Bunte Antike

Von Orient bis Okzident erstrahlte die Welt der alten Hochkulturen in prächtigen Farben
Aus: epoc, 4/2011
Die gängige Vorstellung marmorweißer Statuen ist weit entfernt von der antiken Wirklichkeit. Die Skulpturen waren einst von Kopf bis Fuß in lebendigen Farben bemalt. Mit Hilfe naturwissenschaftlicher Methoden räumen Archäologen mit dem klassizistischen Erbe von "edler Einfalt, stiller Größe" auf. Allen voran beschäftigt sich das Forscherehepaar Ulrike Koch-Brinkmann und Vinzenz Brinkmann mit der Vielfarbigkeit griechischer Statuen. Doch der Funke ihrer Arbeit ist längst auf andere Wissenschaftler übergesprungen, die den Blick auf die Kulturen des Vorderen Orients und Ägyptens richten.
Archäologen bereits im 19. Jahrhundert Statuen mit Bemalungsresten entdeckt hatten, ließen die Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs alle Forschungen zur Farbigkeit in der Antike versiegen – stattdessen hielt das Ideal strenger Formen Einzug in die Gelehrtenwelt. Erst seit rund drei Jahrzehnten spüren Archäologen erneut der Polychromie antiker Kunstwerke nach. Von ihren jüngsten Forschungen berichten die Experten in der neuen Ausgabe von epoc (4/11), dem Magazin für Archäologie und Geschichte.
So gelang es dem Ehepaar Brinkmann mit speziellen fotografischen Methoden, die raffinierte Gewandung griechischer Mädchenfiguren wieder sichtbar zu machen. Demnach wickelten sich die Athenerinnen aus gutem Hause nicht in blassweiße Stoffbahnen, sondern frau trug ein farbenfrohes Ensemble aus Rock, Bluse und Mäntelchen bestickt mit Mäander- und Blütenmustern.
Längst widmen sich auch Archäologen anderer Fachgebiete der antiken Polychromie. Die Würzburger Altorientalistin Astrid Nunn und der Prähistoriker Rupert Gebhard, Direktor der Archäologischen Staatssammlung in München, betreten mit der mesopotamischen Plastik des zweiten vorchristlichen Jahrtausends allerdings Neuland. So ist die rote, schwarze und gelbe Bemalung noch gut an Tonfigurinen sichtbar, doch konnte das Forscherteam auch Farbspuren an Statuen aus dunklem Hartgestein entdecken, das in Mesopotamien als besonders wertvoll galt. Dem modernen Auge mag es fremd erscheinen, einen fein polierten Stein zu bemalen, doch hielten die damaligen Künstler wohl gerade die glatte Oberfläche für einen geeigneten Malgrund.
Mehr als tausend Jahre nach den Hochkulturen des Zweistromlands errichteten die Perser ein Weltreich, von dessen Pracht noch heute die Ruinen von Persepolis zeugen. Schon die ersten Reisenden aus Europa notierten dort winzige Spuren von blauen und goldenen Farbmaterialien. Zwar kamen bei Grabungen bemalte Relieffragmente, farbiger Putz und bunt glasierte Wandziegeln zum Vorschein, doch die meisten Skulpturen waren für Jahrhunderte Wind und Wetter ausgesetzt, denen die ehemalige Farbfassung weitgehend zum Opfer fiel. Der Archäologe Alexander Nagel (Smithsonian Museum, Washington D. C.) begab sich vor Ort und suchte die Monumente Zentimeter für Zentimeter mit dem Mikroskop ab. Bei seinen Arbeiten stieß er etwa an einem Relief von Dareios I. auf kleinste Farbspuren – Schwarz am Lidstrich des Königs, rot an den Lippen, blau am Bart und Kopfhaar.

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