Burgenländische Polsterl

Von Dieerdbeere
Posted by Anina on Oct 30, 2014 in Geschichten und Reisen, Süsse Bäckereien, Wien

Eine Begegnung- ein Rezept.

Das goldene Wiener Herz. Es gibt es wirklich!

Böse Zungen meinen ja, es schlägt vor allem dann, wenn es ein ‘Hunderl‘ zu bewundern gibt, aber ganz so ist das nun auch wieder nicht: Auch süsse Kinder (ja nicht allzu gross, lieber klein wie ein ‘Pupperl’) öffnen Tür und Tor zu diesem goldenen Herzen!

Die Reihenfolge, zuerst Hunderl, dann Kinderl oder umgekehrt ist variabel und hat schon Generationen von Eltern in die Abgründe der Wiener Seele blicken lassen.

Nun aber Sarkasmus beiseite. Ich wollte eigentlich über die burgenländischen Polsterl sprechen und wie ich zu diesem Rezept kam.

Vor einigen Tagen, es war einer der letzten milden Herbsttage, überquerte ich auf dem Heimweg die Strasse und, kaum auf dem gegenüberliegenden Gehsteig gelandet, spricht eine ältere Dame mein im Kinderwagerl sitzendes Kind an.

( Mich natürlich völlig ignorierend ;.) Aber an diese Nebenrolle hab ich mich sofort, mit selbstloser Freude und einem amüsierten Lächeln gewöhnt !).

‘Ja, wie heisst Du denn, ja Du bist ja so schön, ja und lachen tust Du so lieb, na also, wie heisst Du denn?’

Nachdem Zoé, fasziniert von diesem zutiefst wienerischen Singsang, der Dame ihren Namen noch nicht nennen konnte, übernahm ich das für sie: Zoé. Zoé? Ja, das ist ein französischer Name.

Ah, begann sie, ‘In meiner Kindheit war ich mehrmals in der Schweiz, in Neuchâtel, da sprechen sie auch Französisch!’

Und die Geschichte begann…

Als hungerndes Wiener Nachkriegskind hatte sie ein Schweizer Ehepaar liebevoll aufgenommen, aufgepäppelt und auch in den Folgejahren immer wieder zu sich eingeladen.

Für sie war es das erste Mal Brioche essen, mit Butter und Honig, soviel Milch trinken, wie man wollte, Fleisch und sogar Süsses für alle, und nie mit knurrendem Magen ins Bett gehen!

All das nach den Bomben, Entbehrungen, Tränen und Trümmerhaufen. Unvorstellbar.

Die Freundschaft ging über Jahrzehnte, später mit deren Kindern, weiter.

Der sentimentale Mensch, der ich bin, dachte ( auch wenn ich schnell nach Hause wollte): Das möchte ich unbedingt erzählt bekommen! Wer ist denn heute noch Zeitzeuge dieser Ereignisse? Wer kennt noch das Gefühl von tiefer Dankbarkeit? Wen aus meiner Generation lässt das Wort  ‘französisch’ und ‘Schweiz’ noch glänzende Augen bekommen?!

Seite an Seite gingen wir also ( immerhin 3 Bushaltestellen lang!) durch die Strassen Wiens und ich lauschte ihrer Lebensgeschichte: Sie war Privatköchin gewesen und hatte immer, auch im Ausland, vor allem österreichische Spezialitäten für ihre Arbeitgeber gekocht, mit grossem Anklang.

Als sie mich später fragte, ob ich auch ab und zu koche oder backe, sagte ich ja. Ohne über diesen Blog zu reden.

Ich spürte, sie wollte nur erzählen, ihre Erlebnisse mit jemanden teilen, Erinnerungen durch unser Gespräch wieder lebendig werden lassen.

Was sie erzählte, war so berührend, herzlich, menschlich und wunderschön für mich zu hören.

Ganz am Ende, sie musste den Weg wieder zurück gehen und ich wollte endlich den Bus besteigen ( Zoé war ob der dahinplätschernden Unterhaltung inzwischen selig eingeschlafen) fragte sie mich noch, ob ich folgendes Gebäck kenne, es sei fantastisch; die Beschreibung der burgenländischen Polsterl folgte. Sie nannte sie Schaumpolsterl.

Zu ihrer Überraschung sagte ich ja, und dass man solche Bäckereien doch im Burgenland mache, oder ? (Die Erdbeere war ja nach wie vor inkognito…) Oh, sie war sehr überrascht, dass ‘junge Leute’ so was wissen.

Zum Abschied erklärte sie mir noch ein zweites Rezept mit dem vielversprechenden (und sehr ‘Vintage’ klingenden) Namen ‘Weisse Küsse’ (dekoriert mit pinken Cocktailkirschen), dazu aber ein andermal…

Wir schüttelten einander die Hände und verabschiedeten uns wie alte und vertraute Bekannte.

Abseits von Hunderl und Putzerl (wie man ihn Wien Babys nennt) habe ich also ein goldenes Wiener Herz getroffen. Mein Putzerl Zoé hat mir diese Kurzzeitbekanntschaft beschert und das war ein schöner Moment.

In meinem guten alten THEA-Kochbuch habe ich das folgende Rezept gefunden.

Zutaten:

  • 400 gr Mehl
  • Salz
  • 3 Eidotter
  • 250 gr Butter
  • 60 ml Milch
  • 30 gr Germ (Hefe)
  • 50 gr Staubzucker

Belag: 

  • 3 Eiklar
  • 200 gr Staubzucker
  • 200 gr Walnüsse, gerieben

Zubereitung:

Mehl in eine Rührschüssel geben, eine Prise Salz dazu.

Die kalte Butter in kleinen Würfeln dazu schneiden und abbröseln.

Staubzucker dazu sieben, vermischen.

Germ in der kalten Milch auflösen (Kalter Germteig!)

Eier trennen, die Eiklar in einer Metall-Rührschüssel auffangen.

Eine Grube machen, Germ-Milch und die drei Dotter einrühren und rasch zu einem glatten Teig verkneten.

4 Kugeln formen und 30 Minuten rasten lassen.

Belag:

Das Backrohr auf 180°C Umluft einstellen.

Backbleche mit Backpapier auslegen.

Eiweiss mit Staubzucker ca. 5 Minuten über Dampf schaumig schlagen.

Das heisst: Eiweiss in einer Metallschüssel auf einen Kochtopf mit kochendem Wasser stellen, Zucker dazu und solange schlagen, bis der Schaum glänzend und lauwarm ist.

Die Teigkugeln ca. 3 mm hoch zu Rechtecken (muss nicht perfekt sein!) ausrollen.

Schaum aufstreichen und grosszügig mit Nüssen bestreuen.

Aufrollen und mit einem runden Ausstecher oder aber nur einem Messer (in dem Fall quadratische) ‘Polsterln’ ausstechen.

Bei 180°C ca. 15-20 Minuten, bis sie goldgelb sind, backen.

Das ist ein wirklich erstaunliches, köstliches, technisch sehr interessantes Backwerk!

Alte burgenländische Tradition.

Anmerkungen: