Heute bleibt die Küche kalt – es gibt statt dessen etwas ins Glas. Theoretisch.
Wein ist eigentlich nicht so mein Fachgebiet. Oder halt – sagen wir: es war nicht so mein Fachgebiet. Ich trinke gerne mal ein Glas Wein, aber all diese blumigen Beschreibung, die gerne in fachmännischem Ton vorgetragen werden, die machen mich eher nervös. Schmeckt oder schmeckt nicht und harmoniert für mich gefühlt mit diesem Essen oder eben nicht, das sind doch auch schon ganz gute Kategorien.
So war das. Und dann kam Justin Leone. Justin Leone wurde in Kanada geboren und wuchs in den USA auf. Er hatte, sagen wir mal, anspruchsvolle Eltern und studierte daher zunächst klassischen Kontrabass und Literatur. Danach aber ging er mit seiner Rockband auf Tour. Das machte ihm großen Spaß, aber irgendwo im Hinterkopf war ihm klar, dass das nicht ewig so geht. Auf kleinen Umwegen entdeckte er seine Liebe zum Wein, arbeitete erst in einer Weinhandlung in den USA, studierte dann am Court of Master Sommeliers und landete schließlich als Sommelier im Restaurant von Grant Achatz. Das ist schon eindrucksvoll, aber er kam danach nach München und arbeitete als Chefsommelier im Tantris. Kurz zusammengefasst – der Mann versteht mehr als nur etwas von Wein.
Nun hat er sein erstes Buch geschrieben, in dem er sein beeindruckendes Wissen mit uns teilt. Der Ansatz ist ungewöhnlich, und, das nehme ich vorweg – genau deswegen liebe ich dieses Buch. Es wird Weinwissen vermittelt, aber auf eine sehr lässige, entspannte Art. Es geht schlicht darum, dass Wein immer auch Emotionen weckt – dafür ist er da. Und:
Dein Hund spricht auch nicht Deine Sprache, und trotzdem hast Du gelernt, ihn zu verstehen. Warum sollte das beim Wein nicht gehen?
Stimmt. Fangen wir also an. Justin Leone hilft uns, Wein auf unsere ganz eigene Art zu empfinden und mit unserer ganz eigenen Sprache auszudrücken. Dazu ist das Buch grob in drei Teile unterteilt. Erst geht es mal um die Grundlagen. Um die Elemente, die einen Wein ausmachen – der Weinberg, der Winzer, der Jahrgang, die Rebe, und ja, auch das Publikum. Es geht darum, wie man seine Sinne schult, um Worte dafür zu finden, was dieser Wein, den wir da im Glas haben, für uns ausmacht. Wie ist das mit dem Holz? Welcher Geschmacksnoten befinden sich in welchem Wein? Wie wirkt sich der Boden aus? Muss man Naturwein mögen?
Nenn ihn launisch, unberechenbar oder grenzwertig durchgeknallt, von allen Künstlern dieser Liste ist David Bowie mit weitem Abstand der dynamischste. … Und genau so ist auch Muscat: ein völlig eigenständiger Glamour-Rocker. Mit einem Duft, der erregt, ob floral und feminin oder moschusartig und maskulin, triefend entweder von frischer rosa Grapefruit oder deftiger Blutorange, feinem Pfirsich oder pikanter Limette.
Dann geht es ins Detail – die einzelnen Rebsorten werden erklärt. Und zwar kein bisschen akademisch – Justin Leone zieht Parallelen zu Musik. Für jede Rebsorte hat er ein paar Musiker und entsprechend einleuchtende Vergleiche parat – und die entsprechende Spotify-Playlist gibt es als QR-Code gleich dazu. Ich zähle jetzt nicht so viel auf – außer vielleicht dass Pinot Noir mit seinem Drama bei Freddie Mercury angesiedelt ist und der mitunter kratzige Nebbiolo bei Tom Waits. – Da sind übrigens Musiker und Wein meine Favoriten. Also, Waits, nicht Mercury.
Der dritte Teil ist dann eher praktisch – da geht es um Werkzeuge und Vokabular für eine Blindverkostung, um Temperatur, Dekantieren und Gläser, darum welchen Wein man zu welchem Anlaß trinkt, um Punktesysteme, Jahrgänge und Jahrgangstabellen (lass Dich bloß nicht erwischen mit so einem Unding …) darum wie Weine altern, um Snobismus – und vieles mehr; es ist eine Fundgrube.
Ich hatte das Vergnügen, bei der Buchpräsentation dabei sein zu dürfen. Abgesehen davon, dass ich da etwas gelernt habe, gut gegessen habe und wunderbaren Wein trinken durfte, hatte ich auch einen Höllenspaß. Justin Leone bewegt sich nämlich ganz weit weg vom üblichen Wein-Vokabular, er ist frech, unkonventionell und lustig. Natürlich auch im Buch. Das Vokabular ist frisch, frei von der Leber weg und lustig, oft genug auch recht deftig.
Die Vergleiche sind bildlich und emotional – man kann den Wein schmecken, ohne ihn auf der Zunge zu haben. Man hat Spaß beim Lesen und Justin Leone versteht es, Wein und seine Sprache zugänglich zu machen, ohne in irgendeiner Form elitär oder wissenschaftlich zu wirken. Es ist ein Weinbuch, das einen Höllenspaß macht und dabei ganz unprätentiös eine Menge fundiertes Wissen weitergibt.
- Taschenbuch: 200 Seiten
- Verlag: ZS Verlag GmbH
- Sprache: Deutsch
- ISBN: 978-3898838375
- € 22,99