihn veranlasst, das Gemeinekonto sofort zu räumen. Das hat jedenfalls gewirkt und zwar nachhaltig: Nicht nur gab es eine sofortige und zufriedenstellende Regelung für Carmen – die Bank sagte ausserdem zu, alle weiteren in Verhandlung befindlichen Zwangsräumungen in der Hauptstadt Teneriffas sofort auszubremsen und vorerst auszusetzen.
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