Bundesgerichtshof: Das Aufleben des nachehelichen Unterhaltsanspruch nach dem Scheitern einer gefestigten Lebensbeziehung

Bundesgerichtshof: Das Aufleben des nachehelichen Unterhaltsanspruch nach dem Scheitern einer gefestigten Lebensbeziehung

© Gerd Altmann/dezignus.com / pixelio.de

Wir leben in einem Land und in einer Zeit, in der ein altes Modell der Lebensplanung durch sehr viele Menschen durch ein anderes ersetzt worden ist: die Lebenspartnerschaft ist der Lebensabschnittspartnerschaft gewichen. Und dies gilt nicht nur für nichteheliche Lebensgemeinschaften, sondern eben auch für die längst nicht mehr beherrschende Form, die Ehe.

Dies ändert aber nichts daran, dass solche Lebensabschnittsbeziehungen trotzdem Kinder hervorbringen, und dies wiederum führt dazu, dass dann nach Beendigung der Beziehung Unterhaltsansprüche wegen Kindesbetreuung entstehen. Diese wiederum hat der Gesetzgeber – und damit auch nachfolgend die Rechtsprechung – in den letzten Jahren massiv verändert; eine der gravierendsten Änderungen dabei ist sicherlich, dass inzwischen der eheliche Betreuungsunterhaltsanspruch dem nichtehelichen inhaltlich praktisch gleichsteht.

So weit, so nachvollziehbar, denn warum soll ein Elternteil, welches minderjährige Kinder versorgt, untehaltsrechtlich besser oder schlechter stehen, je nachdem, welche Form der Partnerschaft er gewählt hat. Der verfassungsrechtliche Schutz der Ehe jedenfalls gebietet dies nicht, denn immer ist auch die Familie (also das Zusammenleben von miteinander Verwandten) genauso umfassend verfassungsrechtlich geschützt.

Doch es gibt einen anderen interessanten Aspekt, denn der Sinn und Zweck einer Lebensabschnittsgemeinschaft bringt es mit sich, dass solche nicht nur ein einziges Mal in einem Leben begründet werden, sondern eben durchaus mehrmals.

Und damit kommen wir zu der spannenden Frage des §1579 Nr.2 BGB, der durch die Unterhaltsrechtsreform vom Gesetzgeber eingeführt wurde (und so der vorhergehenden ständigen Rechtsprechung des BGH zur verfestigten Lebensgemeinschaft folgt):

§ 1579 Beschränkung oder Versagung des Unterhalts wegen grober Unbilligkeit

Ein Unterhaltsanspruch ist zu versagen, herabzusetzen oder zeitlich zu begrenzen, soweit die Inanspruchnahme des Verpflichteten auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes grob unbillig wäre, weil

1. (…)

2. der Berechtigte in einer verfestigten Lebensgemeinschaft lebt,

3. (…)

Hier ergibt sich nun das Problem: Was ist, wenn aus der ersten Lebensabschnittspartnerschaft Kinder hervorgegangen sind, die Betreuungsperson der noch minderjährigen Kindern nunmehr in einer neuen verfestigten Lebensabschnittspartnerschaft lebt und diese zweite Beziehung nun zerbricht? Ist dann der Unterhalt gegen das leibliche Elternteil auch weiterhin verwirkt oder lebt er trotz oder aufgrund der Vorschrift des §1579 Nr.2 BGB wieder auf?

Mit dieser Frage beschäftigt sich der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 13.07.2011 (Az. XII ZR 84/09) und kommt dabei zu folgenden Ergebnissen (Klick):

„Zweck der gesetzlichen Neuregelung in §1579 Nr. 2 BGB ist es, rein objektive Gegebenheiten bzw. Veränderungen in den Lebensverhältnissen des bedürftigen Ehegatten zu erfassen, die eine dauerhafte Unterhaltsleistung unzumutbar erscheinen lassen. Entscheidend ist deswegen darauf abzustellen, dass der unterhaltsberechtigte frühere Ehegatte eine verfestigte neue Lebensgemeinschaft eingegangen ist, sich damit endgültig aus der ehelichen Solidarität herauslöst und zu erkennen gibt, dass er diese nicht mehr benötigt. Kriterien wie die Leistungsfähigkeit des neuen Partners spielen hingegen keine Rolle.

 b) Ein nach §1579 Nr. 2 BGB beschränkter oder versagter nachehelicher Unterhaltsanspruch kann grundsätzlich wiederaufleben, wobei es einer umfassenden Zumutbarkeitsprüfung unter Berücksichtigung aller Umstände bedarf. Bei Beendigung der verfestigten Lebensgemeinschaft lebt ein versagter Unterhaltsanspruch regelmäßig im Interesse gemeinsamer Kinder als Betreuungsunterhalt wieder auf. Für andere Unterhaltstatbestände gilt dies nur dann, wenn trotz der für eine gewisse Zeit verfestigten neuen Lebensgemeinschaft noch ein Maß an nachehelicher Solidarität geschuldet ist, das im Ausnahmefall eine weitergehende nacheheliche Unterhaltspflicht rechtfertigen kann.“

Damit setzt der BGH seine Linie konsequent fort: er orientiert den Unterhalt nicht (mehr) an der zerbrochenen Lebensbeziehung, sondern er stellt ab auf die Interessen der daraus hervorgegangenen Kinder und auf die Nachteile, die den jeweiligen Partnern aus der Beziehung entstanden sind.

Damit steht die staatliche legitimierte Partnerschaft, also die Ehe, der nichtehelichen Lebensgemeinschaft nun unterhaltsrechtlich in vielen Fällen gleich. Man mag dies bedauern, doch es ist entspricht dem Gesetz.

In Bezug auf den Kindesbetreuungsunterhalt führt dies zwingend zu dem Ergebnis, dass dieser Unterhaltstatbestand nur daran orientiert wird, ob eine Kindesbetreuung durchgeführt wird und ob die tatsächlichen Lebensumstände des betreuenden Elternteils eine Unterhaltsleistung aufgrund der Kindesbetreuung erforderlich machen.

So erklärt der BGH ausdrücklich, dass die Versagung des Unterhalts nach §1579 Nr.2 BGB den Hintergrund hat, dass der (ehemals) unterhaltsberechtigte Partner durch die Aufnahme und Verfestigung der Lebensgemeinschaft zu erkennen gegeben hat, dass für ihn die vorhergehende eheliche Solidarität keine Rolle mehr spielt – und er damit auch aufgrund dieser nicht mehr bestehenden ehelichen Solidarität keinen Unterhalt mehr zu beanspruchen hat.

Er erklärt aber gleichzeitig, dass ein vollständiger Wegfall der ehelichen Solidarität zwar bei anderen Unterhaltstatbeständen den Bestand der Verwirkung sichert, dass dies aber beim Kindesbetreuungsunterhalt  keine Rolle spielt, wenn es die Interessen der minderjährigen Kinder berührt – und dies sei „regelmässig“ der Fall.

Aufgrund der Anpassung der Unterhaltsvoraussetzungen beim Unterhalt des betreuenden Elternteils fürht dies konsequent dazu, dass die ehemalige Ehefrau, deren zweite Beziehung noch während der Betreuung der Kinder aus erster Ehe scheitert, gegen den anderen Elternteil weiterhin einen Unterhaltsanspruch hat. Damit bleibt er einem nichtehelichen Elternteil gleichgestellt, sein Unterhaltsanspruch ist genauso viel (oder wenig) wert.

Fassen wir zusammen:

  • Eine verfestigte Lebensgemeinschaft führt regelmässig zu einem Wegfall eines nachehelichen Unterhalts und auch zur Verwirkung aller Unterhaltsansprüche.
  • Scheitert die verfestigte Lebensgemeinschaft, so leben die Unterhaltsansprüche gegen den ehemaligen Ehepartner ebenso regelmässig nicht wieder auf, denn die Aufnahme der verfestigten Lebensgemeinschaft beendete die eheliche Solidarität.
  • Ausnahme hiervon ist der Kindesbetreuungsunterhalt, da dieser nicht auf der ehelichen Solidarität beruht, sondern auf dem Schutz der Interessen der zu betreuenden Kinder. Regelmässig verlangen diese Interessen das Wiederaufleben.
Und klären wir noch eine letzte Frage: warum so oft das Wort „regelmässig“ beim BGH (und damit auch bei mir)?Damit wird die Verteilung der Darlegungs- und Beweislasten benannt: besteht eine verfestigte Lebenspartnerschaft, so muss der darin lebende, aber trotzdem Unterhalt verlangende Ex-Partner darlegen und beweisen, warum bei ihm ausnahmsweise (!) die eheliche Solidarität trotzdem weiter fortwirkt, genauso, wie er dies auch noch dem Scheitern der verfestigten Lebenspartnerschaft darlegen und beweisen muss. Und umgekehrt muss der auf Unterhalt in Anspruchgenommene Elternteil darlegen und beweisen, warum ausnahmsweise die Kindesinteressen nicht verletzt werden, wenn er keinen Kindesbetreuungsunterhalt zahlt.

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