Das Bundesverwaltungsgericht (BVerfG- Urteil vom 9.9.2014, 1 BvL 10/12) hat entschieden, dass die derzeitigen Hartz-IV- Sätze verfassungsgemäß sind.
Das Gericht führte dazu aus, dass die Anforderungen des Grundgesetzes, tatsächlich für eine menschenwürdige Existenz Sorge zu tragen, wurden im Ergebnis nicht vom Gesetzgeber verfehlt. Die vom Gesetzgeber festgelegte Höhe der existenzsichernden Leistungen ist – nach Ansicht der Verfassungsrichter – auch tragfähig begründet.
Miteinander verheirateter Eltern und ihr Kind erhielten für Januar 2011 bis Juni 2012 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Dem lag bei den Eltern für 2011 ein monatlicher Regelbedarf von je 328 €, für 2012 von je 337 € und für das minderjährigen Kind (Schüler auf Gymnasium) ein monatlicher Bedarf von 287 € für beide Jahre zugrunde. Der Schüler erhielt im August 2011 daneben Leistungen für den Schulbedarf in Höhe von 70 €. Die Eltern nebst Kind klagten gegen die ALG II- Bescheid vor dem Sozialgericht Oldenburg. Das Ausgangsverfahren zielt unter Berücksichtigung eines höheren Regelbedarfs auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.
Das Sozialgericht Oldenburg vom 10. Januar 2012 – S 48 AS 1136/11 hatte das Verfahren ausgesetzt und die Sache dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Es gab noch weitere Kläger im Verfahren mit ähnlichen Fällen.
Entscheidend war hier, ob die Regelsätze des ALG II verfassungsgemäß seien oder zu niedrig, um das grundgesetzlich garantierte Existenzminimum zu gewährleisten.
Das Bundesverfassungsgericht hielt die Regelsätze von angemessen und führte dazu aus:
Die Bestimmung der Höhe der Leistungen für den Regelbedarf durch den Gesetzgeber im Rahmen des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch genügt den Anforderungen an eine hinreichend transparente, jeweils aktuell auf der Grundlage verlässlicher Zahlen und schlüssiger Berechnungsverfahren tragfähig zu rechtfertigende Bemessung der Leistungshöhe. Der Gesetzgeber hat die relevanten Bedarfsarten berücksichtigt, die für einzelne Bedarfspositionen aufzuwendenden Kosten mit einer von ihm gewählten, im Grundsatz tauglichen und im Einzelfall mit hinreichender sachlicher Begründung angepassten Methode sachgerecht, also im Wesentlichen vollständig und zutreffend ermittelt und auf dieser Grundlage die Höhe des Gesamtbedarfs bestimmt (vgl. BVerfGE 125, 175 <225>; 132, 134 <165, Rn. 79>; oben C I 2 b). Es ist nicht erkennbar, dass er für die Sicherung einer menschenwürdigen Existenz relevante Bedarfsarten übersehen und die zu ihrer Deckung erforderlichen Leistungen durch gesetzliche Ansprüche nicht gesichert hat (a). Selbst wenn die Leistungshöhe für den Regelbedarf in der Summe einer politischen Zielvorstellung entsprochen haben mag, ist sie verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn sie sich mit Hilfe verlässlicher Daten tragfähig begründen lässt (b). Zur Bestimmung der Höhe der Leistungen für den Regelbedarf hat sich der Gesetzgeber mit dem Statistikmodell auf eine Methode gestützt, die grundsätzlich geeignet ist, die zur Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums notwendigen Leistungen bedarfsgerecht zu bemessen (c). Er stützt sich im Ausgangspunkt mit der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) auch auf geeignete empirische Daten (d). Soweit von der Orientierung an den so ermittelten Daten durch die Herausnahme und durch Kürzungen einzelner Positionen abgewichen wird, bestehen im Rahmen der erforderlichen Gesamtbetrachtung keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken (e). Die damit einhergehenden spezifischen Risiken der Unterdeckung müssen allerdings im Rahmen der nächsten Aktualisierung der Regelbedarfe bewältigt werden (f). Die geltend gemachten verfassungsrechtlichen Einwände gegen den Regelbedarf für Kinder und Jugendliche greifen nicht durch (g).
a) Der Gesetzgeber hat die zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz erforderlichen Leistungen durch gesetzliche Ansprüche gesichert. Es ist nicht zu erkennen, dass er relevante Bedarfsarten übersehen hätte. Die zu überprüfenden Regelungen normieren ein System von Leistungsansprüchen, das – ohne vom Grundgesetz als einzig mögliches vorgegeben zu sein – grundsätzlich keine substantiellen Defizite enthält. Der Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts dient nach der Definition in § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB II dazu, die physische Seite des Existenzminimums zu sichern und dessen soziale Seite abzudecken, denn er umfasst auch die persönlichen Bedürfnisse des täglichen Lebens einschließlich der Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft. Die Vorgaben der § 5 Abs. 1 Nr. 2a und § 10 SGB V, § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2a und § 25 SGB XI tragen der Fürsorgepflicht bei Krankheit und Pflegebedürftigkeit Rechnung. Zudem sind nach § 21 SGB II auch besondere Mehrbedarfe zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz gedeckt und mit § 21 Abs. 6 SGB II liegt eine Regelung vor, die einen Anspruch auf Leistungen für einen unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen besonderen Bedarf vorsieht. Nach § 22 Abs. 1 SGB II werden die angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung übernommen. Mit § 28 SGB II berücksichtigt der Gesetzgeber für Kinder und Jugendliche auch Bedarfe für Bildung und Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft.
b) Der Gesetzgeber verletzt seinen grundgesetzlichen Ausgestaltungsauftrag zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums nicht, weil sich die Leistungshöhe für den Regelbedarf im Ergebnis tragfähig auf der Grundlage verlässlicher Daten rechtfertigen lässt. Der für das Jahr 2011 ermittelte Regelbedarf der Stufe 1 nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 RBEG entspricht zwar mit 364 € exakt dem Betrag, der sich auf der Grundlage des 2008 geltenden Regelsatzes, der um den jeweiligen aktuellen Rentenwert in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 4 RSV in der Fassung bis 31. Dezember 2010 fortgeschrieben worden wäre, ergeben hätte (BTDrucks 16/11065, S. 3). Da sich dies auf der Grundlage belastbarer Zahlen nachvollziehen und nach Maßgabe vertretbarer Wertungen verfassungsrechtlich rechtfertigen lässt, in sich nicht unsachlich ist und nicht auf schlicht gegriffenen Zahlen oder Schätzungen ins Blaue hinein beruht (vgl. BVerfGE 125, 175 <223, 237 f.>; 132, 134 <170 f., Rn. 90 f.>; oben C I 2 b aa), ist ein solches Ergebnis von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden.
c) Die in § 20 Abs. 5 Satz 2 SGB II in Verbindung mit § 28 SGB XII und dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz vorgegebene Orientierung an der EVS ist als statistisches Berechnungsmodell ein im Grundsatz geeignetes Verfahren, die zur Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums notwendigen Leistungen realitätsgerecht zu bemessen (vgl. BVerfGE 125, 175 <232 ff.>). Die Festlegung in § 28 Abs. 2 SGB XII, dass bei der Ermittlung der bundesdurchschnittlichen Regelbedarfsstufen der Stand und die Entwicklung von Nettoeinkommen, das Verbrauchsverhalten und die Lebenshaltungskosten auf der Grundlage der durch die EVS nachgewiesenen tatsächlichen Verbrauchsausgaben unterer Einkommensgruppen zu berücksichtigen sind, ist nicht unsachlich und tragfähig begründbar. Es ist im Ausgangspunkt verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber in § 28 Abs. 2 SGB XII insoweit das Einkommen in Bezug nimmt, als für die Festlegung der Regelbedarfe nach den hier zu prüfenden Vorschriften nur die tatsächlichen Verbrauchsausgaben unterer Einkommensgruppen herangezogen werden (dazu unten d bb). Dies ist Teil der Ausrichtung auf den Entwicklungsstand des Gemeinwesens und die bestehenden Lebensbedingungen (vgl. BVerfGE 125, 175 <222>); es stellt einen Bezug zu den Erwerbstätigen her (vgl. BVerfGE 125, 175 <234>; dazu BTDrucks 17/3404, S. 121 f.), ermöglicht aber für sich genommen keine Unterschreitung der verfassungsrechtlich gebotenen Mindesthöhe der existenzsichernden Leistungen.
Insgesamt hält das Bundesverfassungsgericht also die Höhe der Sätze und auch die Bestimmung / Ermittlung der Höhe der Sätze durch den Gesetzgeber für zulässig und verfassungsgemäß. Dass man trotzden kaum mit den Sätzen als ALG-II-Empfänger auskommt, dürfte aber auch bekannt sein.
RA A. Martin