Bürgerhaushalt in Barsinghausen – Eine echte Chance für Mitbestimmung oder nur Wahlkampfgetöse?

Die Kommunalwahl am 11. September 2011 wirft ihre Schatten voraus. Der Wahlkampf im Städtle nimmt Fahrt auf. Die Parteien stellen sich auf, positionieren sich. Alles wie gehabt und eigentlich nicht ungewöhnlich. Wenn da nicht die FDP Barsinghausen denBürgerhaushalt in den Ring geworfen hätte…

Das lässt aufhorchen. Das ist neu und hört sich gut an: Bürgerhaushalt. Aber was ist das genau? Wie funktioniert er? Funktioniert er überhaupt? Die Vor- und Nachteile? Wer profitiert davon? Kann das Instrument missbraucht werden? Handelt es sich hier nur um Wahlkampfgetöse? Auf all diese Fragen möchte dieser Artikel versuchen Antworten zu geben.

Der Bürgerhaushalt ist ein partizipatives Instrument der direkten Demokratie welche ich in dem Artikel “Gedanken zu den allgegenwärtigen Forderungen nach einer Volksgesetzgebung oder auch Direkten Demokratie” angesprochen hatte. Wie bei vielen Definitionen hilft uns auch Wikipedia bei der Erklärung was genau ein Bürgerhaushalt ist.

Bei der Ausgestaltung eines solchen unterstützt uns die Umstellung des kommunalen Rechnungswesens von der Kameralistik hin zum neuen kommunalen Finanzmanagment (NKF) basierend auf der aus dem kaufmännischen Bereich bekannten Doppik.  Zwar hat die bisherige Kameralistik ihre unbestrittenen Vorteile gegenüber der Doppik, da eine Kommune nun mal nicht mit einem herkömmlichen Unternehmen verglichen werden kann, welches darauf ausgerichtet ist Gewinn zu erzielen. Aber nun ist die Doppik gesetzlich,  so weit wie möglich auf die Bedingungen eines Gemeinwesens angepasst, den Kommunen vorgeschrieben und sie hat – trotz aller Bedenken-  auch ihre Vorteile, da die Sichtweise mehr vom Input auf den Output gelenkt wird. Entscheidend ist dabei, dass der Kerngedanke nun darauf liegt, was mit den zur Verfügung gestellten Mitteln erreicht werden soll und nicht mehr nur der Gedanke, wie viel Haushaltsmittel ausgegeben werden dürfen.

Wenn man dieses neue kommunale Rechnungwesen mittels Bewertung der einzelnen Kostenstellen duch Kennzahlen richtig anwendet, so ergibt sich für Barsinghausen die Chance den defizitären Haushalt für den Bürger transparenter darzustellen. Was wiederum dem Bürgerhaushalt eine realistische Chance ermöglicht. Diese Chance hängt aber von mehreren Faktoren ab.

Im oben angeführten Link von Wikipedia konnten Sie sich ja schon über den Bürgerhaushalt informieren. Was bedeutet das im Einzelnen für Barsinghausen?

Welche Arten der Bürgerbeteiligungen sind angedacht? Nicht alles was als Bürgerhaushalt daherkommt ist auch wirklich einer. Dazu zitiere ich am besten aus o.g. Wikipedia Artikel:

1. Im Zentrum des Verfahrens stehen finanzielle Aspekte, genauer gesagt die Diskussion um begrenzte Ressourcen.

2. Die Beteiligung findet auf der Ebene der Gesamtstadt oder einem Bezirk mit eigenen politisch-administrativen Kompetenzen statt (die Quartiersebene allein reicht nicht).

3. Es handelt sich um einen in der Dauer angelegten Prozess (eine Veranstaltung, oder ein Referendum über Finanzfragen sind kein Bürgerhaushalt).

4. Die Beratung/Entscheidung der Bürger beruht auf einem Diskussionsprozess (Deliberation) im Rahmen besonderer Treffen/Foren (die Öffnung bestehender Verfahren der repräsentativen Demokratie gegenüber „normalen“ Bürgern ist kein Bürgerhaushalt)

5. Die Organisatoren müssen über die Ergebnisse der Diskussion Rechenschaft ablegen.”

Die Fdp spricht bisher von den Ressorts Schulen und Kindergärten. Sicherlich bewusst, denn hier wird aufgrund des demographischen Wandels am ehesten Handlungsbedarf bestehen. Später sollen andere Bereiche hinzukommen. Die SPD stimmt den Liberalen zu und erhofft sich ebenfalls angesichts der Verschuldung und begrenzten Budgets unserer Stadt positive Effekte und Transparenz.

Soll es demnach nur darum gehen den Bürgern unvermeidliche Budgetkürzungen zu vermitteln? Oder ist echte Mitbestimmung gemeint?

Wenn der Bürgerhaushalt nicht nur Wahlkampfgetöse sein soll, dann müssen alle Parteien und die Verwaltung sich einig sein, dieses Projekt auch vernünftig anzugehen. Dieser Beitrag sollte schon vor einigen Tagen veröffentlicht werden. Ich hatte CDU und Die Grünen mit der Bitte um eine Stellungnahme angeschrieben und wollte erst die Reaktion abwarten. Kam aber nichts. Warum und wieso weis ich nicht. Sollten die Gründe der Nichtreaktion darin liegen, dass sie dem Projekt kritisch gegenüber stehen, dann wäre das schon mal ein schlechtes Vorzeichen.

Denn ein Bürgerhaushalt kann nur dann ein sinnvolles Instrument werden, wenn alle mitziehen. Es muss auch Geld und Personal bereitgestellt werden, denn für lau bekommt man solch ein Instrument nicht. Zwar gibt es genügend gelungene Beispiele für einen Bürgerhaushalt, doch die Nachteile sollen nicht verschwiegen werden.

So laufen Abstimmungen & Beteiligung rein über das Internet Gefahr, manipuliert zu werden. Dabei sollte auch bedacht werden, dass nicht alle Menschen über einen Internet Zugang verfügen und/oder diesen nicht so intensiv nutzen. Hierbei sollten insbesondere die Älteren unserer Stadt bedacht werden. Nicht jeder kann und will sich online beteiligen. Um auch diese Bevölkerungsgruppen zu erreichen müssen also andere Wege beschritten werden, was wiederum mit höheren Kosten und Aufwand (Rundschreiben etc.) einhergeht.

Womit wir bei dem Punkt wären, wie werden die Bürger unserer Stadt motiviert sich Gedanken zu machen und mitzutun? Wie spricht man sie so an, dass sie sich auch wirklich angesprochen fühlen und nicht nur interessiert den entsprechenden Zeitungsartikel lesen um dann weiterzublättern, mit dem Gedanken im Hinterkopf: “Ach, was ich dazu zu sagen hätte, interessiert doch eh keinen..

Wenn man bedenkt, dass nur 1,5 % der Deutschen politisch aktiv sind, dann kann man sich ausrechnen, wie wenige sich für so trockene Dinge wie kommunale Haushalte interessieren. Da bedarf es um den Erfolg eines Bürgerhaushalts (gerade in Zeiten höchst knapper Kassen und wo viele Menschen mit ihren eigenen Problemen beschäftig sind) nicht zu gefährden, einer gewaltigen Anstrengung um hier keine Bruchlandung hinzulegen.

Die nächste Gefahr eines Bürgerhaushaltes findet sich in dem Punkt Interessen von Lobbygruppen. Lobbyisten, hier  in Basche? ;-) Nun ja, im Kleinen gibt es die hier auch. Was ja auch legitim ist. Nehmen wir zum Beispiel die Sportvereine. Wichtig und gewichtig in einer Stadt. Auf allen Ebenen. Sportvereine leisten wertvolle Arbeit für das Gemeinwesen. Wie also wird, sollte ein kostenintensives Projekt für einen Sportverein zur Abstimmung stehen, verhindert, dass z.b. nur die Befürworter eines solchen (fiktiven) Projektes zur Abstimmung schreiten, aber die Kritiker sich nicht bemüssigt fühlen sich einzubringen?

Dieses Beispiel soll aufzeigen, wie schnell dann ein verzerrtes Bild eines Projektes innerhalb eines Bürgerhaushaltes entstehen könnte. Wie dem entgegengehen? Nun, um die gesamte Bevölkerung ins Boot zu holen ist es unabdingbar, dass Politik und Verwaltung es wirklich ehrlich meinen. Die Transparenz als oberste Priorität ansehen. Denn nur so kann es gelingen, dass alle Bürger sich wirklich angesprochen fühlen. Dass sie das Gefühl bekommen mit ihrer Meinung auch wirklich ernst genommen zu werden.

Gute und umfassende Öffentlichkeitarbeit ist also das A und O eines funktionierenden Bürgerhaushaltes.

Im Endeffekt sind wir alle, die Bürger Barsinghausens gefragt. Wir müssen den Verantwortlichen in Politik und Verwaltung aufzeigen, wohin der Weg gehen soll. Sonst wird das alles nichts.

Wenn also entsprechende Veranstaltungen wie Bürgerversammlungen, Umfragen etc. ausgerichtet werden, dann ist rege Anteilnahme der Bevölkerung vonnöten.

Also eine Mammutaufgabe, welche sich die FDP hier gestellt hat. Wobei das Verhalten der Ratsmehrheit in Barsinghausen bezüglich z.b. der Kaufland Markt Ansiedlung auf der Halde dem Entgegentreteten zur Politikverdrossenheit der Bürger Barsinghausens sicherlich nicht förderlich war.

Denn wir erinnern uns: Vor der letzten Wahl wurde uns von den Parteien auch schon mal versprochen den Bürger mit seinen Anliegen ernst zu nehmen. Es wurde leider nach der Wahl viel wertvolles “Vertrauens-Porzellan” zerschlagen.

Aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Also wollen wir stark hoffen, dass die Positionen, welche die Parteien jetzt im Buhlen um den Wähler vorlegen, nicht blos Wahlkampfgetöse darstellen, sondern ernst gemeint sind.

Weitere, ausführliche Informationen zu dem Thema finden Sie auf dem Portalhttp://www.buergerhaushalt.org/

Roger Burk, basche-info blog


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