Tarmann, Paul R.: Menschenrecht, Ethik und Friedenssicherung. Der personalphilosophische Ansatz Karl Lugmayers, Frankfurt am Main, Wien [u.a.]: Lang 2010, ISBN 978-3-631-58735-5, 182 S., € 37,80,-
Gastrezension von Univ.-Prof. DDDr. Alfred Klose
Dem Autor ist es mit dem vorliegenden Buch gelungen, die Erinnerung an einen bedeutenden österreichischen Sozialphilosophen und Sozialpolitiker zu beleben. Karl Lugmayer hatte in der Zeit nach 1945 einen beachtlichen Einfluss auf die Sozialgesetzgebung. In der ersten Nachkriegsregierung unter Karl Renner war er Unterstaatssekretär im Unterrichtsressort, was der Funktion nach dem heutigen Staatssekretär entspricht – damals trugen Minister nur den Titel „Staatssekretär“. Lugmayer trug zu einem Klima des Vertrauens und der Kooperation zwischen der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) und der Sozialistischen Partei (SPÖ) bei. Besonders gelang dies durch die damals verwirklichte Sozialpartnerschaft zwischen den Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen. In der ersteren, bei der gewerblichen und industriellen Wirtschaft, hatte die ÖVP bestimmenden Einfluss, bei den Gewerkschaften und den Arbeiterkammern hingegen die SPÖ. Die große Koalition bestand bis 1966, Lugmayer war einer jener Denker, die die ideelle Grundlage dafür schufen.
Von dieser politischen und gesellschaftlichen Situation muss man ausgehen, wenn man – wie Tarmann in dem vorliegenden Buch – den personalphilosophischen Ansatz Lugmayers und dessen Beitrag für die politische Kultur Österreichs nach 1945 verstehen will. Lugmayers Philosophie ist aber weit über diese Nachkriegszeit hinaus zukunftsweisend, wie Tarmann in hervorragender Weise darlegt. Lugmayer war ein bedeutender Vordenker: Es ist die grundlegende Überzeugung, dass zukunftsweisende Politik nur auf einer ethischen Grundlage gestaltet werden kann! Wie ein anderer führender Denker des damaligen Österreich, Johannes Messner, geht es Lugmayer um eine politische Ethik. Besonders die Menschenrechte werden in den Mittelpunkt gestellt, die Friedenssicherung bezieht sich genauso auf den internationalen Bereich, wie auch auf die Innenpolitik: Österreich verwirklichte mit seiner nach 1945 geschaffenen Sozialpartnerschaft ein hohes Ausmaß an sozialer Sicherheit. Das war nicht nur eine hervorragende Leistung der führenden Politiker, der Funktionäre in den Wirtschaftsorganisationen, den Kammern und Gewerkschaften, sondern auch ein Verdienst jener Persönlichkeiten, die sich um die geistigen Grundlagen bemüht hatten. Tarmann stellt in seinem sehr übersichtlichen und gut lesbaren Buch den hervorragenden Anteil Lugmayers nachdrücklich heraus.
Das Menschenrechtsthema ist auch heute angesichts der revolutionären Vorgänge in einer Reihe von Staaten von besonderer Bedeutung. Das rechte Verständnis der Personwürde – ein erstrangiges Anliegen Lugmayers –verpflichtet zur Schaffung einer funktionsfähigen Friedensordnung, sowohl innerstaatlich, als auch international. In der Nachkriegszeit nach 1945 verstanden Politiker und Philosophen diese Zusammenhänge nach den furchtbaren Erfahrungen mit den totalitären Systemen nationalsozialistischer und kommunistischer Prägung. Die hohe Wertschöpfung der Friedensordnung bei Lugmayer hebt Tarmann hervor.
Es ist erfreulich, dass es heute auch jüngere Sozialwissenschaftler sind, die sich an Lugmayer erinnern! Auch ist es von besonderer Bedeutung, wenn jüngere Wissenschaftler das Bewusstsein um die Relevanz traditioneller Werte zugleich mit dem Bemühen um zukunftsweisende Konzepte verbinden, wie dies bei Tarmann der Fall ist.
Univ.-Prof. DDDr. Alfred Klose