[Buch] Der kleine Trommler – Dai Sijie

Als mittlerweile, zumindest wirtschaftlich, anerkannte Großmacht ist China in aller Munde. Doch was weiß man landläufig über Kultur und Verhaltensweisen in diesem Land? Außerhalb von gängigen Phrasen und Bildern über verkitschte Tradition und Parteigehabe scheint nicht viel kommuniziert zu werden. Eventuell können Bücher wie Der kleine Trommler von Dai Sijiedazu beitragen ein Gespür für das Leben im heutigen China zu entwickeln. 

In seinem Buch erzählt der Autor in drei scheinbar völlig von einander unabhängigen Kurzgeschichten/Momentaufnahmen alltäglicher Umstände. Allerdings wird in jeder der drei Geschichten relativ klar, dass es sich aus unsere Sicht keines Falls um normale Lebensumstände handelt.

Wie auch die anderen beiden spielt die erste Geschichte auf der sogenannten Insel der Edlen. Eine Insel die in der literarischen Beschreibung scheinbar gänzlich aus Elektroschrott besteht, deren Bewohner in ihrem täglichen Handeln ganz darauf fixiert sind Elektroschrott zu recyceln. In dieser Kulisse wird ein Jugendlicher, der vom Elektroschrott erkrankt bereits einem Greis ähnelt, glatt weg von seiner Großmutter verkauft. Verkauft an einen Bonzen, der damit einen anderen Bonzen zur Freiheit verhilft. In einer weiteren Geschichte ist ein Sohn der Familie so schwer vom Elektromüll und den daraus austretenden Schadstoffen erkrankt, dass er in seinem Wahnsinn kaum zu bändigen ist und von seiner Familie in einem Käfig gehalten wird. Natürlich nicht ohne Folgen für die ganze Familie. In einer dritten Geschichte lässt Sijie die Mutter einer kleinen Familie an einer Bleivergiftung erkranken und schließlich, zumindest scheinbar, sterben. Doch hier bleibt die Todesursache etwas im Dunkeln da der Autor nicht die Lebensumstände, sondern das Familienleben zur dunklen Geschichte ausbaut.

Allerdings bleibt dies die einzige Geschichte, die wirklich ein gewisses Eigenleben entwickelt. Zwar versucht der Autor immer wieder um sein Hauptmotiv, den Recyclingschrott und seine Folgen, Geschichten zu stricken, doch gelingt ihm das nur in dieser einen gut. Der Hauptgrund dafür liegt wahrscheinlich in der subtilen, indirekten und geheimnisvollen Erzählweise, die Leser bis zuletzt mit Spannung bei der Geschichte hält.

Alles in allem präsentiert der Autor drei verstörende, harte Geschichten mit denen er sehr direkt ein sehr selektives Bild aufbaut. Natürlich muss man differenziert feststellen, dass er damit keine wirkliche Chance hat ein Bild des modernen China zu zeichnen. Vielmehr stellt er einzelne Schicksale als Opfer eines größeren Problems dar. Dabei vermeidet er es eine direkte Wertung abzugeben. Vielmehr sprechen die Geschichten in ihrer Direktheit und Härte für sich selbst und bedürfen daher keiner Wertung.

Was bleibt von den Geschichten sind verstörende Gedankenfetzen von Geschichten, wie sie im Übrigen wahrscheinlich überall hätten spielen können. Es bleibt somit sicher nichts beim Leser als typisch Chinesisch hängen, was allerdings auch vorteilhaft ist. Es vermeidet Klischees und vorgefertigte Meinungen.

Daj Sijie liefert ein Buch zum Nachdenken, Hängen bleiben und Zweifeln!


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