Buchempfehlung: Hochsensible Mütter von Brigitte Schorr

In den letzten Tagen habe ich mich in das Thema “Hochsensibilität” eingelesen. Meine Kraft und meine Geduld gehen gerade in meiner Funktion als Mutter der Neige entgegen. Also besorgte ich mir in der Bibliothek “Hochsensible Mütter” von Brigitte Schorr. Ich bin begeistert von dem Buch und möchte es jeder Mutter empfehlen, die das Gefühl hat hochsensibel zu sein.

Damit ich auch eine gute Erinnerung an das Buch habe, fasse ich hier mal die wichtigsten Inhalte und Erkenntnisse zusammen. Mein Empfinden und meine Gedanken verschwimmen etwas mit dem Inhalt, aber ich denke es ist nur authentisch das mit dazu zu packen, schließlich bin ich ja mit der Hochsensibilität “gesegnet” und möchte die Welt mit meinen Gefühlsdussel bereichern.

Aufbau des Buches
  1. Grundsätzliche Gedanken zur Hochsensibilität
  2. Wenn eine hochsensible Frau Mutter wird
  3. Hochsensibilität und Nicht-Hochsensibilität in der Familie
  4. Von Schuld, Verantwortung, Therapeuten, Lehrern und der Überquerung des Rubikon
Grundsätzliche Gedanken zur Hochsensibilität

Wie die Überschrift schon verrät, erläutet die Autorin in diesem Themenbereich erstmal allgemein das Thema Hochsensibilität, zieht aber auch schon viele nützliche Parallelen zu Situationen, die jede hochsensible Mutter schon mal erlebt hat oder sich zumindest vorstellen kann.

Da Hochsensible 15 bis 20 % der Bevölkerung ausmachen, ist es sinnvoll diese anhand von vier Kriterien von den Normalsensiblen zu unterscheiden. Für Brigitte Schorr gibt es vier Merkmale, die jede hochsensible Mutter ausmachen, egal, wie die sonstige Ausprägung ihrer Hochsensibilität aussieht:

  1. Schmale Komfortzone, hiermit ist die Zone gemeint, in der wir mit uns im Reinen sind. Das heißt weder ein „Zuviel“ erleben, noch ein „Zuwenig“. Hinzukommt, dass Hochsensible relativ stark zwischen diesen beiden Situationen hin- und herschwanken. Ich selbst spüre das immer wieder. Früher war ich nach einer Arbeitswoche tot und wollte am Freitagabend meine Ruhe auf dem Sofa. Doch gerade als ich mich gemütlich auf mein Sofa legte, hatte ich panische Angst mein Leben zu verpassen und vor allem das tolle Nachtleben, sodass ich mich nicht entspannen konnte, aber auch nicht aufraffen, weil ich doch irgendwie keine Lust hatte.
  2. Neigung zur Überstimulation, hier beschreibt die Autorin die Momente, in denen Hochsensiblen alles zu viel wird. Bei mir passiert das immer, wenn ich mich irgendwo mit jemand auf einen Kaffee treffe. Meine Aufmerksamkeit gehört nicht nur dem Gegenüber, sondern ich bekomme die Gespräche der umliegenden Tische mit, sehe, wenn ein Glas irgendwo zu nah am Rand steht und droht runterzufallen, rieche die verschiedenen Parfüms und mache mir ständig über alles Gedanken, dass in dem Moment auf mich einwirkt. Wenn es schlimm wird, dann möchte ich einfach nur rauslaufen – ohne Rücksicht auf mein Gegenüber, denn dem kann ich eh nicht mehr zu hören.
  3. Langes Nachhallen, bei dem uns Mails, Telefonate oder Worte noch lange im Nachgang beschäftigen. Noch heute rege ich mich über die Formulierung „Hope this helps“ aus einer Mail auf, die mal ein Chef schrieb. Ich fand die so ätzend, dass ich am liebsten geschrieben hätte: Du mich auch! Das ist nun fast zwei Jahre her und ich kann den Mann immer noch nicht leiden.
  4. Stark ausgeprägte individuelle Wahrnehmungsfähigkeit in den Bereichen Geruch, Berührungen, Farben/Gestaltung, Geräusche und Stimmungen. Ich selbst erleide schlimmste Brechreize bei Schweißgeruch und bekomme schlechte Laune, wenn ich Farben sehe, die nicht harmonieren. Es ist dann egal, ob das ein Kinderwagen und die dazugehörige Wickeltasche ist, das Outfit von Menschen, die mir entgegenkommen oder Deko in Räumen. Mein ganzer Körper bäumt sich zusammen und ich frage mich fast laut, warum die betroffenen Menschen das nicht sehen. Ich selbst habe in den letzten Monaten meine Garderobe auf weiss, schwarz und grau umgestellt, dass auch im Hinblick auf unseren geliebten Minimalismus.

Neben diesen vier Kriterien gibt es auch einen Fragebogen zur Selbsteinschätzung hinsichtlich der Hochsensibilität.

Die Autorin bietet in Unterkapiteln die Möglichkeit sich im Rahmen von Fragestellungen mit dem eigenen Empfinden vertraut zu machen. So gibt es Fragen zur Beschäftigung mit der Überstimulation oder der eigenen Intuition. Im Kapitel Intuition empfiehlt sie der eigenen Intuition mehr Raum zu lassen. Entweder durch meditatives Tanzen, malen oder der Beschäftigung mit intuitiver Malerei bzw. deren Künstlern, wie Wassily Kandinsky. Überraschenderweise habe ich früher viel intuitiv gemalt. Es begann mit einer leeren Leinwand und allmählich brachte ich meine Gedanken aufs Bild. Mal waren es helle Farben, mal dunkle Farben – immer abhängig von meiner Gefühlslage. Ich habe mir auch überlegt mit Zen Kalligraphie zu beginnen, das ja auch mit dem spontanen Ausdruck zusammenspielt.

Das letzte Kapitel im ersten Themenblock befasst sich mit unseren Werten und wie sie unser Handeln beeinflussen. Abgeschlossen wird dieses Thema mit Fragen, die mir noch mal meine Werte vor Augen führen und einem persönlichem Fazit, welche Eigenschaften und Fähigkeiten ich an mir gut finde und welche nicht.

Wenn eine hochsensible Frau Mutter wird

In diesem Themenblock geht es dann wirklich um die Herausforderungen, die wir hochsensible Mütter tagtäglich durchleben. Obwohl viele immer wieder die Vorzüge der Hochsensibilität predigen, empfinde ich sie oft als Fluch. Konnte ich damit früher einigermaßen leben und mein Leben so einrichten, dass ich möglichst viel Rückzugsmöglichkeiten hatte, war das mit der Geburt meines Sohnes vorbei. Nun bin ich jeden Tag mit Grenzüberschreitungen konfrontiert, die mir immer stärker zusetzen. Meine aktuelle Verfassung war auch der Grund, warum ich mir das Buch ausgeliehen habe.

Allein zu lesen, dass ich mit meiner Situation nicht allein bin und das manches empfinden keine Sünde ist, hat mich in den letzten Tagen entspannt. In dem Bereich gibt es viele Fragestellungen und noch mehr Möglichkeiten zur Reflektion, was für mich sehr anstrengend war und noch ist, aber ich glaube nur das Befassen mit dieser „Gabe“ kann mir auf lange Frist helfen, nicht komplett durchzudrehen und auf Teufel komm raus meine Grenzen zurück zu holen. Dieser Abschnitt hat mir wirklich geholfen, denn er behandelt eben unter anderem folgende Aspekte:

  • Fremdbestimmung contra Freiheitsstreben
  • Zwischen Anpassung und Rebellion
  • Zwischen Langeweile und Überforderung
  • Bedeutung von Grenzen, den Umgang mit Grenzverletzungen und die Erweiterung von Grenzen
  • Nähe und Distanz
  • Umgang mit Kritik

Allein für dieses Kapitel hat sich die Ausleihe schon gelohnt. Es gab für mich viele Aha-Momente und hatte manchmal das Gefühl, dass die Autorin mich beschreibt. Noch jetzt reflektiere ich die gestellten Fragen und versuche Antworten zu finden.

Hochsensibilität und Nicht-Hochsensibilität

Waren wir noch gestern einer Meinung, dass wir, also ich und mein Freund hochsensibel sind, hat eine heute geführte Unterhaltung hervorgebracht, dass mein Freund nicht glaubt hochsensibel zu sein. Ich bin mir da nicht so sicher, auch wenn ich natürlich nicht in ihn hinein schauen kann.

Ob mein Sohn hochsensibel ist, kann ich ehrlich gesagt im Alter von 15 Monaten noch nicht sagen. Ich möchte keine schlafenden Hunde wecken und jetzt schon alle Literatur über sensible Kinder lesen. So sehr und so intensiv ich ihn beobachte, ich kann nicht sagen, dass er hochsensibel ist, aber auch nicht, dass er es nicht ist. Vielleicht habt ihr hier Erkenntnisse, ab wann man das feststellen kann? Ich kann mir nur vorstellen, dass dies erst möglich ist, wenn er sprechen kann. Oder?

Mit der neuen Erkenntnis muss ich diesen Bereich noch mal lesen, da ich nicht alles, sondern nur das für mich relevante gelesen habe. Es geht hier auf jeden Fall um den Umgang zwischen Hochsensiblen Mütter und hoch- und normalsensiblen Kindern. Auch die Bereiche Ernährung, Interaktion mit Männern und Situationen für Alleinerziehende und in Patchworkfamilien wird betrachtet.

Brigitte Schorr leistet auch hier auch viel Hilfestellung leistet und ich konnte einiges mitnehmen.

Von Schuld, Verantwortung, Therapeuten, Lehrern und der Überquerung des Rubikon

Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich das Kapitel nur überflogen habe, weil ich schon so viel Input zu verarbeiten hatte. Darum kann ich ehrlicherweise hierzu nichts sagen. Mea Culpa.

Fazit

Ich habe mir dieses Buch geholt, weil ich am Ende meiner Kräfte bin. Die vorhin beschriebene schmale Komfortzone spüre ich besonders stark im zweiten Jahr der Elternzeit. Auch die ständigen, natürlich unbeabsichtigten Grenzüberschreitungen meines Sohnes seit der Geburt haben mich sehr zum Nachdenken gebracht. Ich habe mich immer wieder gefragt, warum ich Rat von anderen Müttern nicht annehmen kann und doch immer wieder das Gefühl habe, dass ich die bin, die am unentspanntesten und am stärksten nachdenkend ist. Auf der anderen Seite aber in Impfbelangen voll auf ihren Arzt hört, ohne vorher das Internet anzuwerfen und komplett in der Pikler- und Montessori Denke aufgehe ohne nur einen kritischen Beitrag gelesen zu haben. Das ich die schweigsamste Mutter bei Spielgruppen bin, dass ich den Pikler Kurs liebe, weil alle Mütter da wenigstens für eine Stunde (pardon) die Klappe halten müssen, dass ich auf Enge und Lautstärke fast allergisch reagiere und auf dem Spielplatz keiner Unterhaltung – und sei sie noch so hirnverbrannt entfliehen kann, dass ich Menschen scanne, wenn sie mir begegnen und ich während sie an mir vorbeilaufen ich jeden Bereich ihres Lebens zu durchdrängen zu versuche scheint wohl ein Teil von mir zu sein. Ich muss damit klarkommen, dass ich manchen Unterhaltungen nichts beisteuern kann, weil in meinem Kopf zeitgleich hunderte von Antwortoptionen rumspuken und ich Gefühle oder Ansichten einfach nicht in Worte fassen kann. Jemand meinte mal zu mir, ich wäre wie Yoga, weil ich so ruhig und entspannt bin. Diese Normalsensible Person wusste natürlich nicht, dass genau in diesem Moment in meinem Kopf ein Tsunami an Gedanken, Empfindungen und Eindrücken tobte, der jegliche Möglichkeit einer Konversation ertränkte. Das mein Körper unter Strom stand und ich doch zu keiner Bewegung möglich war. Das sind so Momente in denen ich die Hochsensibilität verfluche, weil sie mich wie einen Autist wirken lässt. Dieser Vergleich mag hart sein, aber besonders von Männern war es immer wieder zu hören, dass ich wohl ein „Gefühlsautist“ sei, unfählg über Gefühle zu sprechen und damit den einen oder anderen Mann ziehen ließ.

Mit diesen Erinnerungen und Wunden frage ich mich wirklich, ob es Sinn macht, bei Hochsensibilität von einer „Gabe“ oder einem „Segen“ zu sprechen. Denn wie so oft ist weniger manchmal einfach mehr.

Das Buch von Brigitte Schorr hat mir aber gezeigt, dass ich nicht allein bin und das ich mich für meine Empfindungen und Gefühle als Mutter nicht schämen muss, sondern einfach lernen sollte, damit umzugehen.

Wie geht ihr mit dem Thema Hochsensibilität um? Was oder wer hilft euch? Habt ihr auch manchmal das Gefühl der merkwürdigste Mensch auf der Welt zu sein?

Ich freu mich auf eure Kommentare und wünsche euch einen gefühlvollen Abend.


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