Buchumschläge der Weimarer Republik. TASCHEN, 2015. – Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung des TASCHEN-Verlags.
Üppiger Ziegel
Mit einem üppigen „Ziegel“ würdigt der Taschen-Verlag die Kunst des Buchumschlags aus der Zeit der Weimarer Republik. Der Band versteht sich als „Coffeetable-Book“, den man nicht – wie ich es nun dennoch tat – von vorn bis hinten durchlesen sollte, sondern der – an passender Stelle platziert – zum Blättern und Schauen einladen soll.
In diesem Fall ist dieses Ziel offenbar auch als Freibrief für einen etwas heterogenen Buchaufbau verstanden worden, der meine Lust am Systematischen etwas irritiert, andererseits einer anarchischen Blätterlust sozusagen auch auf inhaltlicher Ebene entgegenkommt.
Typographie: Die Kunst, Blicke zu fangen
So findet sich der in meinen Augen interessanteste Text erst auf den Seiten 317-335: „Die Kunst, Blicke zu fangen. Über die Typographie auf Buchumschlägen und Einbänden“ von Peter Nils Dorén (wie alle Texte übrigens in Paralleldruck auf Englisch und auf Deutsch). Allerdings geht es darin nur um den Teilaspekt Typographie auf Buchumschlägen, dieser allerdings wird informativ und interessant abgehandelt. Allerdings zwingt dieser Abschnitt auch dazu, ständig im ganzen Buch hin und her zu blättern, weil auf Bildbeispiele verwiesen wird, die in diesem Kapitel nur ausschnitthaft wiederholt sind (eine originelle Form der Bebilderung, die allerdings nicht ganz befriedigt).
Rückseite – Rücken – Vorderseite
Das Wesentliche an diesem Buch sind jedoch nicht die Texte, die etwas heterogen ausgefallen sind, sondern die den bei weitem größeren Raum einnehmenden Abbildungen von Buchumschlägen. Hier wird das gesamte Panorama der Buchgestaltungskunst der Weimarer Republik aufgeboten, mit einem Schwerpunkt auf dem fortschrittlichen Design etwa des Malik-Verlags, wo der Bruder des Verlegers Wieland Herzfelde, John Heartfield, der Chefgestalter war.
Wenn möglich, sind die abgebildeten Buchumschläge ganz, also von Rückseite über Rücken bis zur Vorderseite, abgebildet, vor allem dort, wo Vorder- und Rückseite eine gestalterische Einheit oder einen bewussten Kontrast bilden.
Die Bandbreite der Gestaltungskunst, die sich vor dem Betrachter auftut, ist äußerst vielfältig. Es gibt Umschläge, die rein typographisch gestaltet sind, andere mit Zeichnungen, mit Fotos, mit Fotomontagen, mit Gemälden oder mit abstrakten Formelementen.
Themenvielfalt, Gattungsvildfalt
Geordnet sind die Beispiele nach unterschiedlichen, einander überlagernden Prinzipien: So gibt es Abschnitte über wichtige Verlegerpersönlichkeiten (von Samuel Fischer bis zu Leopold Ullstein), wichtige Buchgestalter (wie Jan Tschichold), über Künstler, die sich in der Buchgestaltung betätigten (z. B. Rudolf Schlichter), über inhaltliche Aspekte („Autos – gestern“, „Amerika“), über die „Jewish Book Culture“ (was seltsamer Weise im Deutschen mit „Jüdisches“ betitelt ist), natürlich über Kinderbücher oder humoristische Bücher, aber auch Abschnitte über Bücher zum Thema „Gefängnis“ oder das Blut als „heikles Gestaltungsmotiv“. Einige Verlage werden besonders herausgestrichen, neben dem schon genannten Malik-Verlag etwa der Verlag „Die Schmiede Berlin 1921 – 1929“ in einem umfangreicheren Kapitel von Frank Hermann (S. 283-293).
Keineswegs beschränkt sich die Darstellung auf literarische Werke, im Gegenteil, politische Bücher und Sachbücher aller Art werden genauso vorgestellt, sofern ihre Umschläge über die elementarste Nüchternheit hinausgehen.
Der Umschlag – ein Kleinplakat
Der Band deckt die erste Epoche der Buchkunst ab, in der der Buchumschlag sich vom lediglich schützenden Papier zu einem „Kleinplakat“ für das Buch entwickelt hat, das in den Auslagen der Buchhandlungen für das, worum es gewickelt ist, werben musste. Kein Wunder, dass die Gestalter oft zu aufdringlichen Mitteln gegriffen haben und Eleganz nicht immer oberstes Ziel war. Da aber damals weder die Wiedergabe von Farbfotos vernünftig möglich war, noch die heutigen typographischen und gestalterischen Möglichkeiten des Computers zur Verfügung standen, spielte die Hand des Künstlers noch eine viel direktere Rolle, da sowohl die Bildmotive wie auch häufig die Buchstaben von Hand gezeichnet und gemalt waren.
Inzwischen ist das eine längst vergangene Epoche der Buchkunst. Dazu mögen auch die Verluste an Bibliotheken im Zweiten Weltkrieg beigetragen haben. Ich treibe mich nicht selten auf Bücherflohmärkten oder in Antiquariaten herum, und dennoch waren mir fast alle der hier abgebildeten Buchumschläge unbekannt. Eine untergegangene Epoche…
The Book Cover in the Weimar Republic / Buchumschläge in der Weimarer Republik. Hg. v. Jürgen Holstein, mit Beiträgen v. Jürgen Holstein, Peter Nils Dorèn, Frank Hermann, Christoph Stölzl. Taschen-Verlag, Köln, 2015. 451 Seiten.