Außer meinen Freunden und meinen Eltern, die mich moralisch unterstützt haben, wenn ich mal wieder an den Punkt gelangte, das nächste Flugzeug zurück nach Deutschland zu nehmen, hat mich auf meiner Reise der gute, alte Mr. Cohen immer wieder aufgebaut. Sein kürzlich im Blumenbar Verlag erschienenes "Buch der Sehnsüchte" kann ich nur empfehlen. Er hat eine sehr poetische, dabei aber niemals kitschige Sprache, seine Bilder sind stark und außergewöhnlich kombiniert, die Gedichte und die Kurzprosa bleiben im Gedächtnis. Ein Buch, das mich mehr als einmal fragen lässt: Wie macht der Mann das bloß? Ich bin eifersüchtig angesichts des Talents und des Könnens. Das "Buch der Sehnsüchte" gehört für mich zum Wichtigsten, was in letzter Zeit publiziert wurde und ich wünsche mir zu Weihnachten, dass es jeder liest.
Dann haben zwei indische Autoren mich sehr beeindruckt. Einmal Kiran Nagarkar, dessen erster Roman "Sieben mal sechs ist dreiundvierzig" seit einem Jahr in einer sehr guten Übersetzung auf Deutsch vorliegt. Es ist ein wilder und chaotischer Episodenroman, eine fernöstliche Verschmelzung von "On the Road" und "Naked Lunch". Aravind Adigas "The White Tiger" ist zynische Gesellschafts- und Kapitalismuskritik, dabei niemals wehleidig oder anklagend sondern immer mit gesundem Witz und einem Augenzwinkern. Beide Bücher sind absolut lesenswert, nicht zuletzt weil der Schreibstil ungewohnt ist und vielleicht sogar richtungsweisend sein kann.
Von Orhan Pamuk war ich eher enttäuscht. "Istanbul" hatte ich vor eineinhalb Jahren schon mal zu lesen begonnen und nach siebzig Seiten wieder weggelegt. Der erste Abschnitt ist kaum zu ertragen: Pamuk spricht über seine Kindheit und blickt mit dem wohlwollend-selbstzufriedenen Blick eines alten Mannes auf sich selbst als kleiner Junge, lobt sich dabei als außergewöhnlich kluges und interessiertes Kind in einem Übermaß, das Brechreize erzeugt. Dann habe ich es diesen Herbst doch noch zu Ende gelesen. Es wird besser gegen Ende hin. Insbesondere die Kapitel über die Istanbuler Stadtschreiber zu Beginn des 20. Jahrhunderts fand ich gut. Orhan Pamuk wird dann auch sich selbst gegenüber ironischer je älter der Protagonist wird. Als Jugendlicher war er mir halbwegs sympathisch. Trotzdem kein Buch, das ich weiterempfehlen würde.
Sehr außergewöhnlich ist Sasa Stanisics "Wie der Soldat das Grammophon repariert", ein Roman über eine Kindheit in Bosnien und die Übersiedelung der Familie nach Deutschland. Das Buch spielt gelungen mit der phantasievollen Perspektive eines kleinen Jungen, dadurch wird das Erzählte zwar nicht übermäßig tragisch, ist aber gleichzeitig beklemmend. Passend dazu habe ich von Juli Zeh den Bosnien-Reisebericht "Die Stille ist ein Geräusch" (zugegebenermaßen nicht ganz fertig) gelesen. Ich finde Reiseberichte im Allgemeinen selten erhebend, denn das Problem des Reisenden ist, dass er selten lange genug an einem Ort bleibt, um seine Eigenarten wirklich zu erfassen. Bei Juli Zeh kommt noch die etwas wehleidige sowie mädchenhafte Attitüde dazu, die für mich beim Lesen mitschwang, sodass ich keine Lust hatte, das Buch fertig zu lesen.
Auch von Paul Austers "Mann im Dunkel" war ich nicht begeistert. Die Geschichte ist langweilig und mit einer Portion Moral versehen, die dem Autor nicht gut steht. Zuletzt habe ich von Khaled Hosseini "A Thousand Splendid Suns" gelesen, die Geschichte zweier afghanischer Frauen, die sich von den 1970ern bis ins Jahr 2006 zieht und dabei im Hintergrund die politischen Entwicklungen und die Kriege des Landes darstellt. Ich habe das Buch innerhalb von drei Tagen gelesen, denn es ist gut geschrieben und sehr spannend. Zu oft aber wird der Stil amerikanischer Creative Writing Kurse deutlich, wenn zum Beispiel das eine Kapitel so endet, dass man sofort weiterlesen möchte ("... und sie starrte in den Lauf eines Gewehrs."). Die Charaktere sind etwas zu stereotyp und flach. Trotzdem ist das Buch auf keinen Fall Zeitverschwendung.