Bürgerkrieg und Bürgerrecht - Die allgemeine Vergabe des römischen Bürgerrechts im Jahr 212 n. Chr.

Von Urzeit
Eröffnung der Sonderausstellung "Bürgerrecht und Krise - Die Constitutio Antoniniana 212 n. Chr. und ihre innenpolitischen Folgen"

Mainz (rgzm) - Am 19. September 2012 eröffnete das Römisch-Germanische Zentralmuseum seine neue Kabinettausstellung. Die Präsentation versucht aufzuzeigen, warum Kaiser Caracalla vor genau 1.800 Jahren beschloss, allen Freigeborenen im Römischen Reich das Bürgerrecht zu verleihen, welche finanziellen Folgen sich daraus für den Staat entwickelten und welche rechtlichen Konsequenzen damit für den einzelnen Bürger verbunden waren: neue Rechte, neue Pflichten, ein neues Selbstbewusstsein der Römer und nicht zuletzt eine Finanzkrise, die das Römische Reich an den Rand des Abgrunds führte.

Das römische Bürgerrecht ...
Die Vergabe des römischen Bürgerrechts war ein elementares Instrument der Integrationspolitik Roms. Nach einem außerordentlich blutigen Bürgerkrieg verlieh es Caracalla (188-217 n. Chr.) vor 1.800 Jahren pauschal an alle freigeborenen Einwohner des Römischen Reiches. Dieser Akt beendete die bis dahin herrschende Rechtsungleichheit bei den Freien innerhalb des römischen Staates. Wurden vor 212 n. Chr. nur solche Personen in den Stand eines römischen Bürgers versetzt, die sich zuvor um den römischen Staat verdient gemacht hatten - sei es in der zivilen Selbstverwaltung in den Kommunen oder durch den Dienst in Hilfstruppen und Flotten -, so besaß ab dieser Zeit jedermann die juristische Voraussetzung für den sozialen Aufstieg, z. B. durch die Übernahme von Staatsämtern. Gleichzeitig wurde durch diesen kaiserlichen Erlass, genannt Constitutio Antoniniana, auch die Vormachtstellung Italiens gegenüber den Provinzen aufgehoben.

... und seine Folgen
Nach der allgemeinen Bürgerrechtsverleihung konnten die römischen Kaiser keine Privilegien vergeben, ohne die Staatskassen zu belasten. Seitdem mussten sie sich Loyalität erkaufen. Die Steuereinnahmen konnten die immensen Ausgaben nicht mehr decken - es kam zur Finanzkrise. Schon Caracallas Vater Septimius Severus (146-211 n. Chr.) sah sich gezwungen, den Feingehalt der Silbermünzen zu senken. Während unter Kaiser Augustus 91 Denare aus einem Pfund Silber geschlagen wurden, prägte man um 230 n. Chr. aus derselben Menge Silber 247 Münzen. Caracalla führte eine Münze im Wert von zwei Denaren ein (den sog. Antoninian), die allerdings nur das Eineinhalbfache eines Denars wog. Allein dem Vertrauen des Römischen Volkes ist es geschuldet, dass eine Inflation zu diesem Zeitpunkt noch ausblieb. Erst mit der Einführung der sog. Reformantoniniane und der leichteren Denare ab 274 n. Chr. brach das alte römische Währungssystem zusammen.

Die Constitutio Antoniniana hatte aber auch positive Effekte: Durch die allgemeine Bürgerrechtsvergabe wurde das Gemeinschaftsgefühl innerhalb des Römischen Reiches besonders in den Ostprovinzen gestärkt. Sie bildete eine Grundlage für das spätere Byzantinische Reich, dessen Bewohner sich stets als Römer verstanden. Das Christentum, zuvor vor allem in den unteren sozialen Schichten verbreitet, wurde nun eine Religion römischer Bürger und fand Anhänger bis in die höchsten Kreise.

Die Ausstellung
Karten verdeutlichen die Veränderungen im Römischen Reich, die sich nach dem Bürgerkrieg 193-197 n. Chr. ereigneten, und durch die es letztendlich im Jahr 212 zur allgemeinen Bürgerrechtsverleihung kam. Dieser für die europäische Geschichte so bedeutsame Kaisererlass ist nur in einer einzigen Abschrift erhalten. Von dem heute in der Universitätsbibliothek Gießen aufbewahrten Originalpapyrus wird hier der Öffentlichkeit erstmals ein Faksimile (originalgetreue Kopie) präsentiert. Münzen, Papyri und Steindenkmäler lassen die politischen Akteure und ihre Zeit lebendig werden. Zugleich veranschaulichen sie die Reaktion der Bevölkerung auf die Verleihung des Bürgerrechts und führen die Finanzkrise des Römischen Reiches im 3. Jahrhundert plastisch vor Augen.

Die Schau erfolgt in enger Abstimmung mit der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und dem Archäologischen Landesmuseum Baden-Württemberg, das im nächsten Jahr an den Germanenfeldzug des Caracalla im Jahr 213 n. Chr. erinnern wird.