Vielleicht könnte das auch für viele Leistungserbringer ein guter Ansatz sein: Bundesgesundheitsminister Rösler (FDP) schlägt vor, dass gesetzlich Versicherte ihren Arzt künftig häufiger freiwillig selbst bezahlen und sich das Geld von den Krankenkassen erstatten lassen sollen.
Dazu müssten aber erst einmal die Hürden bei entsprechenden Wahltarifen beseitigt werden, die gesetzlichen Krankenkassen würden den privaten Versicherungen angenähert. Insgesamt würde das Prinzip der Kostenerstattung weiter ausgebaut.
Opposition, gesetzliche Kassen, Gewerkschaften und Verbraucherschützer reagierten empört. Aber sind die gegen diese vorgebrachten Argumente wirklich tragbar – und gelten sie im Bereich der Leistungserbringer im gleichen Masse wie bei den Ärzten?
Schon jetzt gibt es auch für gesetzlich Versicherte in bestimmten Tarifen die Kostenerstattung als Wahlmöglichkeit, jedoch nur mit einer Erstattungsquote von 90 Prozent der sonst bezahlten Kosten. Das ist unattraktiv, findet nicht nur der Gesundheitsminister, und deswegen sollen diese Beschränkungen aufgehoben werden. Darüber hinaus sucht die derzeitige Regierung nach weiteren Möglichkeiten, dass Erstattungssystem populär zu machen.
Die Kassen allerdings sind dagegen; ihr Hauptargument: „Vorkasse heißt, dass den Ärzten der direkte Griff in die Portemonnaies ihrer Patienten ermöglicht wird“, sagte ein Verbandssprecher . „Wenn kranke Menschen zum Arzt gehen, dann sollen sie sich nicht erst fragen müssen, ob ihr Geld reicht, um in Vorkasse gehen zu können.“
Aus Sicht der Barmer GEK droht weiterhin die Gefahr, dass die Patienten auf erheblichen Mehrkosten sitzen bleiben, und zwar dann, wenn ein Arzt mehr verlangt, als er für Kassenpatienten sonst bekommt – denn nur bis zu dieser Höhe sollen die Kosten erstattet werden.
SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach warnte: „Wir werden eine Drei-Klassen-Medizin bekommen, bestehend aus Privatversicherten, denjenigen mit Kostenerstattung – und dann kommt die Holzklasse.“ Patienten bekämen bevorzugt Arzttermine, wenn sie selbst zahlen, doch dies sei Geringverdienern unmöglich. Ähnlich äußerten sich der Bundesverband der Verbraucherzentralen und der DGB.
Die Argumente sind bedenkenswert, aber wie sieht denn auch und gerade bei den Leistungserbringern oder in den Apotheken die derzeitige Praxis aus: da werden Medikamente oder Hilfsmittel vom Arzt verordnet, und dann werden bei der Abgabe massive Zuzahlungen fällig – Zuzahlungen, die ja auch nur (teilweise) erstattet werden, wenn es dafür soziale Gründe gibt. Die direkte Beteiligung an den Behandlungskosten ist also ausserhalb der Arztpraxen schon längst Realität, nur dort herrscht bis auf die Praxisgebühr angeblich Bargeldlosigkeit. Doch halt, was ist denn mit den Zuzahlungen beim Zahnarzt, mit IGEL-Leistungen und, und, und – nein, das System ist jetzt schon löcherig und die Mehrklassenmedizin blanke Realität.
Ich habe da kein Patentrezept, aber als Privatpatient bin ich es gewohnt, entweder in Vorkasse zu gehen, sowieso aufgrund des vereinbarten Selbstbehalts die Rechnung zu zahlen oder aber mich selbst um die Kostendeckung zu kümmern. Sicher, das macht alles zusätzliche Arbeit, aber es hat auch einen unbestreitbaren Vorteil: ich mache mir Gedanken um meine Gesundheit (das macht sich hoffentlich jeder) und ich mache mir darüber hinaus Gedanken über den besten Weg (nicht den billigsten!), diese wieder herzustellen, wenn ich einmal krank bin. Und ich habe einen Überblick, welche Kosten meine Gesundung bzw. der Erhalt meiner Gesundheit verursacht. Ich behaupte, dass kann kein gesetzlich Krankenversicherter von sich behaupten, und zwar nicht, weil er sich nicht darum kümmert, sondern weil es das derzeitige System schlicht nicht hergibt. Machen wir uns nicht vor, es gibt nur eine Gruppe, die etwas über die tatsächlichen Kosten für die Gesundheit der gesetzliche Versicherten sagen kann: die Krankenkassen; aber kennt irgendjemand diese Kosten wirklich?
Wie gesagt, ich weiss noch lange nicht, was ich von dem Vorschlag des Gesundheitsministers abschliessend halten soll, nur ich denke, man sollte dies vorurteilsfrei diskutieren; aus meiner eigenen Erfahrung heraus kann ich jedenfalls sagen, dass das derzeitige System zwar vehement von den Kassen verteidigt wird, aber dass diese Verteidigung sicherlich weniger mit dem Wohl des Versicherten oder dem Schutz des Leistungserbringers zu tun hat, sondern mehr mit massiven wirtschaftlichen Interessen der Krankenkassen selbst. Das ist es, was mich stutzig macht…