Brustkrebstagebuch: Übung in Achtsamkeit

man kann noch so sehr aufpassen und denken, dass man alles im griff hat. aber scheinbar sitzt in einem ein kleiner michael schumacher, der, ohne dass man es merkt, mit vollgas seine runden fährt. ich habe sehr wohl gemerkt, dass mich meine berufliche situation in letzter zeit sehr beansprucht und stresst. nun lässt sich das nicht immer vermeiden. außerdem habe ich gedacht, dass ich durch eine reduktion auf 6 stunden täglich weniger arbeite. dieses weniger ist jedoch nur scheinbar. tatsächlich arbeite ich in den 6 stunden so viel, wie zuvor in 8. unter ausreichendem stress. wenn ich um 14 uhr das büro verlasse, in eile, kommt das ausgleichsprogramm. das sich in den letzten wochen, von mir unbemerkt, vermehrt hat. wer von euch leserinnen und lesern selbst betroffen ist, weiß sicher, von was ich spreche. es ist diese energie, die einen antreibt, möglichst viel vom leben mitzunehmen. denn tief in einem drin flüstert eine stimme: „du weißt ja nicht, wie viel zeit du noch hast“. sie flüstert leise und ist gut versteckt, aber sie flüstert.

der gestrige reha-ablehnungsbescheid hat mich mehr getroffen, als ich erwartet hätte. warum eigentlich? ich weiß ja, dass ich nun widerspruch einlegen werde und gute chancen habe, dass er im zweiten anlauf bewilligt wird. ich glaube, es hat mich deshalb so getroffen, weil ich diese 3-wöchige „auszeit“ fest eingeplant hatte und in anbetracht dessen die letzten wochen über mein limit agiert habe. nach dem motto: „im juni ist reha und dann ruhst du dich aus„.

die erkenntnis, dass diese „auszeit“ nun womöglich wegfällt, warf mich gestern ganz schön zurück.

und schnapp geht die falle zu.

warum?

hm, weil ich dachte, genau von dieser lebensweise weg zu sein. und mein leben so weit entspannt zu haben, dass es auch ohne eine solche auszeitgehen sollte.

heute morgen entwickelte sich an meinem arbeitsplatz eine situation, die mich völlig überforderte und ich wusste mir nicht recht zu helfen. was sehr selten vorkommt. da ich um halb elf einen arzttermin hatte, der schon länger feststand und der mir wichtig war, war ich gezwungen, die situation so zu belassen und zu gehen. es ist ein arzt, der mir letztes jahr während meiner primärtherapie sehr geholfen hat. er ist ausgebildet in TCM, traditioneller chinesischer medizin. da saß ich also vor meinem arzt, der mich seit 9 monaten nicht mehr gesehen hat und natürlich wissen wollte, wie es mir nun geht. ich plauderte drauflos und merkte ganz schnell, dass ich kurz vor einem totalen dammbruch stand. und er sah es mir an. und ich sah ihm an, dass er es mir ansah. mit gepresster stimme erzählte ich weiter, dass es mir „eigentlich“ ganz prima geht, ich lediglich ein wenig überfordert sei, kaum schliefe, mich nicht recht konzentrieren könne, aber sonst ist „eigentlich“ alles ok. während ich das erzählte, merkte ich, dass es nicht stimmt. und dass ich derzeit mehr als nur ein bisschen überfordert bin.

ich riss mich zusammen, weil ich nicht losheulen wollte. er untersuchte mich (puls- und zungendiagnostik) und kurze zeit später lag ich mit ein paar akupunkturnadeln gespickt in einem sonnigen ruheraum. hm, und da wurde mir einmal mehr folgendes bewusst:

stress ist total ungesund.

man macht sich diesen stress zu einem großen teil selbst.

man muss nicht immer stark sein.

es ist menschlich, sich zu irren.

das leben ist unter anderem auch dafür da, dass man immer wieder eine richtungskorrektur vornehmen kann.

take it easy, altes haus.

mach ma´pause.

alles wird gut.

nach der behandlung und mit einem neuen termin in der tasche fuhr ich nach hause, lud joschi ins auto und fuhr zu lola. der reitstall lag ruhig und schläfrig in der sonne da, ein paar müde katzen schlichen träge über den hof. wie schön. lola wurde heute geimpft und braucht nun ein paar tage ruhe. also nahm ich sie am halfter an die longe und ging mit ihr auf eine wiese gleich hinter dem stall und ließ sie grasen. den jungen, saftigen klee gierig ausrupfen.

ihr ahnt , was jetzt kommt? ja, joschi graste auch. auf der wiese ist ein großer teich und als wir uns dem teich näherten, sprangen unzählige frösche ins wasser. das war joschis stunde! ihr erinnert euch an die geschichte von joschi als froschjäger? völlig glücklich düste er um den teich und jagte frösche als gäbe es kein morgen mehr. und während ich mit der grasenden lola an der longe dem froschjagenden joschi zusah, kehrte wieder ruhe in mich ein. ruhe und glück. puh, gott-sei-dank! werde die nächste zeit mal ne ruhigere kugel schieben.

 


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