Nach Ansicht von Brüssel hat Rajoy bisher so gut wie nichts richtig gemacht. In einem Schreiben der Europa-Zentrale bekommt der spanische Ministerpräsident deutliche Ohrfeigen. Die Extra-Zahlungen an die Regionen widerspreche EU-Recht. Die Erhöhung der Lohnsteuer sei kontraproduktiv, die Arbeitsmarktreform verfassungswidrig und die Steueramnestie wirkungslos, lautet die unverblümte Kritik an der spanischen Krisen-Strategie im Zusatz zu einem Schreiben, in dem Brüssel die Massnahmen nach dem Bankia-Desaster kritisiert.
Rajoy war angetreten, als die Risikoprämie für spanische Staatsanleihen bei 311 Punkten lag – hoch aber erträglich. Heute stieg sie auf den Rekordwert von 547. Damit musste Spanien zehnjährige Staatsanleihen mit 6,6 Prozent verzinsen, knapp unter dem Wert, der der Intervention von Griechenland, Irland und Portugal voraus ging. Brüssel hat eine Erklärung dafür: “Die Stabilität des Bankensystems konnte nicht garantiert werden.”
Brüssel möchte die spanische Regierung im Moment
am liebsten durchgehend würgen.
Der spanische Regierungschef habe aber nicht nur unzureichendes Krisen-Management bewiesen, als er keine konkreten Massnahmen zur Bankia-Rettung verkündete, lautet die harsche Kritik der EU. Auch in anderen Bereichen habe Madrid versagt. So laufe auch die gleich nach Rajoys Amtsantritt verkündete Erhöhung der Lohnsteuer “dem zuwider, was der Europäische Rat empfiehlt: Arbeit und Kapital werden zusätzlich besteuert”, was das Wachstum beeinträchtige. Deswegen sei auch die geplante Mehrwertsteuer-Erhöhung (2013) kontraproduktiv.
Der Geldtransfer aus Madrid zugunsten der Landesregierungen sei ebenfalls falsch, zertifiziert Brüssel, weil damit die vielen Zulieferer bezahlt würden, die auf diese Art auf die ihnen zustehenden Verzugszinsen verzichten müssen. Das laufe der europäischen Schuldenregelungs-Direktive zuwider, heisst es in dem Bericht. Ausserdem sei die Finanzreform “nicht dazu geeignet, die Stabilität des Sektors zu garantieren”, weil sie sich rein auf die Immobilienblase konzentriere “und andere Risiken unberücksichtig lässt”, zum Beispiel die erhöhte Verschuldung der Haushalte wegen der steigenden Arbeitslosigkeit.
Die Arbeitsmarkt-Reform gehe zwar in die richtige Richtung, sei aber nicht ambitioniert genug und könne “kurzfristig für mehr Arbeitslosigkeit” sorgen. Das gefährlichste Instrument seien aber die neuen Probezeit-Verträge, die sich durch die Hintertür in Zeitverträge verwandeln können: “Es besteht das Risiko, dass die Unternehmen die einjährige Probezeit dazu nutzen, prekäre Zeitverträge abzuschliessen, die keinerlei unternehmerischen Kosten verursachen.” Und der heftigste Einwand aus Brüssel: “Es bestehen weiterhin Zweifel, ob einige Elemente der Reform mit der spanischen Verfassung vereinbar sind.”
Generell lässt Büssel kein gutes Haar an Rajos Krisenstrategie. Die geplanten Einnahmen von 25 Milliarden durch die Steuer-Amnestie hält die EU “für sehr optimistisch”, ebenso wie die Wachstumsvoraussagen oder die Einschätzungen der öffentlichen Einnahmen in Madrid für 2013. Auch sei das nötige Privatisierungsprogramm noch nicht einmal angegangen worden.
Fazit: Schulnote 4- aus Brüssel für den spanischen Ministerpräsidenten. Das ist als Einschätzung aus dem Ausland deutlich genug, besonders wenn sich der spanische Regierungschef sagen lassen muss, gegen die eigene Verfassung zu handeln. Im Inland bekommt Rajoy schon keine Schulnoten mehr – die meisten Spanier würden gleich den Rohrstock tanzen lassen.
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