Die Auseinandersetzung mit Körperlichkeit und Judentum reicht in der Geschichte weit zurück. Einerseits in der Frage der Selbstwahrnehmung des eigenen Körpers, andererseits hinsichtlich der Zuschreibungen, die an die Physiognomie von Menschen jüdischer Herkunft gemacht wurden und die immer wieder Ausdruck und Beförderer von Antijudaismus und Antisemitismus waren.
Auch der Sport war für die Auseinandersetzung mit Körper und Judentum von jeher Spiegel oder Projektionsfläche, wie in der aktuellen Wechselausstellung Never Walk Alone vielfach gezeigt wird. Ein Beispiel ist die vorgestellte Biografie des Muskelmanns Sigmund Breitbart, der zu Beginn des 19. Jahrhunderts ein großes Publikum mit seinen körperbetonten Kraftakten im Zirkus begeisterte und sein Jüdisch-Sein dabei stets selbstbewusst betonte.
Breitbart biegt eine Eisenstange, o.O. 1913, s/w-Fotogarfie, The Siegmund Breitbart Archive
Einen Diskurs über die vielfältigen Aspekte aus der langen Geschichte des Verhältnisses von Körperlichkeit und Judentum hat nun Professor Robert Jütte in seinem Buch „Leib und Leben im Judentum“ unternommen, welches der Autor kommenden Dienstag im Jüdischen Museum vorstellen wird.
Darin untersucht er anhand zahlreicher Quellen zum einen die Rolle körperbezogener Praktiken in der jüdischen Religion selbst. Zum anderen zeigt er, wie sich Stereotypen und Klischees über Juden stets auf Körper bzw. Körperlichkeit bezogen. Dabei begreift er den Gegenstand in seiner Vielfalt und bezieht Themen wie Geschlechtlichkeit, körperliche Versehrtheit und Vergänglichkeit in seine Überlegungen mit ein. Jütte stellt dadurch Vorstellungen und Praktiken des Körpers als einen spannenden Reflexionsgegenstand für grundsätzliche Fragen der Konstituierung von Gesellschaft dar.
Der Autor stellt sein Buch am Dienstag, den 7.3.2017 um 19 Uhr im Jüdischen Museum vor.
Die Abendkasse öffnet um 18:30 Uhr, der Eintritt beträgt 8 Euro.
Kartenreservierung in der Literaturhandlung unter Tel. +49 89 2800135
Eine Veranstaltung der Literaturhandlung in Zusammenarbeit mit dem Jüdischen Museum München und dem Jüdischen Verlag im Suhrkamp Verlag.