Brustkrebs auf Reisen

Von Katerwolf

dieser beitrag liegt mir schon auf dem herzen, seit ich aus südafrika zurück bin. also raus damit. wie ihr wisst, waren wir ja bereits im november 2009 in südafrika, etwa 6 wochen vor meiner diagnose. nichtsahnend verbrachte ich damals einen unbeschwerten urlaub. und dieses jahr wieder südafrika. diesmal mit brustkrebs im mentalen gepäck. war es anders? ja. war es deshalb weniger schön? nein. aber anders war es.

denn ich hatte dieses jahr den direkten vergleich. so nahm ich wahr, dass das unbeschwerte genießen diesmal vielmehr ein bewusstes und deutlich intensiveres genießen war. und in mich aufnehmen. stück für stück. ohne auch nur das kleinste bisschen auszulassen.

im vergangenen jahr war ich noch auf dem standpunkt, unsterblich zu sein und flatterte sorgenfrei durch die weiten südafrikas. im januar dieses jahres wurde mir in aller deutlichkeit  bewusst, dass ich sterblich bin.

folglich erlebte ich auf dieser reise alles um mich herum aus einer endlichen perspektive. wenn man die dinge aus solch einem blickwinkel betrachtet, haben sie etwas von kostbarem nektar. man denkt nicht mehr: „wie schön diese küste ist. ich kann sie noch so oft anschauen, wie ich will.wo ist die nächste attraktion?“ stattdessen denkt man: „wie schön diese küste ist. einzigartig und kostbar. jetzt.“ das sind durchaus momente, in denen einen die flügel der melancholie streifen. aus solch einem moment heraus entsteht aber auch glück. eben weil man sich bewusst wird, dass man es tatsächlich erlebt. und dass man lebt. dieses empfinden von dankbarkeit war mir zuvor nicht bekannt. ich spüre dann ein tiefes glück.

so hüpfte ich also in südafrika von blüte zu blüte und sammelte dankbar den kostbaren nektar auf. ich schlief nicht viel und schlüpfte in der regel schon im morgengrauen ins freie und lief herum. am liebsten hätte ich gar nicht geschlafen. um bloß nichts zu verpassen. mein lieblingssatz im urlaub war:

„schau mal! ist das nicht ein traum? so etwas schönes habe ich noch nie gesehen!“

manchmal kam ich mir fast schon ein bisschen irre vor. aber vielleicht wird man so, wenn man dem tod so nah gegenübergestanden hat. man wird ein bisschen irre. weil man unterschwellig das gefühl hat, vielleicht doch nicht mehr so viel zeit zu haben, wie man noch vor einiger zeit dachte. also stürzt man sich mit vollem schwung hinein. man wird ein bisschen egoistischer. und will alles mitnehmen.

obwohl ich sehr offensiv mit meiner erkrankung umgehe, habe ich es in den 3 wochen sehr genossen, mit niemandem darüber sprechen zu müssen. einfach, weil es keiner wusste. meinem mann habe ich ab und zu erzählt, was mich bewegt, aber nicht oft. ich hatte es einfach nicht so präsent. und das war heilsam. tatsächlich habe ich seit der diagnose noch nie so wenig daran gedacht wie dort. so wenig heißt: nicht jeden tag mehrmals. und nicht aktiv. vielmehr blubberte es im unterbewusstsein vor sich hin, ganz nach dem motto: „ok, ich habe brustkrebs. kann ich jetzt nicht ändern. ist halt nun mal so. ach, ist auch nicht so schlimm. geht mir ja gut. und ist ja schließlich vorbei.“ ich glaube, es war das erste mal, dass ich bewusst dachte: „…ist ja schließlich vorbei.“ wow.

dennoch blubberte es sich ab und an an die oberfläche und das war dann nicht so schön. ganz schwierig waren fotos. fotos, auf denen ich drauf war, wenn mein mann mich fotografierte. dann ging mir immer ein lämpchen auf *bling* und sprach aus dem off: „das ist ein erinnerungsfoto. wenn du nicht mehr da bist. dann wird er diese fotos ansehen und sich an dich erinnern.alles nur erinnerungsfotos.“ und wenn man so ein phantasievolles und emotionales menschenkind ist wie ich, ist man durchaus in der lage, diese situation ins unermessliche auszuschmücken. man sieht sich zum beispiel selbst in einem bilderrahmen auf seinem schreibtisch stehen, er mit traurigem blick davor und ähnliche konstruktive ideen. das mit den fotos war so eine fixe idee während des urlaubs, deshalb gibt es diesmal auch nicht so viele fotos von mir.

ich muss sagen, dass mich diese gedanken beunruhigt haben und ich habe nach meiner rückkehr mit meinem psychoonkologen (das ist ein psychologe, der auf krebserkrankungen spezialisiert ist), zu dem ich nach wie vor 1x im monat gehe, darüber gesprochen. er schaute mich mit seinem verschmitzten lächeln an und sagte:

„sie haben nun mal vom baum der erkenntnis gegessen. da hat man dann solche gedanken. das ist normal. aber ich bin genauso sterblich wie sie. und weiß ich etwa, wann ich sterbe?

ich sage nur: wie schön, dass es psychoonkologen gibt. und wie schön, dass es mir mittlerweile so geht, wie es mir geht. ich wage einen blick weit über die jahreswende hinaus.