Bildquelle
Das ist wohl eine Mammuts-Aufgabe, die sich die Nürnbergische Nationalbibliothek gemacht hat. Sie wollen eine Sammlung von über 10.000 Büchern 'auflösen', denn die Bücher sollen zurück an ihre Besitzer gehen. Die Sammlung ist ein Bestand aus der Zeit des Nationalsozialismus und der Verfolgung der Juden. Die Bücher die sie dort haben wurden einst den Juden geraubt und lagern jetzt in der Stadtbibliothek.
Jetzt sollen nicht nur die urspünglichen Besitzer ausfindig gemacht werden, sondern auch die Nachfahren sollen gesucht werden, damit man ihnen die Bücher zurück geben kann.
«So ein Buch ist oft das Einzige, was von einem Menschen übriggeblieben ist», sagt die Bibliothekschefin Eva Homrighausen.
Die Bibliothek hat im Internet jetzt eine Suchliste veröffentlicht, die das Resultat der aufwendigen Recherchen ist. Insgesamt haben sie 306 Namen auf ihrer Liste, teilweise biografische Daten, die Berufsbezeichnung und das Geburtsdatum - oder gar die Wohnadresse.
Die Sammlung in Nürnberg ist nur aufgrund einer Person so zahlreich: Julius Streicher. Er war der Chef des Nazi-Hetzblattes 'Der Stürmer' und hatte darin die Bevölkerung aufgerufen, ihm jüdisches Buchgut zukommen zu lassen, natürlich für Forschungszwecke. Und dieser Aufruf wurde von vielen wahrgenommen und eine riesige Bibliothek aufgebaut. Ihm wurde Bücher zugeschickt die urspünglich Juden gehört haben.
«Viele Leute waren stolz darauf, Streicher Bücher zu senden, die sie Juden weggenommen haben», erläuterte Leibl Rosenberg, der für die Recherchen rund um die Sammlung zuständig ist. Sogar per Feldpost seien Bücher nach Nürnberg gesandt worden, die Soldaten verfolgten Juden abgenommen hatten.
Nach dem Krieg fand man bei Streicher zu Hause, und auch in den Geschäftsräumen seiner Zeitung zahlreiche Bücher. Die amerikanische Militärregierung hat diese Bücher später den Überlebenden Mitgliedern der Isralitiechen Kultusgemeinde übergeben. Die haben die Bücher in die Stadtbibliothek Nürnberg gebracht.
"Nürnberg ist deshalb die einzige Stadt weltweit, die einen so großen Bestand an geraubten Schriften hat», sagte Homrighausen.
«Das Spektrum ist sehr groß, es reicht von kleinen Heftchen bis zu großen Werken. Sachliteratur ist genauso dabei wie Unterhaltungsliteratur», berichtete sie. Zahlreiche Bände befassten sich mit jüdischer Religion.
Leibl Rosenberg möchte jetzt die Nachfahren der Buchbesitzer ausfindig zu machen und sieht das Ganze auch als eine Herzensangelegenheit an: «Es ist unmöglich, Distanz zu bewahren», sagte er. «Hier spricht die Geschichte zu einem.» In der Sammlung fand er auch ein Buch, dass seiner eigenen Religionslehrerin gehörte. Für ein also eine ganz persönliche Aufgabe, die Bücher zu ihren Besitzern zurück zu bringen.
Mit dem Versuch, Nachfahren der verfolgten Juden die geraubten Bücher wieder zurückzugeben, stelle sich Nürnberg seiner Vergangenheit, betonte Rosenberg: «Der Aufwand ist enorm.» Bislang wurden 150 Bücher an die einstigen Besitzer oder deren Rechtsnachfolger übergeben.
Wer einen Blick auf die Liste werfen möchte: http://dpaq.de/5Rr9R
Quelle