[Buch] Johann Holtrop von Rainald Goetz


Lieben wir Stereotypen?? Ich meine: Ja. Nicht umsonst taucht in nahezu allen Geschichten, ob Film oder Fiktion ein immer wiederkehrender Zoo an Figuren auf. Reinhard Goetz nimmt sich davon in keiner Weise aus. Er versucht weder einen neuen Typus einzuführen noch einen zu vermeiden. Er nimmt stattdessen einen und überspitzt ihn ungemein…selbstverliebt, selbstbewusst, Manager: Johann Holtrop.

So sehr abgedroschen auch die Klischees über diesen Typ Mensch sein mögen, Goetz setzt einfach noch einen drauf. Das Rotationszentrum seines Romans ist eindeutig Holtrop. Der CEO eines Medienkonzerns steht zur Zeit der .com Blase am Scheitelpunkt seiner Karriere. Er hat sich mit cleveren, aber langfristig erfolglosen Investments und einem knallharten Kurs profiliert, hat sich vor den Chefs verbogen bevor er selber einer wurde, hat hart verhandelt und hat sein Gewissen über Bord geworfen. So lernt ihn der Leser als geltungssüchtigen, aufgedrehten und oberflächlichen Menschen kennen. Er feuert langjährige Mitarbeiter aus Launen heraus, beruft Meetings ein und wieder ab wie es ihm gerade passt und führt Verhandlungen mit großen Brimborium und Theater nur um sich selbst zu suggerieren er hätte die Fäden in der Hand.

Das mündet natürlich recht schnell zur Abneigung beim Leser. Allerdings nicht wirklich zur Vorhersehbarkeit. Während man denkt zu wissen was als nächstes passiert liegt man garantiert meist verkehrt, da Holtrop so konstruiert ist, dass er nicht nur seinen Mitmenschen gegenüber unberechenbar ist. Zu was führt also das Ganze? Aus meiner Sicht lässt sich aus der langanhaltenden Flut von Unglaublichkeiten nur eines ableiten: gerade Holtrop der denk die Fäden in der Hand zu haben wird so dicht von einem Netz aus Intrigen umsponnen, dass er nicht einen einzigen Faden in der Hand hält. Er macht sich in Interviews und vor seinen Untergebenen lächerlich und fliegt blind in seinen (verdienten?) Untergang.

Während Goetz für seine nicht enden wollende Übertreibung der Figur Holtrop hier und da mit reichlich negativer Kritik bedacht wurde muss ich an dieser Stelle zum Gegenteil übergehen. Goetz hat die Figur derart konstruiert und mit allen Details ausgestattet, dass sie ihre Wirkung garantiert nicht verfehlt. Dabei bleibt er sprachlich meist recht nüchten aber eindeutig. Als Leser ist man damit stiller Beobachter eines Achterbahnrittes, den man aus meiner Sicht nicht besser hätte beschreiben können. Außerdem kann man hinterher weder behaupten, solches Verhalten wäre ganz und gar unmöglich noch es wäre Standard. Man bleibt nur mit einem tiefen Eindruck menschlicher Facetten zurück.


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