Brot und Rosen: Der Internationale Frauentag in Frankfurt

„Wenn wir zusammen gehen…“: Der erste internationale Frauentag in Deutschland fand 1911 statt, Vorschlag Clara Zetkins auf der „Zweiten Internationalen sozialistischen Frauenkonferenz“ 1910. Ziel: Das Frauenwahlrecht. Heute haben wir Frauen unser Wahlrecht, aber noch einen weiten Weg vor uns.

Sarah Sorge von den Grünen, neue Frauendezernentin Frankfurts, benannte gestern Abend auf dem alljährlichen Empfang im Römer einige der Dollpunkte. Etwa: Der Einkommensunterschied zwischen Männern und Frauen in Deutschland, der inzwischen „nur“ noch 22% betragen soll. Damit liegen wir OECD-weit auf einem der letzten Plätze und weltweit sogar hinter – Nicaragua. Die Armut von Frauen, und damit von Kindern. In Frankfurt sind 23% der Haushalte Eineltern-Haushalte, das sind in aller Regel alleinerziehende Mütter, die überdurchschnittlich häufig von ALGII (vulgo Hartz-IV) abhängig sind, weil Frauen lieber Kinder haben möchten als Männer, weil Arbeitgeber immer noch auf den Mann als Standard-Arbeitnehmer geeicht sind, weil der Staat immer noch zu wenig zur Unterstützung von Müttern tut, Stichworte Kinderbetreuung oder Rentenanerkennungszeiten, weil unser Steuersystem falsche Anreize setzt, Stichwort Ehegattensplitting. Die fehlenden Frauen in den Aufsichtsräten großer Unternehmen, und ausgerechnet Deutschland hat Viviane Reding mit ihrem Vorstoß ausgebremst, EU-weite Quoten einzuführen.

Sarah Sorge hielt eine überzeugende und mitreißende Rede, aber etwas fehlte auffällig: Die Frauen mit Migrationshintergrund in ihrer nochmals erschwerten Lage. Ihre Vorgängerin im Amt, die großartige Jutta Ebeling, hatte sich immer wieder engagiert darauf bezogen. Etwa 40% der Frankfurter Frauen haben einen Migrationshintergrund: Fühlen sich die Grünen für sie nicht zuständig? Wieso waren unter den geladenen Gästen nur so wenige erkennbare Migrationsfrankfurterinnen, dafür aber viele autochthone Frauen, die zumindest teilweise von der Arbeit mit/für migrationsdeutsche Frauen leben, etwa der Verein zur beruflichen Förderung von Frauen, den Sarah Sorge in ihrer Rede ausdrücklich nannte? Werden migrationsdeutsche Frauen nicht eingeladen? Oder kommen sie nicht, weil sie keine Klientinnen mehr sein wollen, sondern als gleichwertige Mitbürgerinnen ernst genommen werden wollen? Ist das auch der Grund, deshalb die Integrationsdezernentin Nargess Eskandari-Grünberg, ebenfalls eine Grüne, an diesem Empfang zum „Internationalen Frauentag“ nicht anwesend war?

Ich selber, die ich in der damaligen Neuen Frauenbewegung in Frankfurt aktiv war, empfinde einen Klimawechsel im Verhältnis zwischen „wir“ und den „anderen“: Mir scheint, dass die autochthonen Frauen sich noch viel schärfer als früher gegenüber zugewanderten Frauen abgrenzen. Möglicherweise ganz unbewusst: Viele der Frauen, mit denen ich im Lauf der Jahre in verschiedenen Zusammenhängen zu tun hatte, erkannten mich auf dem gestrigen Empfang nicht. Das war schmerzlich, aber auch: aufschlussreich.

Der Internationale Frauentag fand aber hauptsächlich auf der Straße statt, nicht in den heiligen Hallen des Römers. Der Frankfurter Beschwerdechor sang beispielsweise als Gast des traditionsreichen Frauenvereins Courage auf der Zeil das schöne Frauenbewegungslied „Brot und Rosen“: „Wenn wir zusammen gehen…“ Der Anfang der Frauenbewegung war mit der Emanzipation des Proletariats, der „kleinen Leute“ verbunden, die damals wie heute oft die Zuwanderer waren. Das scheinen die Frauen heute, insbesondere die Grünen, nicht mehr auf dem Schirm zu haben. Weil sie auf ihrem Marsch durch die Institutionen in den bequemen Chefsesseln und auskömmlichen Lehrerpensionen angekommen sind? Schade und natürlich auch kurzsichtig.

Gibt es die internationale Frauenbewegung überhaupt noch in Deutschland? Wie ich gestern hörte, ist der inzwischen ziemlich angestaubte Frauenverband „Courage“ vom Verfassungsschutz als „extremistische Vereinigung“ eingestuft worden, worauf das Finanzamt Wuppertal dem Verein die Gemeinnützigkeit zum Jahreswechsel abrupt entzogen hat. Der Verfassungsschutz entscheidet also jetzt über die Gemeinnützigkeit? Der muss wissen, wie gefährlich die heutige Frauenbewegung ist, gar die internationale…


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