.: Buchrezension vs. Filmkritik ~ Hüter der Erinnerung :.

Von Sasija Neumann @SasijasTardis

~ Durchdacht - Spannend - Emotional ~.: Hüter der Erinnerung :.(Lois Lowry)

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~ Buchrücken ~Jonas lebt in einer Welt ohne Not, Schmerz und Risiko. Alles ist perfekt organisiert, niemand muss sich über irgendetwas Sorgen machen, sogar die Berufe werden zugeteilt. Als Jonas Nachfolger des »Hüters der Erinnerung« werden soll, beginnt er eine Ausbildung beim alten Hüter. Und hier erfährt er, welch hohen Preis sie alle für dieses scheinbar problemlose Leben zu zahlen haben. Jonas' Bild von der Gesellschaft, in der er lebt, bekommt immer mehr Risse, bis ihm klar wird, dass er seinen kleinen Pflegebruder Gabriel diesem unmenschlichen System keinesfalls ausliefern möchte. Es bleibt ihm nur die Flucht - ein lebensgefährliches Unterfangen ...

~ Kurzbeschreibung ~Der 16 Jahre alte Jonas lebt in einer scheinbar idealen Welt. Es gibt keine Kriege, keine Armut, keine Gewalt. Doch die Menschen zahlen einen hohen Preis für so viel Harmonie: Sie kennen weder Liebe noch Freude oder Farben, in ihrer Gemeinschaft ist alles grau und gleich. Denn der Rat der Ältesten bestimmt über das gesamte Leben, von der Geburt über die Hochzeit bis zum Tod. Kinder werden von Leihmüttern ausgetragen und den Eltern nur solange gegeben, bis sie reif sind, eine zugewiesene Aufgabe in der Gemeinschaft zu übernehmen. Die Vorsitzende des Ältestenrates ernennt Jonas zum neuen „Hüter der Erinnerung“. Sein Amtsvorgänger lehrt ihm all das Wissen, das er stellvertretend für die gesamte Menschheit bewahren soll. So erfährt Jonas von einer Welt der Unvollkommenheit und Aggressionen, aber auch der Liebe und der Solidarität. Als er merkt, dass die schöne neue Welt der Gemeinschaft nur auf Lügen und Verbrechen basiert, will Jonas die Menschen, die er liebt, retten. Doch bislang hat es niemand geschafft, die Gemeinschaft lebend zu verlassen.


~ Über Lois Lowry - Autorin ~
Lois Lowry wurde 1937 in Honolulu, Hawaii, geboren. Sie hat u.a. in Pennsylvania und Japan gelebt und wohnt heute in Cambridge, Massachusetts. Lois Lowry ist verheiratet und hat mittlerweile vier erwachsene Kinder. Ihre Bücher wurden mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit der Newbery Medal. Bekannt gemacht haben sie vor allem ihre spritzigen Alltagsgeschichten um das Mädchen Anastasia Krupnik, aber auch ihre psychologisch durchdachten und meisterhaft geschriebenen Jugendbücher, wie z.B. "Hüter der Erinnerung".
Die Trilogie

~ Schreibstil ~
Wunderbar für Jugendliche geschrieben. Schwungvoll und locker. Durch ausführliche Beschreibungen, die aber nicht zu kompliziert werden, kann man sich alles wunderbar bildlich vorstellen. Zudem wird die Story sehr lebhaft in der auktorialen Erzählung wiedergegeben.
~ Filmstil ~
Die Farben im Film sind zu Beginn in sehr hellen oder unauffälligen Farben gehalten. Eher grau, schwarz und weiß. Später dann, erleben wir selbst, wie schön ein rot sein kann oder das Orange eines Sonnenuntergangs.
Die wiederaufgebaute und saubere Welt/Stadt, wirkt futuristisch und gradlinig. So wie wir uns immer gerne die Großstädte in ferner Zukunft ausdenken.
~ Zitat ~Wind peitschte Jonas ins Gesicht, als der Schlitten gradlinig, in Furchen, die ihn direkt an seinen endgültigen Bestimmungsort zu führen schienen, auf einen Ort zuraste, zu dem er sich schon immer hingezogen gefühlt hatte, nach Anderswo, wo seine Zukunft und seine Vergangenheit lagen.

~ Die Geschichte ~
Wir leben in einer Welt ohne wirklichem Gefühl.
Unsere Eltern sind nicht unsere Erzeuger. Unser ganzes Leben wird von den Ältesten vorherbestimmt. Könntest du so leben? Du würdest es nicht anders kennen!
Aber was würdest du tun, wenn du die Wahrheit wüsstest. Wenn es weit mehr als sich nur erfreuen, oder sich nur gut fühlen, geben würde? Würdest du darum kämpfen, das erfreuen wieder Liebe sein darf. Stolz auch tatsächlich Stolz bedeutet. Oder sich einfach nur grandios fühlen, weil man Süßigkeiten gegessen hat? Ich würde es :D
Jonas kennt die Wahrheit, denn er ist als „Hüter der Erinnerung“ erwählt worden. Eine der wichtigsten Berufungen seiner Gesellschaft. Ihm wird nun die Ehre zuteil, die Geschichte der Menschheit erfahren zu dürfen.
Zu Beginn ist Jonas etwas skeptisch, doch schon nach der ersten Lehrstunde, wollte er mehr und mehr. Er ist wissbegierig und offen. Intelligent und Gierig. Zudem ist er sehr emotional, was auch viel dazu beiträgt, dass er sich sein Serum, welches Gefühle unterdrücken soll, sich nicht mehr initiiert. Er ist so erstaunt und überwältige von allem, dass er sogar die Regel – nichts über seine Ausbildung an Dritte weiter zugeben – missachtet. Ob unbewusst oder bewusst. Er kann nicht anders. So schön ist sein Wissen. Doch auch die Schattenseiten der Menschheit musste er aufnehmen. Den Krieg. Das Morden. Das Aussterben von Tieren. Auch das gehört zum "richtigen" Leben dazu.
Jonas kann diese Erinnerungen und vor allem die Emotionen dabei nicht mehr abschütteln. Nie wieder vergessen oder ignorieren. Jonas muss seinen Mitmenschen all diese Erinnerungen wieder geben… Die Positiven sowie die Negativen… Komme was wolle.

~ Meine Meinung zum Buch und Film ~
Als Hüter der Erinnerung, erhält Jonas alle menschlichen Erinnerungen unser aller Vorfahren. Wie Jonas von seinem Geber – Giver -  Stück für Stück diese Erinnerungen zurück erhält, lässt uns mitfühlen und mitweinen. Einige Beschreibungen im Buch sowie Szenen im Film sind sehr emotional, gerade was unsere jetzige Welt angeht. Uns wird das Töten von Tieren gezeigt, das seit Jahren aktuell ist. Wir spüren das Entsetzen von Jonas, als er das alles erfährt. Wir fühlen wie Jonas, der den Schnee nicht kennt und er ihn zum ersten Mal berührt und die Kälte wahrnimmt. Wie ein Sonnenuntergang in Farbe aussieht. Oder wie sich Kindergesang und eine Geige dazu anhört. Alles kleine Dinge, die wir für selbstverständlich erachten und ihnen viel zu wenig Beachtung schenken. Diese Thematik ist auch eine kleine Art von Therapie für Menschen wie mich :D Menschen die sehr sensiblen sind. Die ein großes Herz haben. Denen das Wort Liebe das oberste Gebot bedeutet.
In der Welt, in der Jonas mit seiner Schwester und seinen Eltern lebt, ist eine sichere und von bestimmten Ritualen bzw. Lebensabschnitte geprägt.Das Erwachsenwerden hat jedes Jahr eine neue Bedeutung. Jedes Jahr bekommt man mehr Rechte, aber auch mehr Pflichten. Bis zum 6. Lebensjahr zum Beispiel, trägt man noch eine Jacke, die nur von hinten geöffnet bzw. geschlossen werden kann. Kinder sollen so das gegenseitige Helfen lernen. Kommt man dann zum 7. Abschnitt seines Lebens, erhält man eine Jacke mit Knöpfen vorne. Ein Stück Freiheit und mehr Unabhängigkeit. Im 8. Jahr dann eine Jacke mit Taschen. Für ein paar eigene Persönlichkeit, die man bei sich tragen darf. Und im 9. ein eigenes Fahrrad. So lernen die Kinder in dieser Welt immer ein Stück mehr unabhängiger zu werden.Doch die wichtigste Zeremonie ist die der Zwölfer, die in diesem Jahr auch Jonas abgehört. Sichtlich stolz. Denn nun wird ihm sein Beruf zugewiesen, den er dann sein Leben lang ausüben wird. Eine Berufung, die ihm zwar von den Ältesten vorgeschrieben wird, aber seinem Charakterwesen auf dem Leib zugeschnitten ist.Dass ausgerechnet Jonas, der höchsten und wichtigsten Berufung überhaupt nachkommen soll, damit hatte niemand gerechnet.
Die Welt ist toll beschrieben. So systematisch. So sauber und geordnet. Das Leben dort ist sicher und beständig. Doch so sicher ist diese Welt nicht wirklich. Der Schein trügt immer. Und die Obersten haben die Fäden in der Hand. Das Wort „Freigeben“ hat hier eine ganz gewöhnliche und selbstverständliche Bedeutung. Babys und ältere Personen der Gesellschaft, machen sich auf eine Reise. Was aber letztendlich mit den Freigegebenen passiert, wissen nur die Wenigsten. Selbst die, die die Freigabe ausführen, meinen nichts Schlimmes zu tun. Sie wissen es ja nicht besser.
Ich fand die Beschreibungen im Buch sehr lebhaft und interessant. Alles in der Welt ist Weiß und Grau. Alles gleich, so dass es kein Gefühl von Neid oder Anderssein aufkommen kann. Wie sich die Wahrnehmung von Jonas, dank der Erinnerungen der Menschheit die ihm nach und nach wiedergegeben werden, verändert, ist klasse. So wird das Dunkelgrau ein rot, das Helle wird gelb oder rosa. Alles verändert sich, je mehr Erinnerungen Jonas erhält.

Im Film ist es wunderbar umgesetzt worden. Wir Zuschauer staunen selbst ;)
Wie sie das mit den Graustufen und später dann mit dem Farbenspiel zeigen, hat mir Gänsehaut verschafft. Aber nicht nur einmal. Der ganze Film hat wahnsinnig viele Höhen und einen Tiefgang, wie ich es selten bei Filmen erlebe. Wir tauchen im Film in unsere Welt wieder neu ein. Wieder meine ich damit, dass uns während dem Schauen ein paar Dinge bewusst werden, wie schade das doch wäre, nicht mehr zu haben. Vor allem alltägliche Dinge, wie das Tanzen oder Singen. Eine Welt ohne Musik? Eine Welt ohne Bücher?
Die Hauptprotagonisten bestehen zu 70% aus Jungschauspielern, die bezaubernder nicht sein könnten. Ihnen wurden ihren Rollen wie auf den Leib geschnitten. Nur so kann man das beschreiben.
Bekannte Gesichter wie Meryl Steep, Katie Holmes oder Jeff Bridges runden alles wunderbar ab.

Das Ende von Buch und Film ist haargenau das Gleiche. Generell weicht der Film kaum von den Erzählungen des Buches ab. Natürlich wurde nicht alles übernommen, aber es bleibt nichts auf der Strecke und ist richtig gut umgesetzt worden. Ob die Autorin da wohl einiges mitzureden hatte? ;)
~ Randinfo ~Schade das nur der erste Band verfilmt wurde. Doch wie ich gelesen habe, sollen die beiden anderen Teile zusammenhangslos und langweilig sein. Also nicht nötig diese zu verfilmen. Kann ich mir bei diesem Auftakt nicht wirklich vorstellen. Hab natürlich sofort recherchiert und die Klappentexte von Band 2 und 3 gelesen. Und tatsächlich, irgendwie liest sich das so, als wären das eigenständige Geschichten und keine Anknüpfung an den ersten Teil. Komisch. Das Heißt also... sich selbst überzeugen, ob gut oder schlecht. :)

~ Fazit ~
Eine tolle Geschichte mit viel Gefühl und aktuellen Problemen unserer eigenen Welt.
Wir betreten eine dystopische Welt, ohne Schmerz, Verlust oder Not. Die Welt ist sehr Komplex und doch sehr einfach. Wie Jonas, der Hauptprotagonist zum Held wird und sich seiner Gesellschaft aufopfert ist sehr emotional und schön. Es gibt sogar in einer Welt, in der bestimmte Gefühle, unterdrückt werden, einen Patrioten, der alle retten wird. :D
Der Film ist wunderbar und sehr gut umgesetzt. Die Schauspieler sind toll gewählt und auch die Musik lässt einen nicht mehr so schnell los. Der Film weicht kaum vom Geschriebenen ab und bleibt der Story bis zum Ende hin treu.
Buch und Film: Ein MUSS für jeden Dystopie-Fan ;)

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Es grüßt die Sasija aus der TARDIS :-)
~ Filmtrailer ~