Buchvorstellungen: "Blackburn (AndroSF Bd. 33)" & "Die große Streifenlüge" (AndroSF Bd. 32) (SFCD/p.machinery)


Wenn es einen Bereich der Science-Fiction gab, den ich im letzten Jahr in nur sehr begrenztem Umfang behandelt habe, dann war es die SF-Literatur. Darum nahm ich mir Ende 2013 vor, wieder öfter als in den zurückliegenden Monaten zu Romanen und Geschichtensammlungen zu greifen. Gesagt, getan. Gleich zwei Bücher waren es, die ich mir zu Gemüte geführt habe und die ich hier besprechen möchte.
Für den Science Fiction Club Deutschland e.V. (SFCD) gibt der Verlag p.machinery von Michael Haitel nun schon seit einiger Zeit die Reihe AstroSF heraus. Im August 2013 erschienen dort die Bände Blackburn (AstroSF 33) und Die Große Streifenlüge (AstroSF 32). Zwei Bücher, die abgesehen von der Tatsache, dass sie beide Geschichtensammlungen repräsentieren, unterschiedlicher nicht sein könnten.
Für Blackburn entwarf Herausgeber Michael Haitel als Inspiration für interessierte Autoren eine Prämisse in Form alternativer Geschichtsschreibung:
Mogadischu, Somalia. Irgendwann 1993 fällt der Soldat Blackburn aus einem Black Hawk und wird verletzt. Der Hubschrauber stürzt ab, ein weiterer Black Hawk folgt. Soldaten sterben, werden verletzt, müssen sich gegen die Warlords und ihre Milizen, die nicht nur die Stadt, sondern auch das Land beherrschen, verteidigen. Die Verluste sind hoch, aber die Amerikaner lassen niemanden zurück. Die beiden Söhne des amerikanischen Präsidenten Bill Clinton befinden sich unter den gefallenen Soldaten. Clinton will Vergeltung. Ende Oktober 1993 detonieren über Mogadischu zwei taktische Atombomben der Amerikaner und zerstören die Stadt. Vollständig. Anfang November werden ganz Somalia, Djibuti, der Südosten Äthiopiens und der Nordosten Kenias mit taktischen Neutronenbomben bombardiert, bis kein Leben mehr existiert. Die Amerikaner verlieren das Interesse an der Region. Die Region ist ohne Leben.
An dieser Stelle ist es müßig zu diskutieren, wie realistisch seinerzeit ein solches Szenario überhaupt gewesen wäre. Und ob wirklich nur vier Autoren Beiträge eingereicht haben oder alle übrigen nicht zur Veröffentlichung taugten, kann man als Außenstehender ebenfalls nicht beantworten. Tatsache ist, dass Blackburn mit 56 Seiten ein sehr überschaubarer Band (man könnte auch von Bändchen reden) geworden ist. Nun sagt Quantität nichts über Qualität aus, doch die Autoren hatten offenbar sichtlich Mühe mit der Prämisse, denn nur Merlin Thomas schafft es in Operation Heal, die Ausgangssituation wirklich für seine Erzählung zu nutzen. Folgerichtig ist sie das Highlight des Buches. Thomas' Geschichte spinnt den historischen Faden weiter und gewährt uns einen tiefen wie zynischen Blick in die Abgründe der Verquickung von Machtpolitik und Wirtschaftsinteressen. Im Vergleich zu dieser so gelungen Story fallen die anderen drei Beiträge deutlich zurück. Weder Urs Wolf (Homo Radians) noch Michael Weinberger (Anomalie) wussten mit der ihnen vorgegebenen Ausgangssituation wirklich etwas anzufangen. Und selbst der gestandene Matthias Falke (Die Mörserstellung) wirkt nicht sonderlich inspiriert. Wie gut, dass wenigstens Merlin Thomas für diesen Band die Kohlen aus dem Feuer holt. Seiner Geschichte ist es zu verdanken, dass ich hier sagen kann, es habe sich gelohnt, Blackburn zu lesen.
An das Buch Die Große Streifenlüge bin ich zugegebenermaßen mit einer Mischung aus Vorfreude und Unbehagen herangegangen. Mit Vorfreude deshalb, weil alle hier versammelten Geschichten durch Songs von Kate Bush inspiriert wurden und ich selbst ein großer Fan der Künstlerin bin. Gleichzeitig bereitete mit die Vorstellung Unbehagen, die Erzählungen könnten vielleicht mit der Klasse ihrer Inspirationsquellen nicht schritthalten. Man kennt das: Der Roman hat einen gepackt und von der Verfilmung war man anschließend enttäuscht. Vor diesem Hintergrund war ich umso erfreuter, als ich feststellen musste, dass ausnahmslos alle Storys in Die Große Streifenlüge bei mir auf Gegenliebe stießen.
Die insgesamt zehn Geschichten decken auf 180 Seiten mit Steampunk, Zeitreise oder Dystopie (um nur einge zu nennen) ganz unterschiedliche Motive und Themenfelder der SF ab, sind stilistisch abwechslungsreich und erzählerisch durchweg von hoher Qualität. Daher fällt es auch schwer, an dieser Stelle einen Favoriten zu benennen. Mir persönlich haben Agnes von Tedine Sanss, Der Regenmacher von Ralph Doege und Mein Teil deines Lebens von Carla Heinzel am besten gefallen. Doch auch von Der Preis der Pianistin (Enzo Asui), Atmen, Ägypten (beide von Karsten Beuchert), Lichtgestalten (Gabriele Behrend), Gottes Auge (Manfred Lafrentz), Geboren am 20. Juli (Abel Inkun) und Brân von VoynixSF fühlte ich mich gut unterhalten. Sehr schön ist zudem, dass nach jeder Geschichte die Autorin/der Autor kurz zu Wort kommt und erläutert, welcher Song von Kate Bush sie/ihn inspiriert hat. Man muss übrigens die zugrundeliegenden Lieder oder überhaupt Kate Bush nicht kennen, um die Geschichten in Die große Streifenlüge zu verstehen oder gar zu mögen. Wer ihre Musik nicht kennt und sich ein Bild verschaffen möchte, der findet ihre Songs und die entsprechenden Videos dazu auf Plattformen wie YouTube usw. Ein tolles Buch, das ich sicherlich noch das eine oder andere Mal in die Hand nehmen werde.
Ich sagte eingangs, dass die Bücher Blackburn und Die Große Streifenlüge nicht unterschiedlicher sein könnten. Damit ging es mir nicht um den deutlich größeren Umfang der letztgenannten Veröffentlichung, sondern um die Tatsache, dass Blackburn durch eine einzige (dafür aber richtig gute) Story davor bewahrt wird, komplett irrelevant zu sein, während Die Große Streifenlüge hingegen durchweg mit ihren Erzählungen zu punkten versteht. Wer als SF-Fan gleichzeitig Anhänger dieser englischen Ausnahmekünstlerin ist, wird an diesem Buch nur schwerlich (wenn überhaupt) vorbeikommen.
Die Große Streifenlüge möchte ich euch wärmstens ans Herz legen, doch Blackburn ist wahrlich Geschmackssache. Doch holt euch das Buch ruhig – und sei es nur, um euch ein eigenes Bild zu machen.
Die Fakten: 
Titel: Blackburn             Erschienen als Band 33 der Reihe AndroSF Verlag: p.machinery, Murnau für den SFCD  Herausgeber: Michael Haitel Autoren: M. Falke, M. Thomas, M. Weinberger, U. Wolf Umfang: 56 Seiten  Format: Taschenbuch  Erscheinungsjahr: 2013 Preis: 5,90 Euro
ISBN: 978 3 942533 70 6
Titel: Die Große Streifenlüge             Erschienen als Band 32 der Reihe AndroSF Verlag: p.machinery, Murnau für den SFCD  Herausgeber: Michael Haitel Autoren:  E. Asui, G. Behrend, K. Beuchert, C. Heinzel, T. Sanss u.a. Umfang: 180 Seiten  Format: Taschenbuch  Erscheinungsjahr: 2013 Preis: 8,90 Euro
ISBN: 978 3 942533 69 0
Link: Website des Verlags p.machinery

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