Seit einiger Zeit tobt ja die Debatte um das Buch "Jedes Kind kann schlafen lernen" - und gipfelt nun vorerst in einer ins Leben gerufenen Petition, die das Buch verbieten lassen soll. So weit, so gut.
Ich kenne dieses Buch nicht - und mit mir die meinsten anderen Mütter auch nicht, die diese Petition laut wetternd unterzeichnen. Zunächst ist mir nämlich nur eins suspekt. Ein Buch verbieten zu lassen. Es gibt so viele Bücher auf dem Markt, die ich für nicht gut, fragwürdig oder sogar schädlich halte - aber sie verbieten lassen? Wie sagt man doch so schön: Papier ist geduldig. Und mir erschließt sich einfach nicht, welchen Sinn es haben würde, solche Ratgeber zu indizieren. Über sowas sollten wir hinaus sein, finde ich.
Wie gesagt, ich habe dieses Buch nicht gelesen, habe es nie lesen müssen. Doch soweit ich mich informiert habe, geht es ihr nicht darum, Wort für Wort einer Anweisung von zwei Menschen zu folgen, sondern eine Art Hilfestellung für Kinder zu finden, die wirkliche Probleme mit dem Einschlafen haben. Und noch mehr für ihre Eltern, die meiner Meinung nach meist die Hauptschuld tragen. Was auch gar nicht böse gemeint ist, ich kenne diese Art Schuld nur zu gut. Schließlich kämpft doch das ganze Leben lang unsere Vernunft gegen das, was das Herz sagt. Doch die Grundhaltung, einem Baby die Chance zu geben, sich ans Einschlafen alleine zu gewöhnen, finde ich nicht fragwürdig, sondern okay. Niemand verlangt von den Eltern, ihr Kind stundenlang schreien zu lassen, ohne ihm Sicherheit und Geborgenheit zu geben. Alle paar Minuten zu ihm zu gehen, um ihm genau das zu vermitteln, ist doch auch das, was das Buch rät? Auch vom "Versuch abbrechen" ist dort häufig die Rede, wie ich las? Aber daraum soll es mir auch gar nicht gehen und am allerwenigsten möchte ich hier für dieses fragwürdige Werk eine Lanze brechen - den auch ICH bin nicht der Meinung, so ein Training oder Programm könne helfen. Ich denke nur, dass ein Verbot eines solchen Werkes sicher nicht die vielen Eltern verhindert, die ihr Baby tatsächlich eiskalt und ohne mit der Wimper zu zucken stundenlang schreien lassen, bis es müde und entmutigt vollkommen entkräftet einschläft. Wer die Grundhaltung zu einem solchen Verhalten hat, der wird es auch durchziehen, ohne ein solches Buch gelesen zu haben. Und ich würde sogar soweit gehen zu behaupten, dass DIE Eltern, die so mit ihren Kindern umgehen, es gar nicht für nötig halten, Ratgeber zu befragen. Jede Mutter und jeder Vater, der sich die Mühe und Gedanken macht, sich in Büchern über die bestmögliche Weise der Erziehung informieren zu wollen, hat meiner Meinung nach Grips genug, um abstrahieren und abwägen zu können, was er liest und tut.
Ein bisschen geht es mir mit diesem Buch wie mit der ganzen Diskussion über Lebensmittellügen und Werbeverbote. Wer ernsthaft jahrelang glaubte, Milchschnitte sei gesund für sein Kind, weil auf dem Verpackungsbilchen ein Glas Milch und Honig abgebildet sind, dem ist weder mit Werbeverboten noch mit Kalorienampeln zu helfen. Wer erst durch fettgedruckte Hinweisschilder erfährt, dass Chips dick machen, der wird keine noch so detaillierten Nahrungsmittelangaben verstehen. Wer plötzlich total überrascht war, dass der Granulattee vom lieben Claus fast komplett aus Zucker besteht, dem helfen auch keine Produktverbote weiter. Nicht, dass ich all das unwichtig, gut oder unterstützenswert finde. Aber es ist doch so: Auf der einen Seite wird dem Verbraucher totale Eigenständigkeit unterstellt und vorausgesetzt, auf der anderen Seite ist man der Meinung, Aufklärung für Doofe starten zu müssen, um die Nahrungsmittelwelt sicherer zu machen. Was denn jetzt?
Auf jeden Fall sollte man aufhören, alles nur in Schwarz oder Weiß unterteilen zu wollen. Es gibt noch mehr auf dieser Welt als Eltern, die ihr Baby vernachlässigen und solche, die es zu sehr betüddeln. Jedes Kind ist anders und brauch andere Arten der Erziehung und Zuwendung - und ebenso sind es die zugehörigen Eltern. Jede liebende Mutter und jeder fürsorgliche Vater wird sein Kind gut genug einschätzen können, an dieser einen Stelle nicht mehr auf ein Buch zu hören, wenn er oder sie das Gefühl bekommt, es schade seinem Baby. Und kein Buch der Welt wird das ändern können - denn ein Buch zwingt niemanden zu etwas. Zum Glück.
Und am Schluss möchte ich mich noch Heinrich Heine (1817) anschließen, der einmal sagte:
„Das war ein Vorspiel nur. Dort, wo man Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende auch Menschen.“
Und nach diesem dramatischen Blogpostfinale noch ein Hinweis ganz anderer Art! Heute ist Sonntag, heute ist Grummarcesible Day! Wen es interessiert, der möge heute bei der lieben Sarah auf Inmarcesible zu Gast sein und lesen, was unsere Woche so brachte.