Dem legendären Hacker-Verein waren verschiedene Versionen einer Schadsoftware zugespielt worden, bei denen es sich wahrscheinlich um einen Staatstrojaner, also eine Software zum Ausspähen von Computern Verdächtiger durch Ermittlungsbehörden, handelt.
Seit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2008 gelten für solche Online-Durchsuchungen strengste Auflagen und Richtlinien. Der CCC kommt nach einer eingehenden Untersuchung und Analyse der Software zu dem Schluss, dass deren Einsatz nicht nur sämtliche Sicherheitsstandards unterläuft sondern in eklatanter Weise gegen die Verfassung verstößt.
Mittlerweile musste das bayerische Innenministerium unter Minister Joachim Herrmann einräumen, dass der Trojaner bereits in mindestens fünf Fällen eingesetzt wurde.
Online-Durchsuchungen auf Bundes- und Landesebene: Der Staatstrojaner
Die Regierung setzt Trojaner ein, um neben der Überwachung von Telefongesprächen auch Zugriff auf die Kommunikation per Skye, Internet-Telefonie oder Chat zu haben. Die betreffenden Programme können hierzu sowohl physisch, direkt am Computer als auch elektronisch per Mail oder Download durch den Anwender installiert werden.
So ist der Staatstrojaner nicht nur in der Lage, beliebige Daten und Dokumente von fremden Rechnern zu lesen sondern wurde darüber hinaus mit der Möglichkeit zur Erstellung von Screenshots und zur Aktivierung von Mikrofonen und Webcams für die Raumüberwachung ausgestattet.
Darüber hinaus können mit dem Trojaner sogar Daten auf dem Zielcomputer manipuliert werden. Die Veränderung bestehender Dokumente ist dabei ebenso möglich, wie die Speicherung von Dateien durch die Ermittler auf dem PC des Verdächtigen.
Vor diesem Hintergrund ist vor allem die Beweiskraft „entdeckter“ Dokumente und Dateien auf dem Zielrechner zweifelhaft. Letztlich könnte jeder Ermittler die Beweisstücke eigenhändig auf dem Rechner eines Verdächtigen hinterlegt haben.
Bestätigen sich die bisherigen Untersuchungsergebnisse des CCC, dann muss das drastische Konsequenzen für die deutsche Ermittlungspraxis und die verantwortlichen Amtsträger haben. Im Moment weisen dabei alle Spuren nach Bayern.
Zögerliche Eingeständnisse aus Bayern
Nach Bekanntwerden der Untersuchungsergebnisse des CCC hatte es aus den Innenministerium zunächst geheißen, dass es sich bei dem entdeckten Programm nicht um einen Staatstrojaner handelt.
In der Folge stellte sich dann heraus, dass der Trojaner wahrscheinlich anlässlich einer Zollkontrolle am Flughafen von Mitarbeitern des Zolls auf dem Laptop eines Verdächtigen installiert wurde. Damit scheidet die Theorie vom testweisen Einsatz der Schadsoftware aus. Stattdessen zeigt sich, dass in die bayerischen Strafverfolgungspraxis per Späh-Programm schon reine Erfüllungskräfte, wie die Zollkontrolleure an Flughäfen, einbezogen wurden. Dies spricht nicht gerade für eine Methode, die nur mit größter Zurückhaltung und unter sorgfältigem Abwägen ausschließlich in Bezug auf schwere und schwerste Straftaten eingesetzt werden darf.
Heute meldet nun der Stern, dass Joachim Herrmann und sein Ministerium inzwischen eingeräumt haben, dass der Trojaner bisher in mindestens fünf Fällen zum Einsatz gekommen ist. Hierbei handelt es sich um Verfahren in München, Landshut, Nürnberg und Augsburg. Ermittelt wurde dabei in Bezug auf Doping, Drogen, Hehlerei und Internet-Betrug. Hierbei handelt es sich zum einen nicht um tatsächlich schwerwiegende Straftaten und zum anderen muss bezweifelt werden, ob die Ermittlungen tatsächlich nur unter Einsatz des Trojaners erfolgreich geführt werden konnten. Beides sind Grundvoraussetzungen dafür, dass ein Richter die Installation der Schadsoftware überhaupt anordnen darf.
Schwarzer Sheriff unter Beschuss: Rücktrittforderungen gegen Herrmann
Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann gerät nun zunehmend unter Druck. Innerhalb weniger Tage hat sich seine Version der Trojaner-Geschichte von der vollständigen Leugnung, über das Einräumen eines einmaligen Einsatzes zu Testzwecken bis hin zum Eingeständnis von mindestens fünf nachweislichen Fällen entwickelt.
Nicht nur aus der Opposition werden jetzt die Rufe nach einem Rücktritt des Ministers laut. Dieser behauptet allerdings nach wie vor, man habe beim Einsatz des Trojaners alle rechtlichen Vorgaben eingehalten. Eine Darstellung, die angesichts der Untersuchungsergebnisse des Chaos Computer Clubs allerdings keinesfalls haltbar ist.
Unterstützung erhält Joachim Herrmann von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich. Der betonte im Deutschlandfunk, dass er davon ausgehe, dass Bayern mit dem Einsatz der Schadsoftware nicht gegen das Gesetz verstoßen habe.
Das Ministerium hatte zunächst erklärt, es handle sich bei der entdeckten Software nicht um den Staatstrojaner, um die deutschen Bundesländer kurze Zeit später aufzufordern, die enttarnte Spionagesoftware nicht mehr einzusetzen.
Allmählich sollten sich die Minister jetzt auf eine gemeinsame Version einigen, da sie ansonsten auch den allerletzten Rest an Glaubwürdigkeit in der Bevölkerung verspielen. Letztlich zerstört die Affäre das Vertrauen der Bürger in einen maßvollen und verhältnismäßigen Umgang der Ermittlungsbehörden mit Techniken und Instrumenten, die einen erheblichen Eingriff in die Privatsphäre darstellen.
Angesichts der aktuellen Ereignisse muss die Frage gestellt werden, ob es nicht unter anderem Aufgabe des Verfassungsschutzes wäre, die Bürger vor den verfassungswidrigen Übergriffen blindwütig ermittelnder Ordnungsfanatiker zu schützen. Während der Staat nicht davor zurückscheut, im Rahmen von Anti-Terror-Gesetzen oder der Forderung nach Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung jeden Menschen unter Generalverdacht zu stellen, gelten in Bezug auf die Kontrolle von Ministern, Politikern, Einrichtungen des Staatsschutzes und Ermittlungsbeamten deutlich weichere Richtlinien.
Wenn die bayerischen Behörden unter der Verantwortung eines Innenministers verfassungswidrige und illegale Methoden zur Ermittlung gegen Verdächtige einsetzen, dann muss der Verfassungsschutz gegen alle hieran Beteiligten ermitteln, die Verfassungsbrüche beenden und die Verursacher rechtlich zur Verantwortung ziehen. Stattdessen beschäftigt sich die Behörde lieber damit, Mitglieder der Linkspartei zu verfolgen und erfüllt hiermit einen Wunsch eben des bayerischen Ministers, der die Verfassung selber nach Kräften beugt.
Mit Stasi-Methoden für Recht und Freiheit
Am 3. Oktober, dem Tag der deutschen Einheit, hatte der bayerische Innenminister Joachim Herrmann vollmundig gefordert, man solle sich an diesem Tag „den Wert von Freiheit und Freiheitsrechten in Deutschland und Europa wieder stärker bewusst machen“.
Angesichts des laxen Umfangs mit den gesetzlichen Vorgaben muss man sich fragen, ob Herrmann hiermit die Freiheit der Behörden gemeint hat, sich selbstherrlich über Recht und Verfassung hinwegzusetzen, wenn es um die Ausspionierung, die Bespitzelung und die Verfolgung von Bürgern geht.
Gemeinsam mit seinem Parteifreund Alexander Dobrindt wird Herrmann nicht müde, immer wieder eine stärkere Überwachung der Linkspartei, bis hin zu deren Verbot zu fordern.
Begründet wird diese antidemokratische Forderung damit, dass DIE LINKE „Extremisten aus eine breiten Spektrum kommunistischer und sozialistischer Herkunft“ beherberge. Man müsse ihr deshalb mit „derselben Entschlossenheit und Wachsamkeit entgegentreten, wie den Rechtsextremisten“.
Zur Rechtfertigung martialischer und verfassungswidriger Überwachungs- und Ermittlungsmethoden verweisen die Sicherheitsfanatiker aus der Union immer wieder auf die bundesdeutschen Freiheits- und Grundrechte und betonen in diesem Zusammenhang gerne die bürgerfeindlichen Methoden der Stasi. Genau mit diesen wird unter anderem die Beobachtung und Verfolgung von Mitgliedern der Linkspartei gerechtfertigt.
Hier erzählt uns also eine von Law & Order beseelte Kaste konservativer Politiker allen Ernstes, sie wolle uns vor DDR-Verhältnissen schützen, indem sie selber oft zitierte und persiflierte Stasi-Methoden gegen uns einsetzt.
Es ist an der Zeit, diesen Verfassungsfeinden mit Mandat das Handwerk zu legen und zu fordern, dass der Verfassungsschutz seine Arbeit erledigt und zur Abwechslung einmal gegen diejenigen ermittelt, die aus der Verfassung ein dehnbares Instrument zur Rechtfertigung von Rechtsbrüchen und freiheitsfeindlichen Forderungen machen und so ihre politischen Allmachtsfantasien ungehindert ausleben.