Bundesdienst und Zivilheer – die vierte Option zur Wehrpflicht Volksbefragung

Von Medicus58

Bundesdienst und Zivilheer – die vierte Option zur Wehrpflicht Volksbefragung

Also ich musste noch mein Gewissen prüfen lassen, um zum Zivildienst zu dürfen, diese wurde erst 1991 abgeschafft; dass man eigentlich vom Wehrersatzdienst zu sprechen hatte, wird oft vergessen, lässt aber semantisch tief blicken.
Gott (an den ich nicht glaube) sei Dank wurde mein Gewissen nicht vom Verteidigungsminister, der damalige war nämlich kein Ex-Zivi wie heute, sondern vom Innenminister überprüft. 
Dass der damalige Innenminister (http://de.wikipedia.org/wiki/Otto_R%C3%B6sch) ein ehemaliger Lehrer an einer nationalsozialistischen Eliteschule war, war damals noch nicht so wirklich ein Thema.
Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass ich bei meiner Verhandlung gefragt wurde, ob ich denn nicht bei einem neuerlichen deutschen Einmarsch nach Österreich meine Heimat verteidigen würde.
Mein Verweis, dass damals das österreichische Bundesheer in der Südsteiermark versammelt wurde, als Hitler die Grenze bei Braunau (für die Nicht-Österreicher ziemlich weit von der Steiermark entfernt) überschritt und auch die aktuelle Verteidigungsdoktrin drei Fünftel der Bevölkerung schutzlos im Donautal zurücklassen würde, beendete meine Gewissensprüfung. Jahrelanges Quellenstudium der neueren Österreichischen Geschichte schien sich auszuzahlen. Die klassische Verteidigungslinie religiöser Vorbehalte gegen den Gebrauch der Waffe, die man damals auf vielen pazifistischen Flugblättern auswendig lernen konnte, war mir nach dem Kirchenaustritt weniger zugänglich, schien mir persönlich aber auch verlogen.

Nach Beendigung meines Medizinstudiums absolvierte ich meinen 9-monatigen Zivildienst im Rettungswesen, wo ich je nach Laune meiner Vorgesetzten als „Reservearzt“ (offiziell durfte ich ja nicht, da mir noch das ius practicandi fehlte), als Sanitäter, als „Krankentaxler“ (im sogenannten Personentransport) oder als „Essensauslieferer“ zu zwei Flüchtlingsheimen, bis zu 12h/Tag bis zu 7 Tage/Woche eingesetzt wurde.
Da die meisten meiner Vorgesetzten an der Klinik ÖVP oder FPÖ Mitglieder und Offiziere der Reserve waren, schien es für die weitere Karriereplanung nicht dienlich auf seine Zivi-Vergangenheit hinzuweisen.

Die SPÖ trug damals dem Bundesheeres noch die Beschießung der Gemeindebauten im Februar 1934 nach, so dass die Ermöglichung des Zivildienstes durch die Regierung Kreisky II (http://de.wikipedia.org/wiki/Zivildienst_in_%C3%96sterreich) durchaus als eine Art Retourkutsche verstanden werden kann. Die Vorstellung von Söldnerheeren innerhalb der Landesgrenzen wäre damals für jeden echten Sozi unvorstellbar gewesen.

Heute ist alles anders.

Ein Ex-Zivi als SPÖ Verteidigungsminister erwärmt sich nach Häupls Ablenkungsmanöver vom Skylink Debakel vor der Wiener Wahl plötzlich fürs Berufsheer; warum fragt ihn eigentlich niemand, ob er im nächsten Schritt überhaupt an eine Privatisierung der Landesverteidigung denkt, wie es schon längst gelebt wird (z.B.: Blackwater, Aegis, Dyncorp, International Risk, ArmorGroup International, Defensive Shield, Executive Outcomes http://www.zeit.de/2008/12/Soeldnerheere ).

Die ÖVP wiederum, wechselte von der unverhohlenen Geringschätzung der Zivildiener, die zwischen 1992 und 1997 durch eine asymmetrische, zeitliche Verlängerung des Zivildienstes ausgedrückt wurde (max. 12 Monate , heute wieder 9 Monate) einsetzte, während der Wehrdienst deutlich kürzer wurde (heute 6 Monate), zur glühenden Verfechterin der Wehrpflicht, weil dadurch das Lohndumping im Sozialbereich durch die Zivis sicher gestellt werden kann. Bizarr war auch, dass FPÖVP 2002-2005 die Verteilung der Zivildiener überhaupt an das Rote Kreuz abtreten wollten und nur vom Verfassungsgerichtshof eingebremst werden konnten.
Das ist überhaupt bizarr, denn was den wenigsten bewusst, einem Ex-Zivi beim Arbeitersamariterbund aber schon in der Grundausbildung erklärt wurde, das Rote Kreuz ist im Kriegsfall weltweit den Behörden und somit auch dem Militär unterstellt.

Besondere Bestimmungen für bewaffnete Konflikte

Rotkreuzgesetz § 6. (1) In Zeiten eines bewaffneten Konfliktes, an dem die Republik Österreich beteiligt ist, unterstützt das Österreichische Rote Kreuz gemäß den Bestimmungen der Genfer Abkommen und Zusatzprotokolle im Rahmen seiner Möglichkeiten die Sanitätsdienste des österreichischen Bundesheeres.

Der Schachzug von Blau-Schwarz-Orange nach der Wende führt für 4 Jahre dazu, dass der Zivildiener nicht mehr dem Innenministerium sondern via RK letztendlich erneut dem Militär unterstellt wurde!

Die Befragung am 20. Jänner ist eine parteipolitische Farce
nur das sagen ohnehin schon alle Kommentatoren.
Eine dritte Option (Abschaffung des Heeres) wird uns ja nicht geboten (http://berufsheer.diefakten.at/uncategorized/wo-bleibt-die-option-drei/).

Ich wäre sogar für eine vierte Option:
Bundesdienst und Zivilheer statt Bundesheer und Zivildienst

Eine der Gefahrenlage angepasste Landesverteidigung hat unter der Kontrolle des (zivilen) Parlaments zu stehen und sollte möglichst viele Zivilpersonen (im Gegensatz zum Berufssöldner) beinhalten. Ob wir aktuell mehr Panzer oder mehr Hirn benötigen, ist immer wieder zu hinterfragen. Dann hätten wir ein Zivilheer statt eines privatisierten Berufs(Söldner‑)heeres.
Als Akt der gesellschaftlichen Solidarität macht es für alle (Männer wie Frauen) Sinn, aus ihrem gesellschaftlichen Biotop auszubrechen und auch andere Schichten in ihrem Land kennen zu lernen. (Das war für mich z.B. der größte Gewinn meiner Tätigkeit im Rettungswesen) Dazu ist es notwendig, das weder Wehrersatzdienst noch Zivildienst zu nennen, sondern als solidarischen Dienst an der Gemeinschaft, eben einen Bundesdienst zu nennen. Selbstverständlich hat dies adäquat bezahlt zu werden, um zu keinem Lohndumping in den Aufgabenbereichen des Staates zu führen, die eigentlich verfassungsgesetzliche Aufgabe des Staates/der Länder sind, für die wir eigentlich uns den ganzen Moloch eines Staates antun.

Prinzipiell geht mir seit Jahrzehnten enorm auf den Geist und gegen den politischen Strich, dass man unter Landesverteidigung immer nur die bewaffnete und/oder uniformierte Komponente einer Verteidigung nach außen sehen möchte.
Wer sagt denn endlich wieder einmal deutlich, dass es auch eine Landesverteidigung nach innen gibt, die in der Geschichte der Neuzeit mindesten ebenso wichtig gewesen wäre, wie die Abknallerei angeblicher Außenfeinde.

Link:
Parkpickerl für Panzer. Oder: Faymann inseriert in der Bibel
http://youtu.be/YPXkXfBxKkM
Infosammlung von Barbara Blaha:
http://volksbefragung.wordpress.com/tag/barbara-blaha/
http://berufsheer.diefakten.at/ 
Österreichs Armee im Wandel:
http://kurier.at/politik/oesterreichs-armee-im-wandel/810.139

Nicht ganz off topic: Brot und Spiele, made in Vienna
http://derstandard.at/1356426616859/Brot-und-Spiele-made-in-Vienna