Bundesländer können eigene Mietpreisbegrenzungen festlegen

Bundesländer können eigene Mietpreisbegrenzungen festlegen„Mietrecht ist Bundesrecht. Da können wir leider gar nichts machen.“ So oder so ähnliche klingen viele Argumente, die den meist lokal organisierten Mieterinitiativen seit Jahren entgegengesetzt werden, wenn sie Mietbegrenzungen als Schutz vor Verdrängung und Wohnungsnot verlangen. Zumindest in den Stadtstaaten dürfte dieses Argument der Vergangenheit angehören. Ein kürzlich veröffentlichter Aufsatz des Juristen Peter Weber in der JuristenZeitung argumentiert mit einem Ausflug in die Rechtsgeschichte der Bundesrepublik, dass ein hoheitliches Mietpreisrecht in der Rechtskompetenz der Länder liegt.

Der Artikel mit dem schönen Titel „Mittel und Wege landesrechtlichen Mietpreisrechts in angespannten Wohnungsmärkten“ diskutiert die (verfassungs-)rechtlichen Aspekte einer landesrechtlichen Gesetzgebungskompetenz für ein eigenständiges Mietpreisrecht außerhalb des BGB. Was sich zunächst als trockene juristische Kost präsentiert, könnte eine enorme politischen Sprengkraft entwickeln. Denn in der Konsequenz besagt die Argumentation von Peter Weber nichts anderes als, dass Städte wie Berlin ganz ohne den Bund eine eigenständige Mietpreisregulierungen einführen können.

Im Tagesspiegel („Berlin könnte eine eigene Mietpreisregulierung einführen“) setzen sich die SPD-Politiker/innen Eva Högl, Julian Zado und Kilian Wegner für eine beherzte Umsetzung ein und wollen keine Zeit verlieren:

Ein beherztes Vorgehen der Regierungskoalition vorausgesetzt, könnte der von uns vorgeschlagene „Berliner Mietendeckel“ noch in dieser Legislaturperiode umgesetzt werden. Angesichts wachsender Verdrängung und Unsicherheit der Mieterinnen und Mieter in Berlin ist keine Zeit zu verlieren.

In der Tageszeitung Neues Deutschland („Die Mietpreislawine stoppen“) kommt mit Katrin Schmidberger (Bündnis90/Die Grünen) auch eine Abgeordente der Regierungskoalition zu Wort, die das Vorhaben unterstützt:

»Eine echte Bremse, die den Berliner Einkommensverhältnissen gerecht wird, ist mehr als notwendig und es wäre phänomenal, wenn das rechtlich wirklich durchsetzbar ist«, sagt Grünen-Mietenexpertin Katrin Schmidberger. Der Vorstoß klinge »vielversprechend« und sie diskutiere darüber gerade mit einigen Experten. »Gerade weil das Bundesmietrecht die Mieter so schlecht schützt, gilt es diesen Vorschlag genau zu prüfen«, so Schmidberger weiter.

Katina Schubert, die Landevorsitzende der Partei Die Linke meldet sich via Twitter und verkündet:

„Die Fachleute prüfen, was wirklich geht. Wenn es funktioniert, ist es der Hammer und muss kommen“

Soviel Einigkeit ist (leider) nicht die Regel in der rot-rot-grünen Regierungskoalition – doch vor allem den Berliner Mieterinnen und Mieter wäre es zu wünschen, dass sich die Idee für eine landesrechtliches Mietpreiskappung zum tragfähigen Projekt von r2g  entwickelt. Falls nicht, bleibt immer noch die Option für einen Volksentscheid, so jedenfalls Rouzbeh Taheri, Sprecher nicht nur des Mietenvolksentscheids von 2015 und des aktuellen Volksbegehrens »Deutsche Wohnen und Co enteignen«:

„Das wäre sensationell, wenn es so wäre, wie dargestellt. Dann müssten wir sofort noch einen Volksentscheid starten“

Zusammenfassung und Einordnung von:

Weber, Peter 2018: Mittel und Wege landesrechtlichen Mietpreisrechts in angespannten Wohnungsmärkten. In: JuristenZeitung (JZ), Jahrgang 73 (2018) / Heft 21, S. 1022-1029

Die aus meiner Sicht wichtigste Erkentnisse des Fachartikels sind:

  1. Mietpreisbeschränkungen sind vom Grundgesetz gedeckt (selbst das Recht auf Eigentum umfasst keine Renditegarantie)
  2. Mietpreise können nicht nur im Rahmen des BGB als Privatrecht, sondern auch über ein öffentliches Preisrecht begrenzt und festgelegt werden
  3. Landesrechtliche Mietpreisregelungen auf dem Verwaltungsweg müssen Regelungsbereiche betreffen, die nicht schon von bundesrechtlicher Gesetzgebung bestimmt werden. Seit der Föderalismusreform 2006 liegt die Gesetzgebungsbefugnis für das Wohnungswesen bei den Ländern.
  4. Die Länder können im Rahmen eines hoheitliches Mietpreisrechts  die Überschreitung von als schützenswert definierten Mietpreisen per Gesetz oder auf dem Wege des Verordnungsrechts verbieten.

Zu den Argumenten des Textes im Einzelnen:

Marktorientierte Mietgesetzgebung vs. Staatlicher Versorgungsauftrag

In einem ersten Argumentationsschritt setzt sich Peter Weber mit der Rolle des Mietrechts im Spannungsfeld von Marktorientierung und einem öffentlichen Versorgungsauftrag im Bereich der Wohnversorgung auseinander und stellt dabei heraus, dass die Vertragsfreiheit im Mietrecht die angemessene Wohnungsversorgung zurzeit nicht gewährleistet.

Der Autor verweist zunächst auf bereits bestehende Regelungen, die zulässigen Miethöhen im Rahmen von Rechtsverordnungen abweichend von den sonstigen Vorgeben des Mietrechts zu bestimmen. Die Regelungen zur Mietpreisbremse in Städten mit angespannten Wohnungsmärkten sehen z.B. eine Kappung von Neuvermietungsmieten bei einer Miethöhe vor, die die ortübliche Vergleichsmiete (OVM) um maximal 10 Prozent überschreitet. Dabei – so Weber – beliebt die Mietkappung in der Marktlogik verhaftet. Die Miethöhenbegrenzung orientiert sich zwar nicht an der Marktmiete, nimmt jedoch mit der OVM auf eine „jederzeit marktorientierte Größe Bezug, mithin auf die Entwicklung des Marktes“ (Weber 2018: 1022).

Die OVM ist dabei keine Marktmiete im eigentlichen Sinne, sondern mit der Herleitung aus den vereinbarten Bestandsmieten der letzten vier Jahre ein „Kunstprodukt“, weil es diese Miete im Markt nicht gibt. Die bestehende Mietpreisregulierung zielt darauf, „einerseits die Wirtschaftlichkeit des Hausbesitzes im Vermieterinteresse (zu) erhalten“ und „andererseits die Dynamik von Mietpreissteigerungen (…) im Mieterinteresse“ abzufedern (Weber 2018: 1022). Die Mietpreisbremse ist damit keine „Mietpreisfestsetzung“ und kein „Mietenstopp“ sondern findest „unmittelbar im Privatrecht, im Miet- und Vertragswesen des BGB statt“. Es handelt sich im Kern um „Begrenzungen privatautonomer Preisfreiheit“ (Weber 2018: 1022).

Die Entwicklung in den Städten zeige – so die Argumentation es Autors – dass auf angespannten Wohnungsmärkten die „bloße gesetzliche Gewährleistung von Vertragsfreiheit als Garant für angemessenen Vertragsinhalte“ versagt (Weber 2018: 1022).

Die Situation der verfehlten Versorgungseffekte durch zu hohe Mieten führt Peter Weber auf die Marktorientierung des BGB und auch der daraus abgeleiteten Regelungen ab. Doch: „Den Markt kann man nicht in Haftung nehmen, weder für das Wohl des einzelnen noch das der Allgemeinheit. Er ist bloße Vorstellung, eine Unperson, nichts rechtsfähig“.

Mietpreise können auch mit hoheitlichem Recht festgelegt werden

In einem zweiten Argument setzt sich Peter Weber mit den verschiedenen vom Grundgesetz gedeckten Möglichkeiten der Mietpreisbeschränkung auseinander und stellt heraus, dass der seit Jahrzehnten gewählte Weg einer privatrechtlichen Regulierung über das Mietrecht im BGB nicht alternativlos ist. Mietpreisbildungen können auch im Rahmen des öffentlichen Rechts und des Verwaltungsrechts bestimmt werden.

Unabhängig vom Markt stellt Peter Weber den staatliche Versorgungsauftrag im Bereich der Wohnungsversorgung heraus. Dieser staatliche Versorgungsauftrag wird zurzeit über das privatrechtliche Vertragswesen im Rahmen des bürgerlichen Rechts auf die Mietvertragsparteien abgewälzt. Der Staat kann jedoch zur Erfüllung seiner Verantwortung „das private Miet- und Vertragswesen ebenso von ‚außen‘ mit Wirtschaftsverwaltung und Wirtschaftsverwaltungsrecht in seinem Sinne dirigieren[1]“ und sogar „in Formen der Gemeinwirtschaft überführen“ (Weber 2018: 1023).

Peter Weber stützt diese Eingriffsoptionen staatlichen Handelns auf das Argument, dass die Marktwirtschaft keine verfassungsrechtliche Vorgabe sei. Die mietrechtlichen Eingriffe beschreibt er als staatliche Interventionen in eine grundsätzlich marktwirtschaftlich orientierte Wohnungspolitik, die als „Stützungsmaßnahmen zur Wiederherstellung einer als Normalzustand vorgestellten Funktionsfähigkeit des Wohnungsmarktes“ verstanden werden (Weber 2018: 1023).

Das Grundgesetz ermöglicht dabei nicht nur sachgerecht erscheinende Eingriffe in die privatrechtliche Gestaltungsfreiheit, sondern könnte auch eine grundsätzlich andere Wirtschaftssystematik für den Bereich der Wohnungsversorgung vorgeben: „Ein bestimmtes Wirtschaftssystem ist durch das Grundgesetz weder vorgegeben noch gewährleistet. Ob ein Gesetzgeber eine völlig freie oder gebundene Wohnungswirtschaft für notwendig und zweckmäßig hält, (…) obliege seiner politischen Entscheidung“ (Weber 2018: 1023)[2].

Der oft formulierte Einwand, Einschränkungen der Vertragsfreiheit im Mietrecht seien mit der freien Marktwirtschaft unvereinbar, sind daher „rechtlich betrachtet nichtssagend und für eine verfassungsrechtliche Prüfung unerheblich“ (Weber 2018: 1023 f.). Entscheidend sei vielmehr, ob die zu treffenden Regelungen den Normen des Grundgesetzes entsprechen und insbesondere mit den Grundrechten und Gesetzgebungskompetenzen im Einklang stehen.

Herrlein (2016) attestiert dem Gesetzgeber in seiner Retrospektive auf 100 Jahre Mietpreisbremse eine „gewisse Ideenlosigkeit auf dem Gebiet des Mietpreisrechts“ und beschreibt das wiederkehrende Changieren zwischen Freiheit und Bindung als ein „hundertjähriges Übergangsrecht“ und zeigt damit, wie die Rechtsgeschichte selbst die Fiktion des markwirtschaftlichen Normalzustandes in Frage stellt[3]. Peter Weber verweist darauf, dass dabei jedoch Regelungen der Mietpreise über Instrumente des Wirtschafts- und Preisrechts seit längerem keine Anwendung fanden (Weber 2018: 1023).

Durch die im Einführungsgesetz zum BGB (EGBGB) eingeräumten Vorbehalte für landesgesetzliche Vorschriften sieht Weber jedoch mit der seit 2006 (Föderalismusreform) bei den Ländern liegenden Gesetzgebungskompetenz für das Wohnungswesen Spielräume für Landesgesetze zur Mietpreisbegrenzung (Weber 2018: 1023) und verweist auf die Möglichkeit, die „Wohnungswirtschaft (…) wo nötig, auch durch Verwaltungsrecht und öffentliches Preisrecht“ zu ordnen (Weber 2018: 1024).

Ein Mietpreisstopp ist keine Verletzung des Eigentums

In einem dritten Argument legt Peter Weber dar, dass hoheitliche Eingriffe in die Mietpreisbildung vom Grundgesetz gedeckt sind.  Insbesondere der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums umfasst kein Verfassungsrecht auf Rendite.

Mit einem Blick auf die Rechtsgeschichte der BRD setzt sich Weber mit der Aufhebung der Wohnungszwangsbewirtschaftung nach 1945 auseinander. Der Gesetzentwurf zum „Abbau der Wohnungszwangswirtschaft“ von 1959 etwa begründet die schrittweise Aufhebung der Zwangswirtschaft mit der Entspannung der Wohnversorgungssituation: die „Beschränkungen des Eigentums“ seien nur solange vertretbar, wie die „Wohnungsnot politisch und sozial keine andere Wahl“ lasse (Weber 2018: 1024). Ziel des Gesetzgebers war der Übergang zur freie Preisbildung der Mietpreise unter den Bedingungen eines ausgeglichenen Marktes. Der Abbau der Zwangsbewirtschaftung betraf in den Vorstellungen der 1960er Jahre etwa zwei Drittel des Wohnungsmarktes, die von einem Drittel preisgebundener und gemeinnütziger Wohnungen ergänzt werden.  Da aktuell weder eine entspannte Versorgungssituation noch ein entsprechend hoher Anteil an preisgebundenen und gemeinnützigen Wohnungen besteht, steigt auch wieder die Legitimität für eine gesetzgeberische Gestaltungsfreiheit für geeignete, erforderliche und angemessene Eingriffe in die Bewirtschaftung und Preisbildung der Wohnungsversorgung (Weber 2018: 1025). So wie die Entspannung der Wohnungsversorgung die Rechtfertigung der Wohnungszwangsbewirtschaftung in Frage gestellt hat („Regelungen, die in Notzeiten gerechtfertigt sind, können unter veränderten wirtschaftliche und gesellschaftlichen Verhältnissen eine andere verfassungsrechtliche Bewertung erfahren“) gilt umgekehrt auch: „Regelungen, die in ruhigen Zeiten gemacht worden sind, werden in Zeiten von Knappheit und Not dem gesetzgeberischen Gestaltungsauftrag nicht gerecht“ ( Weber 2018: 1025).

Den Argumenten, ein Mietpreisstopp würde das Eigentumsgrundrecht der Vermieter beeinträchtigen, hält Peter Weber Rechtsauffassungen des Bundesverfassungsgerichts entgegen, die deutlich herausstellen, dass sich „die verfassungsrechtliche Gewährleistung des Eigentums auf die Substanz, das Erworbene beschränkt. Nicht umfasst ist der Erwerb, die Rendite“. Der grundgesetzliche Schutz des Eigentums umfasst keine Renditegarantie. Vielmehr definiere der Artikel 14 des Grundgesetzes das Allgemeinwohl nicht nur als Grund, sondern auch als Grenze der dem Eigentum auferlegten Beschränkungen (Weber 2018: 1025).

Welche Beschränkungen des Eigentums und der Preisfreiheit sind aus Gründen des Allgemeinwohls verfassungsrechtlich möglich? Das Grundgesetz selbst enthält keine expliziten Regelungen für das Preisrecht oder die Preisbildung. Das 1948 vom Wirtschaftsrat des vereinigten Wirtschaftsgebietes (der drei Westzonen) erlassenen „Übergangsgesetz über Preisbildung und Preisüberwachung“ (PreisG, 1948) ist nach wie vor in Kraft (Weber 2018: 1025). Der „§2 Abs. 1 PreisG ermächtigt zum Erlass von Verordnungen, durch die Preise festgesetzt oder genehmigt werden…“ (Weber 2018: 1026). Mit diesen Eingriffen in die Preisbildung sollte das allgemeine Preisniveau stabilisiert und unangemessene Preissteigerungen verhindert werden. Für den Einsatz der Mietpreisregulierung genüge – so die von Weber widergegeben Rechtauffassung des BVerwG[4] –  „die Befürchtung, dass bei fortwährender Freigabe der Mieten diese derart steigen, dass wirtschaftlich schwächere Teile der Bevölkerung nicht mehr in der Lage sind, angemessenen Wohnraum zu tragbaren Bedingungen zu behalten oder zu erlangen“ (Weber 2018: 1025).

Dass auch städtebauliche und siedlungspolitische Ziele für die Begründung von Mietpreisbeschränkungen herangezogen werden können, zeigt die Begründung zur Einführung der Mietpreisbremse, die u.a. den „Fortbestand sozial stabiler Bewohnerstrukturen, ausgewogener Siedlungsstrukturen  und ausgeglichener wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Verhältnisse“ sichern sollte (siehe Entwurf der Mietpreisbremse, BT-Drucksache 2014: 18/3121, S. 18).

Im Zusammenhang mit den Urteil des Bundesverwaltungsgerichts gegen die Berliner Mietobergrenzen in Sanierungsgebieten (BVerwG, Urteil von 24.05.2006, 4 C 9/04) weist Peter Weber drauf hin, dass die Mietobergrenzen mit der Begründung abgelehnt wurden, dass bereits andere städtebaurechtliche Befugnisse für Eingriffe der Gemeinden in das private Mietrecht vorgesehen waren. Diese Argumentation des Bundesverwaltungsgerichts schließt jedoch nicht aus, dass Mietobergrenzen oder andere Mietpreisfestsetzungen verfassungsrechtlich möglich und grundsätzlich zulässig wären, wenn der Gesetzgeber den Gemeinden im BauGB die entsprechende Ermächtigung erteilen würde (Weber 2018: 1026).

Gesetzgebungskompetenz für das Wohnungswesen liegt bei den Ländern

Als einen weiteren Aspekt setzt sich Peter Weber mit den Fragen der Zuständigkeit und der Gesetzgebungskompetenz auseinander und verweist auf die Föderalismusreform von 2006, die die Regelungskompetenzen für das Wohnungswesen zugunsten einer landesrechtlichen Hoheit entschieden hat.

Konflikte zwischen den Zuständigkeiten des Bundes und der Länder sind nur für konkurrierende Gesetzgebungen relevant, etwa, wenn bestimmte Rechtsnormen sowohl von der landesrechtlichen als auch von der bundesrechtlichen Gesetzgebung bestimmt werden. In solchen Fällen ist das Bundesrecht höher zu bewerten. In Feldern jedoch, in denen es keine bundeseinheitliche Regelungen gibt und die Länder über die Gesetzgebungskompetenz verfügen, können länderspezifische Bestimmungen auch zum Mietpreisrecht erlassen werden.

Spätestens seit der Föderalismusreform im Jahr 2006 wurde diese konkurrierende Gesetzgebungsbefugnis zwischen Bund und Ländern aufgehoben und zugunsten einer Regelungskompetenz durch die Länder entschieden. Insbesondere wirksame Gesetze zur Begrenzung des Mietanstiegs können dadurch von den Ländern z.B. im Rahmen eines öffentlichen Mietpreisrechts beschlossen werden (Weber 2018: 1027). Die Rechtspraxis der Wohnungszwangsbewirtschaftung in der Nachkriegszeit und auch die die Abschaffung begleitenden Rechtsauffassungen zeigen nach Weber: „An der generellen Möglichkeit einer Regulierung der Preise an den Wohnungsmärkten durch (…) die für das Wohnungswesen zuständigen Gesetzgeber systematisch außerhalb des Mietvertragsrechts sollte daher kein Zweifel bestehen“ (Weber 2018: 1027).

Was kann in einem öffentlichen Mietpreisrecht festgelegt werden?

Ein öffentliches Mietpreisrecht kann Mietpreise pauschal oder differenziert für verschiedene Wohnungsmarktsegmente festlegen und eine Preisüberschreitung hoheitlich verbieten. Solche preisrechtlichen Bestimmungen können sowohl für Bestandmietverträge als auch bei Neuvermietungen Anwendung finden.

Zunächst besteht grundsätzlich die Möglichkeit, Regelungen zur Abwendung von ausufernden Preisen außerhalb des BGB durch Verwaltungsrecht zu treffen. Zwang und Schärfe des öffentlichen Mietpreisrechts können bis hin zur „gänzlichen Ausschaltung des Marktmechanismus“ variiert werden (Weber 2018: 1028). Erlassen werden kann z.B. ein hoheitliches Mietpreisrecht als Gesetz- oder Verordnungsecht in dem bestimmte oder bestimmbare Höchstpreise für diese oder jene Art von Wohnungen gesetzlich festgeschrieben werden (Weber 2018: 1028). Eine für die Preisbildung zuständige oberste Landesbehörde könnte Anordnungen und Verfügungen erlassen, durch die Preise, Mieten, Pachten, Gebühren und sonstige Entgelte für Güter und Leistungen festgesetzt und genehmigt werden.

In der Ausgestaltung eines öffentlichen Mietpreisrechts könnte ein vorgefundener oder als angemessen erachteter Preisstand geschützt werden, indem Preisüberschreitungen verboten werden (Weber 2018: 1028).  Eine solches Verbot von Preisüberschreitungen ist dabei keine Eingriff in die gesamte Preisabrede oder das Rechtsgeschäft, sondern unterbindet lediglich die unerlaubte (weil als unangemessen erklärte) Überhöhung.

Eine öffentlich rechtliche Mietpreisfestlegung könnte sich beispielsweise an den Leistbarkeitsgrenzen der Medianeinkommen orientieren und Höchstmieten so festsetzen, dass mindestens die Hälfte der Berliner Haushalte zu leistbaren Wohnkosten versorgt werden können, also nicht mehr als 30 Prozent des Einkommens für die Miete ausgeben muss.

Bei einem Medianeinkommen von ca. 2.000 € im Monat könnten jeder Haushalt etwa 600 Miete zahlen. Bei einer durchschnittlichen Wohnungsgröße von 65m² wären das (abzüglich von 3 €/m² für Betriebs- und Heizkosten) etwa 6,30 €/m² nettokalt. Denkbar wären in der Praxis Auf- und Abschläge für verschiedene Haushaltsgrößen. Kleinere Haushalte sind dabei auf günstigere Wohnungen angewiesen – größere Haushalte könnten ein wenig mehr zahlen.

[1] Weber verweist an dieser Stelle auf die Veröffentlichung von Hünemann, Ewald 1998: Geschichte des öffentlichen und privaten Mietpreisrechts vom ersten Weltkrieg bis zum Gesetz über die Regelungen der Miethöhe von 1974. (Rechtshistorische Reihe 171)

[2] BVerfG, Urteil vom 20.07.1954(1 BvR 459/52

[3] Herrlein, Jürgen 2016: 100 Jahre „Mietpreisbremse“. In: NZM 1-2/2016, 1-9

[4] BVerwG Urteil vom 30.06.1956, V 84/85 (BVerwGE 3, 362, juris Rn.10)

1956, V 84/85 (BVerwGE 3, 362, juris Rn.10)


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