Buchkritik - Die Insel unter dem Meer

Buchkritik - Die Insel unter dem Meer
 Inhalt:
Die Insel Saint Domingue (heute Haiti), Ende des 18. Jahrhunderts. Die erst neunjährige Sklavin Zarité wird an einen französischen Plantagenbesitzer verkauft. Damit beginnt ein furchtbares Martyrium, das Kind wird gequält und viele Male vergewaltigt, später wird sie mehrfach schwanger. Zarité zerbricht jedoch nicht daran, innerlich ist sie stärker als ihre „Besitzer“, sie pflegt sogar die psychisch labile Frau ihres Peinigers und kümmert sich um deren Kinder. Hoffnung keimt für sie auf, als die Sklaven revoltieren und die Franzosen nach schweren Kämpfen davongejagt werden. Auch Zarité und ihre Familie müssen die Insel verlassen, in New Orleans, ihrer neuen Heimat, geht das Ringen um Freiheit und Gerechtigkeit weiter.
Bewertung:
 Normalerweise sollte man nicht mit dem Ende anfangen, in diesem Fall jedoch lässt sich das gesamte Buch in einem Dialogsatz zusammenfassen. Die Hauptfigur sagt am Ende ihres Lebens: „Wir alle tragen unvermutete Kraftreserven in uns, die zutage treten, wenn das Leben uns auf die Probe stellt.“ Man könnte fast jedes Buch von Isabel Allende an einer beliebigen Stelle aufschlagen und diesen Satz dort einfügen, denn meistens geht es um starke Frauen, die sich in einer von bösen und dummen Männern dominierten Welt behaupten müssen. Obwohl bei Suhrkamp erschienen, liegt "Die Insel unter dem Meer" offenbar auf dem Planeten der Trivialliteratur. Hera Lind und Gaby Hauptmann machen das auch nicht anders.
Entschuldigung, das war jetzt etwas bösartig. Was Allende von den beiden unterscheidet, ist die Wahl des Themas und die Konsequenz, mit der sie es umsetzt. Und dafür gebührt ihr ein dickes Lob. Allende hat es gewagt, die entsetzlichen Verbrechen der Franzosen, begangen in deren Kolonien, offen anzusprechen, teils in sehr drastischen Worten. Natürlich bilden die Kolonialverbrechen nicht das Hauptmotiv des Buches, sie sind aber ein wesentlicher Bestandteil. Wenn man heute durch Frankreich reist, französische Bücher liest oder Filme schaut, könnte man glauben, die Geschichte des Landes besteht nur aus der Revolution und der Okkupation durch die deutsche Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg. Anscheinend ist doch ein bisschen mehr passiert....Ebenfalls bemerkenswert ist, dass sich in jüngster Zeit zwei Frauen mit dem Thema Sklaverei, speziell der Ausbeutung und Misshandlung weiblicher Sklaven, befasst haben. Neben Isabel Allende ist es die Nobelpreisträgerin Toni Morrison, von der Anfang 2010 ein ähnliches Buch mit dem Titel „Gnade“ in deutscher Übersetzung erschien. Politisch korrekte Autoren wie Günter Grass oder Guido Knopp werden sich an den Stoff gewiss nicht heranwagen.   
Fazit: Trotz einiger Stereotypen lesenswert, weil es den Blick auf die Geschichte erheblich ausweitet.

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