Bundessozialgericht: 2 wichtige Entscheidungen zum Arbeitlosengeld II

Bundessozialgericht: 2 wichtige Entscheidungen zum Arbeitlosengeld II

© Rainer Sturm / pixelio.de

Das Bundessozialgericht hat 2 wichtige Entscheidungen zum Arbeitslosengeld II erlassen: zum einen geht es um die Voraussetzungen für eine Weiterbewilligung, zum anderen um die Beiträge zu einer privaten Krankenversicherung bei Bezug von AlG II; im Einzelnen:

Für die Weiterbewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach der Beendigung des Bewilligungsabschnitts ist ein Fortzahlungsantrag erforderlich, entschied der 4. Senat des Bundessozialgerichts am 18. Januar 2011 in den Verfahren B 4 AS 99/10 R und 29/10 R.

Die Kläger des Verfahrens zu dem Aktenzeichen B 4 AS 99/10 R ‑ Bezieher von Arbeitslosengeld II und Sozialgeld nach dem SGB II ‑ stellten ihren Antrag auf Fortzahlung der Leistungen erst 3 1/2 Wochen nach Ablauf des vorangegangenen Bewilligungszeitraums. Die Entscheidung des Beklagten, ihnen auch erst ab dem Eingang des Fortzahlungsantrags Leistungen zur Sicherung des Lebens unterhalts weiter zu gewähren, hat das Bundessozialgericht ‑ ebenso wie die Vorinstanzen ‑ bestätigt. Für die 3 1/2wöchige Zwischenzeit mangelte es an einem Leistungsantrag, der im Grundsicherungs recht für Arbeitsuchende anspruchsauslösend ist. Anders als im Sozialhilferecht reicht insoweit nicht schon die bloße Kenntnis des Leistungsträgers von der Hilfebedürftigkeit. Da der, das Antragserfor dernis normierende § 37 SGB II zudem keine gesetzliche Frist bestimmt, konnte ihnen auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden. Anspruch auf Leistungen für den Zwischen raum haben die Kläger auch nicht auf Grund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs, denn der Beklagte hatte die Kläger zeitnah vor Ablauf des vorangegangenen Bewilligungszeitraums auf das Antragserfordernis hingewiesen und einen entsprechenden Antrag übersandt.

In dem Fall zu dem Aktenzeichen B 4 AS 29/10 R war die Ausgangssituation insoweit etwas anders, als der Kläger, der durchgehend seit dem 1. Januar 2005 Arbeitslosengeld II bezog, nach dem ersten Bewilligungsabschnitt ohne einen Fortzahlungsantrag gestellt zu haben von dem Beklagten weiterhin Leistungen erhalten hatte. Der Beklagte hatte in dem Weiterbewilligungsbescheid auch nur darauf hingewiesen, dass ein Fortzahlungsantrag rechtzeitig vor Ablauf des Bewilligungsabschnitts (vier Wochen) gestellt werden müsse. Den Fortzahlungsantrag für den dritten Bewilligungszeitraum stellte der Kläger dann erst rund sechs Wochen nach Ablauf des zweiten Bewilligungszeitraums und der Beklagte gewährte Leistungen auch in diesem Fall erst ab Eingang des Fortzahlungsantrags. Das Bundessozialgericht hat das Urteil des Landessozialgerichts, das das Handeln des Beklagten für rechtmäßig befunden hat, aufgehoben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entschei dung an das Landessozialgericht zurückverwiesen. Zwar mangelt es auch hier für den Zwischenzeit raum an einem Fortzahlungsantrag. Allerdings könnte der Kläger einen Leistungsanspruch auf Grund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs haben, weil der Beklagte es pflichtwidrig unterlassen hat, den Kläger zeitnah vor dem Ende des vorhergehenden Bewilligungsabschnitts auf die Notwen digkeit der Weiterbeantragung von Leistungen hinzuweisen. Eine derartige Nebenpflicht ergibt sich aus dem Sozialrechtsverhältnis, begründet durch die Leistungsgewährung im vorhergehenden Bewil­ligungsabschnitt, sowie aus der konkreten Fallkonstellation, in der dem Kläger bereits einmal Leistun gen ohne Fortzahlungsantrag weitergewährt worden waren. Ob der Kläger allerdings wegen dieses Beratungsmangels des Beklagten den Fortzahlungsantrag nicht rechtzeitig gestellt hat, vermochte der Senat nach den Feststellungen des Landessozialgerichts nicht zu beurteilen. Hiervon hängt alsdann ab, ob der Kläger auch für die sechs Wochen zwischen dem zweiten und dritten Bewilligungszeitraum einen Anspruch auf Arbeitslosengeld II hat.

Die Presseinformation des BSozG finden Sie Hier.

Auch am 18. Januar 2011 entschied ebenfalls der 4. Senat im Verfahren B 4 AS 108/10 R, dass der als selbständiger Rechtsanwalt tätige und privat krankenversicherte Kläger im streitigen Zeitraum des Jahres 2009 von dem Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übernahme seiner Beiträge zur privaten Krankenversicherung in voller Höhe verlangen kann.

Der Kläger konnte nicht mehr ‑ wie nach der Rechtslage bis zum 31. Dezember 2008 ‑ als Bezieher von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II automatisch Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung werden, sondern musste seine private Krankenversicherung mit einer Beitragsbelastung in Höhe von 207,39 Euro aufrecht erhalten. Eine ausdrückliche Regelung dazu, wie der offene Beitragsanteil auszugleichen ist, findet sich im SGB II nicht.

Insofern besteht eine gesetzesimmanente Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvoll ständig keit der gesetzlichen Vorschriften. Den Gesetzesmaterialen zu dem GKV-Wettbewerbs-Stär kungs gesetz lassen sich keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass der Gesetzgeber den privat krankenversi cherten Beziehern von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II bewusst und gewollt einen von ihnen finanziell nicht zu tragenden Beitragsanteil belassen wollte. Die schriftlich niedergelegten Motive enthalten Hinweise auf einen „bezahlbaren Basistarif“ und dies berücksichti gende Regelungen, die sicherstellten, dass „die Betroffenen finanziell nicht überfor dert würden“. Auch der weitere Regelungszusammenhang spricht für eine gesetzesimmanente Lücke, weil Beiträge für freiwillig krankenversicherte Leistungsempfänger in vollem Umfang und Beiträge zur privaten Kran kenversicherung in Fallgestaltungen ganz übernommen werden, in denen dadurch der Eintritt einer Hilfebe dürftigkeit nach dem SGB II vermieden werden kann.

Schließlich wäre das verfassungsrechtlich garantierte Existenzminimum privat versicherter SGB II-Leistungsempfänger betroffen, wenn die von ihnen geschuldeten Beiträge zur privaten Krankenversi cherung nicht vom Träger der Grundsicherung übernommen würden. Die planwidrige Regelungslücke bei der Tragung von Beiträgen zur privaten Krankenversicherung ist ‑ hinsichtlich der offenen Bei tragsanteile ‑ daher durch eine analoge Anwendung der Regelung für freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherte Personen zu schließen. Hieraus ergibt sich eine Verpflichtung des Beklagten zur Übernahme der Beiträge in voller Höhe.


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