Wissenschaftler können eigen sein. Das ist kein reines Klischee, sondern findet hier und da in der Realität seine Entsprechung. Auch Ulrich Woelks Buch Joana Mandelbrot und ich baut auf dieser Feststellung auf und rückt das private wie auch öffentliche Leben des Mathematikers Paul Gremon in den Vordergrund der Geschichte.
Dessen Leben befindet sich an einem Scheidepunkt, da er sich in verschiedene Arten menschlicher Beziehungen beweisen muss. Eine wesentliche Rolle spielen dabei die Verhaltens- und Denkmuster des Handelnden und deren Auswirkungen auf sein zerrüttetes Privatleben. Ganz konkret wird seine Eigensinnigkeit, aber auch sein Unvermögen eines Gespürs für die Dinge des Alltags thematisiert. All dass sind die Faktoren, die seine Frau schließlich veranlassen samt Kind aus der gemeinsamen Wohnung auszuziehen, sich scheiden zu lassen und ihn somit in eine tiefe Sinnkrise zu stürzen. Auch in seinem restlichen Umfeld merkt er, dass er sich in seinen Denkweisen und seinem Verständnis des täglichen Lebens deutlich von anderen unterscheidet. Während er den Tag mit Gedanken und Überlegungen zur Mathematik und der Arbeit mit seinem Doktoranden verbringt, scheint die restliche Welt an ihm vorbeizuziehen. Ganz deutlich bewusst wird ihm das, als er in Verhandlungen steht ein, eher populärwissenschaftliches Buch zur Mathematik in einem Verlag unter zu bringen. Sehr schnell wird ihm klar, dass er die Wichtigkeit, die er dem Thema zumisst weder an andere weitergeben kann noch, dass er es in ein entsprechendes Honorar ummünzen kann. Außerdem wird ihm nach seinen zähen Scheidungsverhandlungen erneut klar, dass er in sehr starkem Maße von weiblichen Entscheidungsträgern abhängig und diesen unterlegen ist. Denn was der Leser erst kurze Zeit später erfährt ist der Kontakt zu einer Prostituierten, den er seit der Trennung von seiner Frau intensiv pflegt und der er sich bewusst in starken Maß hingibt. Doch auch an dieser Stelle ist er nicht fähig eine vertrauensbasierte, enge Beziehung aufzubauen, sodass es letztendlich zum Bruch mit der namensgebenden Joana kommt.
Alles in allem befindet sich Gremon also in einer relativ verzweigten, unruhigen Lebenslage, die ihn vor allem geistig ständig in Atem hält. Zwar birgt diese Grundsituation einiges an potentieller Spannung für eine Geschichte. Doch es ist die Umsetzung die Ulrich Woelk nicht so recht gelingen mag. Auch wenn sich die Situation für Gremon mehr und mehr verändert und schließlich in einer Richtung zuspitzt, so schafft es Woelk zu keiner Zeit eine Spannung zu erzeugen, die einen als Leser festhält. Auch schafft er es nicht einen Protagonisten voll auszuarbeiten, dass er einen bleibenden Eindruck hinterlässt. In erster Linie würden sich Gremon selber beziehungsweise eine der Frauenfiguren anbieten. Doch alle bleiben meiner Meinung nach flache Marionetten, die durch eher langweiliger Selbstgespräche kaum an Charisma gewinnen. Zu allem Überfluss gestaltet der Autor gegen Ende noch eine neue Liebesgeschichte des Hauptdarstellers, welche auch noch in Form eines kitschigen E-Mail-Wechsels entwickelt wird.
Spätestens an diesem Teil der Geschichte wird einem klar, dass es sich bei dem Roman Woelks um nicht mehr als einen wenig einfallsreichen Boulevardroman handelt. Obwohl die Grundgeschichte durchaus Potential hätte eine tiefere Ebene der psychologischen Abhängigkeiten des Hauptdarstellers zu entwickeln wird dieser Teil ausgespart. Natürlich würde auch diese Entwicklung keinen bemerkenswerten Spannungsverlauf für die Geschichte bringen, allerdings würde es wesentlich zu Gestaltung und Untersuchung eines menschlichen Charakters beitragen. Alternativ dazu wäre, die Diskussion um das Spannungsfeld zwischen wissenschaftlich sowie alltagsrelevanten Fragestellungen interessant. Doch all dies wird ausgespart…
Zusammenfassend würde ich den Roman nicht weiterempfehlen, da er wie oben beleuchtet weder wirkliche Handlung, Tiefe oder einen neuen Gedankenansatz bietet. Selbst wer nach reiner Unterhaltung strebt sollte sich auf jeden Fall nach etwas anderem Umsehen.Das Werk hat zu wenig Tiefgang um als ernsthafte Literatur durchzugehen und ist zu langweilig um als Unterhaltung zu gelten.