Bundestagsrede: Der Papst pfeift auf dem letzten Loch

von Mat­thias Krause

Bundestagsrede: Der Papst pfeift auf dem letzten LochIn sei­ner Rede vor dem Bun­des­tag hat der Papst eine „nur“ natu­ra­lis­ti­sche Welt­sicht kri­ti­siert und den Ein­druck erweckt, als ob eine sol­che Welt­sicht, die ja immer­hin vom Atom bis hin zum Uni­ver­sum, vom Urknall bis in ferne Zukunft, von den Natur­ge­set­zen bis hin zur evo­lu­tio­nä­ren Ent­wick­lung von Selbst­be­wusst­sein und Ethik reicht, ein ein­ge­schränk­tes Welt­bild sei, das offen­bar der Ergän­zung durch archai­sche Vor­stel­lun­gen aus Bron­ze­zeit und Mit­tel­al­ter bedürfe.

Letzt­lich mahnte der Papst in sei­ner Rede eine Ver­ant­wor­tung vor Gott, Gerech­tig­keit und und die Unter­schei­dung von Gut und Böse an. Lei­der machte er nicht deut­lich, nach wel­chen Kri­te­rien dabei geur­teilt wer­den soll.

Damit sind Chris­ten in kei­ner bes­se­ren Lage als Athe­is­ten oder Huma­nis­ten: Wir alle müs­sen uns über­le­gen, wel­ches eigent­lich die Kri­te­rien für unser Han­deln, für die Unter­schei­dung von Gut und Böse sein sol­len, und was „Gerech­tig­keit“ bedeutet.

Nicht ein­mal der Begriff der Nächs­ten­liebe kam in sei­ner Rede vor, wobei auch die­ser offen lässt, was denn kon­kret Nächs­ten­liebe sein soll (z.B. Ster­be­hilfe oder Leidensverlängerung).

Damit lie­fert der Papst ledig­lich Schlag­worte („Ver­ant­wor­tung vor Gott“, „Gerech­tig­keit“, „Gut und Böse“), aber keine Maß­stäbe (Kri­te­rien), wie man die­sen Ziel­set­zun­gen näher kommt.

Mit ande­ren Wor­ten: Der Papst hat zwar von Ver­ant­wor­tung, Gerech­tig­keit, Men­schen­würde, Gut und Böse gespro­chen, aber nicht den gerings­ten Hin­weis gege­ben, an wel­chen Kri­te­rien sich diese Werte kon­kret fest­ma­chen sollen.

Das ist nichts ande­res als eine Bank­rott­er­klä­rung, denn offi­zi­ell behaup­tet die katho­li­sche Kir­che ja durch­aus – und schreibt dies im ihrem Kate­chis­mus auch bis ins Detail vor –, was „gut“ und was „böse“ (bzw. schlecht) ist.

Offen­bar feh­len selbst dem Papst – der ja oft als gro­ßer Intel­lek­tu­el­ler bezeich­net wird – all­ge­mein nach­voll­zieh­bare Argu­mente für die Unter­schei­dung zwi­schen Gut und Böse (z.B. hat Ratz­in­ger ja im Zusam­men­hang mit der recht­li­chen Gleich­stel­lung homo­se­xu­el­ler Lebens­ge­mein­schaf­ten von der „Lega­li­sie­rung des Bösen“ gespro­chen) und das Ver­ständ­nis von „Gerech­tig­keit“, wie es die katho­li­sche
Kir­che lehrt. Um sich an „Ver­ant­wor­tung“ und „Gerech­tig­keit“ erin­nern zu las­sen, hätte es der Rede des Paps­tes im Bun­des­tag wohl kaum bedurft.

Da der Papst offen­bar keine ver­nünf­ti­gen Argu­mente für seine Vor­stel­lung von Gut und Böse hat, hat er sich dar­auf beschränkt, die natu­ra­lis­ti­sche Welt­sicht als unzu­rei­chend dar­zu­stel­len – als ob die moderne Welt­sicht eine Ergän­zung durch einen dog­ma­ti­schen, mit­tel­al­ter– bis bron­ze­zeit­li­chen Aber­glau­ben bedürfe. Die Ökobe­we­gung dürfte er gerade des­halb als Bei­spiel erwähnt haben, weil sie teil­weise starke emo­tio­nale und irra­tio­nale Ele­mente ent­hält. Durch­ge­setzt haben dürf­ten sich Umwelt­schutz­be­lange aller­dings, weil sie auch ver­nünf­tig sind. Umwelt­schutz ist auf dem Vor­marsch, der Katho­li­zis­mus – zumin­dest in Europa – auf dem Rückzug.

Man kann nur für die Katho­li­ken hof­fen, dass das noch nicht alles war. Eine Erin­ne­rung an Ver­ant­wor­tung und Gerech­tig­keit hät­ten sie von mir für deut­lich weni­ger als 30 Mil­lio­nen Euro haben können.

[Über­nahme von Sky­dad­dys Blog]

***

Für die, die sich das Gerede eines alten Man­nes anhören/sehen wol­len:
Die Papst-Rede im Bun­des­tag — 22.09.2011 Teil 1/2
Die Papst-Rede im Bun­des­tag — 22.09.2011 Teil 2/2

« Papst” und ”Hitler” Arm in Arm durch Berlin{lang: 'de'}

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