Im "Buddhaland" fragte gerade ein User, was der Buddhismus zum Selbstmord sage. Den Buddhismus gibt es ja nicht, also ergab sich gleich eine Bandbreite von Antworten. Zwei der intelligenteren stammen von den Usern accinca und Sudhana und verschweigen doch einen Teil der Überlieferung oder sind sich deren Widersprüchen gar nicht bewusst. Schauen wir uns an, was dabei herauskommt.
Interessant ist, wie schnell die These abgebügelt wird, der Buddha selbst könne Selbstmord begangen haben (je nach Lesart starb er ja an vergifteten oder schlechten Pilzen bzw. Schweinefleisch). Hier fehlt m. E. der Einwurf, dass ein Allwissender natürlich einen solchen Umstand durchschaut haben und damit willentlich den Tod in Kauf genommen haben müsste. Damit hat er im Grunde sogar der Sterbehilfe durch andere zugestimmt, oder eben einem Mord. Das aber hätte ja aufgrund der zitierten Verbote aus dem Vinaya nicht sein dürfen. Denn wenn ein Erwachter keinen Mord dulden will, aber bei seiner eigenen Tötung ein Auge zudrückt, dann tut er ja nichts anderes, als eine Form der Sterbehilfe zu dulden.
Natürlich werden auch wieder die Jataka ausgeblendet und die Geschichte, nach er der Buddha in einem seiner Vorleben als Bodhisattva sich einer Tigerin opferte, damit sie nicht dem Hungertod anheimfiele (siehe Kap. 18 in diesem Sutra). Bliebe man nun in der Analogie der o. g. Buddhaland-User, nach der die schriftliche Überlieferung das Vorbild für eigenes Verhalten liefert, dann würde also zumindest jeder, der sich auf eine Weise umbringt, die andere Lebewesen vor dem Verhungern rettet, im Sinne dieses Bodhisattva bzw. des späteren Buddha handeln. Im weiteren Sinn könnte ein solcher Selbstmord eines Bodhisattva zum Nutzen anderer Wesen z. B. geschehen, damit seine Organe noch in möglichst gutem Zustand anderen gespendet werden können. Man sieht also leicht, in welche irren Gefilde man gerät, wenn man mit dem Klammern an die schriftliche Überlieferung Ernst machte.
Noch klarer wird das freilich an folgender Aussage:
"Selbstmord ist zweifellos eine Möglichkeit, die persönliche Leiderfahrung zu beenden, indem man die Person - das, was persönliches Leid erfährt - vernichtet. Das ist Resignation, Aufgeben - und das hat Anspruch auf Mitgefühl und Verständnis. Aber das ist natürlich nicht der Ausweg aus dem Problem des Leidens, den Buddha gelehrt hat, es ist vielmehr der Sieg des Leidens."
Wieder einmal wird der Dharma dahingehend verstanden, als würde er einen Ausweg aus den Fakten, die das Leid mit vier Schlagbegriffen umschreiben, anbieten: Geburt, Krankheit, Alter und Tod. Doch das tut er nicht. Der Buddhismus kann keines dieser vier Dinge aufheben (sofern wir einmal den Gedanken an eine Wieder-Geburt ausklammern). Insofern kann das Leiden auch nicht "siegen", wenn jemand sich selbst umbringt, da der Tod ja wirklich jeden erwartet und somit immer obsiegen würde. Vielmehr gebt es im Dharma darum, wie man sich gegenüber leidhaften Erfahrungen gedanklich positioniert, wie man also nicht am Leiden, den Fakten etwa von Krankheiten, Altern und Sterben/Tod, leidet.
Wenn es nun, um auf obiges Beispiel zurückzukommen, wie im Falle Chandas möglich sein soll, Befreiung erlangt zu haben und dennoch den Wunsch nach einem Abkürzen von physischem Leiden zu verspüren, dann zeigt dies ja gerade, dass eben dieses Leiden nicht durch Befreiung überwunden wird und auch das (gedankliche) Nicht-Leiden an diesem körperlichen Schmerz offenbar Grenzen kennt. Wieso sonst sollte Chanda überhaupt auf den Gedanken kommen, es abzukürzen? Wäre es "Resignation", "das, was persönliches Leid erfährt" von dieser Erfahrung zu trennen, dann dürfte auch keine erfolgreiche Schmerztherapie angewendet werden, da ja so die Schmerzrezeptoren und die entsprechende Registrierung im Hirn des Betroffenen manipuliert wären. Hier wird also zwischen den Zeilen so getan, als sei es wichtiger, dass ein Mensch schwer leidet und sich diesem Leiden auch körperlich stellt, anstatt darauf zu setzen, dass er - wie etwa Vakkali - durch Schmerzeliminierung bzw. ggf. auch den eigenen Tod Befreiung erlangt.
Buddha hat keinen Weg aus schwerem körperlichem Leid gelehrt. Er hat lediglich das geistige Leiden der Menschen behandelt. Und zu einer seiner wesentlichen Erkenntnisse gehörte dabei, dass das von uns empfundene Selbst einer Einbildung entspricht. Von einem solchen Hirngespinst kann man sich auf zweierlei Art verabschieden: Indem man sich entsprechender Gedanken entledigt oder den Gedankenapparat komplett lahmlegt. Ein derartiges Nirwana, darauf deutet vieles hin, ist dann spätestens mit dem Tod aber jedem möglich.