Angelika Overaths schmaler Roman "Flugenhafenfische" war 2009-2010 in die LiteraTour Nord einbezogen.
Ich zitiere zunächst den Rückseitentext: "In der Ortlosigkeit eines Flughafens kreuzen sich die Lebenslinien dreier Menschen. Eine müde Magazinphotographin gerät vor dem Riffaquarium der Transithalle (es hatte keinen zeitnahen Anschlussflug gegeben) in den Schwindel fragmentierter Reisebilder aus Afrika und Asien. Sie findet eine seltsame Nähe zu dem Mann, der hier die stillen Tiere pflegt wie seine Kinder. Während sich zwischen den beiden eine verschwiegene Liebe entwickelt, geht nebenan im Raucherfoyer eine Ehe zu Ende. Variiert werden im Wendekreis der Fische die Muster von Sehnsucht, Einsamkeit und Paarungen".
Der Aufbau entspricht den drei Personen, die 18 Abschnitte sind im Wechsel mit ihren Namen überschrieben: "Elis" (das ist die Fotografin), "Tobias" (so heißt der Tierpfleger), "Der Raucher" oder auch "Tobias, Elis".
Die Schreibidee finde ich hervorragend, sie hat mich geradezu begeistert - drei Menschen, die hier zwangsweise oder "zufällig" eine Nacht verbringen: Wie reagieren sie in dieser Sondersituation? Zwei kommen in eine Art Dialog, der dritte verharrt im Monolog. Trotz zarter Chancen und Hoffnungen bleibt jede, jeder für sich; die Chance für Änderungen wird nicht ergriffen. Die Menschen reden entweder gar nicht miteinander oder aneinander vorbei. Angelika Overath versteht es, durch ihren Kunstgriff, in einer angenehm einfachen Sprache, zeittypische Erscheinungen aufzudecken. Echte Gespräche finden nur noch selten statt. Wer ist noch zur wirklichen Liebe fähig? Tobias gibt liebevoll Auskunft über "seine" Fische - "über Fischsymbiosen, Seepferdchenväter, die Fortpflanzung von Korallen; sie erzählt von Reisen, einer unglücklichen Liebe" (zu einem Piloten, der kein Zuhause bieten kann) - er liebt seinen Beruf, sie zweifelt zunehmend am Sinn ihres unsteten Lebens. (Zitate vom Klappentext).
"Da sah sie ihn an", heißt es im Schlusskapitel "und fragte unvermittelt: Glauben Sie, dass man sein Leben ändern kann? - Er sah weg. Sie hatte diesen Satz völlig klar ausgesprochen. Was sollte er dazu sagen? Ausgerechnet er?" Und eine halbe Seite, einige Sätze später hakt sie nach: "Aber wenn man es ändern könnte ... müsste man dann anfangen oder aufhören zu lieben?"
Angelika Overath wurde 1957 in Karlsruhe geboren. Sie arbeitet als Reporterin, Literaturkritikerin und Dozentin und hat die Romane „Nahe Tage“ und „Flughafenfische“ geschrieben. Der Roman "Flughafenfische" wurde u.a. für den Deutschen und Schweizer Buchpreis nominiert. Für ihre literarischen Reportagen wurde sie mit dem Egon-Erwin-Kisch-Preis ausgezeichnet. Sie lebt in Sent, Graubünden. (Den Verlagsinformationen entnommen.)
Angelika Overath: Flughafenfische. Roman. Luchterhand Literaturverlag: München 2009. 176 Seiten, 17,95 Euro