Broken Dreams, im House of Peace...

Ein Tagträumer bin ich, und das, seitdem ich träumen kann.
In der Schulzeit habe ich mich aus dem Klassenfenster hinaus geträumt, weit weg von Monsieur Kauthens Konjugationstabelle der irregulären französischen Verben und bin, untermalt von der schönsten und ergreifensten Filmmusik meiner Kindheit, auf meinem Pferd Hatatitla (Blitz) durch die Prärie geritten, eng umklammert von meinem Sozius Nscho-Tschi (Schöner Tag) welche auch die hübsche Schwester des bekannten Appachenhäuptlings W. ist. Wir sind unterwegs um Hadji Halef Omar zu treffen.

Ja, früher, da brauchten wir kein Holodeck. Früher war alles besser. Wir hatten zwar nichts, aber früher war alles besser.
Auch in meinem unruhigen Elternhaus, wo fast immer eine angespannte Atmosphäre herrschte, lümmelte ich als Jugendlicher stundenlang auf dem Schlafzimmerboden herum, um meine erstgekaufte L.P., übrigens das meistverkaufteste Doppelalbum weltweit "The Wall" von Pink Floyd, rauf und runter zu hören.
Dass dieses Album damals (1980) heftige 1.400 Flux (35 Euro) gekostet hat, dieses ist ebenfalls unvergessen (Wir hatten ja nichts).
Und während Roger Waters mit "Mother" oder "Another Brick in the Wall" ("If you don't eat yer meat, you can't have any pudding, how can you have any pudding if you don't eat yer meat?") seine Kindheits- und Kriegstraumata verarbeitet,

reise ich wohlig durch Paralellwelten, lande ruhig und sicher einen mit hysterischen Passagieren vollgepferchten Jumbo-Jet, da die Cockpitbesatzung dummerweise den Fisch gegessen hat, freunde mich mit Esmeralda und ihrem Glöckner an oder habe Sex mir Danielle K. im Kornfeld.
Danielle K. indes, ist fleischgewordener Traum gewesen, sie ist 17 Jahr, hat goldenes, langes Haar, einen knackigen Hintern der meist in zu engen Jeans eingezwängt ist und sitzt eine Schulbank vor mir, beim Schreiben leicht vorübergebeugt.
Kein Wunder also, dass, unter solchen schwierigen Lernbedingungen beim pupertierenden Jugendlichen Träume heraufbeschworen werden und meine Schulnoten ein Albtraum sind. Ja, Monsieur Kauthen und Danielle K. sind schuld.
Auch heute noch, wenn ich keine Wahl habe, also aus Höflichkeit oder Opportunismus, jemandem zuhören muss, der langweilig ist oder Monologe hält, ist mein Geist auf und davon, zur Entspannung unterwegs auf einem kurzen Erholungstrip. Ich bin dann mal weg und dieses nicht unbedingt auf dem Jakobsweg.
Sehr selten nur bemerkt ein Gesprächspartner, dass ich nicht mehr präsent bin, denn ich bin geübt darin an den richtigen Stellen zu nicken, gelegentlich ein "Ja" oder ein "Wirklich?" einzuwerfen und dem Gegenüber ab und zu ein Lächeln zu schenken.
Bloss nie ein "Nein" riskieren, man müsste es vielleicht begründen. Manchmal allerdings, macht diese passive Haltung den Monolog des Langweilers noch länger, noch zäher, denn er fühlt sich ja verstanden.
Alle Bars in Dar es Salaam liegen halbversteckt, so, als wäre es unschicklich Alkohol zu trinken. Vielleicht ist es dies ja auch in dieser moslemischen Gesellschaft und man nimmt Rücksicht auf die Gläubigen und versteckt die Lasterhöhlen.
So liegt ein Hauch des Verruchten im Raum und weil der schwarze Barkeeper eine getönte Sonnenbrille trägt aber nicht Stevie oder Ray sondern Jack heisst, liegt auch der Schleier des Dubiosen, subjektiv bei mir jedenfalls, über alledem.
Traue keinem und niemandem ist Mazungo´s Motto als Alleinreisender und obwohl der kleine Mazungo weiter unten schon länger seinen Entleerungswunsch angemeldet hat, werden meine Getränke weiterhin von mir höchstpersönlich überwacht und dulden keine Abwesenheit, denn Rohypnol ist in Ostafrika rezeptfrei in jeder Apotheke zu bekommen.
So bleib ich hocken, zähle aufmerksam die Getränkeflaschen auf dem hölzernen Regal hinter dem Tresen, damit ich bloss den besoffenen Inder neben mir nicht angucken muss und während dieser unaufhaltsam seine leeren Worthülsen erbarmungslos durch den Raum schiesst, begleitet vom feinen Nieselregen, der aus den Tiefen seiner Mundhöhlen hervorsprüht um sogleich vom violetten Licht der Neonröhre kunstvoll in Weiss verpackt, als Drip-Painting, Jackson Pollock gleich, auf meiner linken Wange zu einem Gesamtkunstwerk zusammenzufinden.
Ich kann nur hoffen, dass mein Feind bald geht oder tot umfällt und bis es soweit ist, schaue ich ins Leere und erträume mir die perfekte Bar.Natürlich gibt es im Leben nicht "die eine perfekte Bar", man hat seine Prioritäten,  je nach Alter, Lebensumständen und sozialer Stellung und das wechselt bekanntlich des öfteren mal.
Mein Tagtraum rast im Bruchteil einer Sekunde (das sind die Vorteile des Gedankenreisens) nach Südwesten über den afrikanischen Kontinent, entscheide mich gegen Capetown, da ist jetzt zuviel Partyvolk unterwegs, reise weiter über den Atlantik bis nach New York und erwähle den Stadtteil Queens, um hier an der 37 th. Avenue, Ecke 11th Street, wo sich sich die "WunderBar" befindet, endlich Frieden und Stille zu finden..Broken Dreams, im House of Peace...
Kaum anzunehmen, dass die "WunderBar", nicht weit vom Vernon Boulevard, so aussieht wie Phillies Eckkneipe am Boulevard of Broken Dreams, auf diesem Pop Art Bild. Das wäre die Aussenansicht einer perfekten Bar, wie ich sie mir hier in Dar es Salaam vorstelle. Helles Licht statt Dunkelheit, offen und ehrlich symbolisiert sie Leere, Einsamkeit, vielleicht auch Stillstand, auch in uns, aber Ruhe wird einem gewährt, in der Zeitlosigkeit.
Die vier einsamen Menschen im Bild, also James, Marilyn, Humphrey und ein Barkeper namens Elvis, ignorieren wir wohlgefällig, da sie in unserem weiteren Tagtraum keine Rolle spielen werden.
Und so treten wir ein und drinnen stellen wir uns ein leicht verändertess Interieur vor und obwohl noch immer minimalistisch eingerichtet, wie es sich für diese Art von Bars gehört, gibt es doch ein Getränkeregal wo wir eine Auswahl von Whisk(e)y und Scotch, Gin und Vodka vorfinden, sowie das klebrige, süsse Zeug, welches die Ladies mögen.
 Man lässt sich auf einem Barhocker nieder, bequemes Imitatleder in Rot gehalten, als Sitzpolster auf verchromten Stahlstelzen, ja, viel Chrom und Glas hat diese Bar, nur der Tresen, der ist aus hellem feingeschliffenem Buchenholz.
Es ist angenehm kühl hier drin, hier braucht man keine Aircon denn es ist Herbst draussen und obwohl erst Nachmittag, dunkelt es schon. Der Barkeeper begrüsst einen mit einem sachlichen "Welcome Sir", welches mit ein Grund dafür sein kann, dass ich mir eine amerikanische Bar herbeigeträumt habe, denn heute habe ich keine Lust auf ein "Was soll´s denn sein, mein Herr" oder ein "Ja, bitte?", obwohl, das "Le Lion" in Hamburg z.b oder das "Othello" in Freiburg durchaus tolle Cocktailbars sind.
Ich bestelle einen "Canadien Club" on the Rocks, "Two Shots, please" und beobachte den adretten Barkeeper wie er sein Messbecherchen aus Edelstahl sorgfältig füllt und das füssige Gold in ein schweres Scotchglass umfüllt.  Ein "Shot" sind in den USA üblicherweise 1,5 oz. (ounces), also ungefähr 44 Milliliter.
Ich erfrage mir 4 Eiswürfel, keinen weniger, keinen mehr, man hat so seine Prinzipien, auch in den Träumen.
Der Barkeeper, trägt schwarze Fliege auf weissem Hemd und das angesteckte Namenschild weist ihn als einen "Lloyd" aus, ein guter Barkeepername wie ich finde und man ist versucht ihn zu fragen ob er früher im Overlook Hotel gearbeitet hat und ob er sich an Jack Torrence erinnern kann.
Stattdessen aber, schaut man sich die anderen Gäste näher an, ein junges Pärchen welches Cocktails schlürft und sich leise unterhält und ein leicht verlotterter Mittdreissiger, in Anzug und Krawatte der wohl keinen guten Tag an der Wallstreet hatte. Draussen huschen ein paar Fussgänger vorbei, gegenüber parkt ein IPS Truck ein und man sieht Doug Heffernan, wie er eilig in ein Fast-Food Restaurant rennt bevor er nach Hause zu Carrie und zu Arthur muss. Er würde nie freiwillig in diese Bar kommen.
Deacon wartet derweil im Wagen.
Ach, wie ist dieser Tagtraum schön und gerade als ich mir eine Stretch-Limousine herbeiträume, aus welcher eine alternde Diva steigt, sie hat heute ihr kleines Schwarzes an, wird der Traum jäh abgebrochen.
Ich fühle eine klebrige Flüssigkeit im Gesicht, welche mich in die Realität nach Dar es Salaam (House of Peace) zurück katapultiert. Der Inder hat mir tatsächlich ein Glas Jack´s ins Gesicht geschüttet, ich muss vergessen haben, an den richtigen Stellen ein "Ja", ein "Wirklich ?" oder ein Lächeln eingeworfen zu haben, und meine Unterlassungen scheinen ihn beleidigt zu haben.
 Schneller als ich, reagiert allerdings Sonnenbrillen-Jack in der Ecke, wie von der Tarantel gestochen ist er zur Stelle und bevor ich den Mund zu einem "No", (warum eigentlich?) formen kann, klatscht es zweimal und der Inder sitzt mit blutender Nase auf dem Hosenboden. Da wurden wohl gerade 5 Jahre Demütigungen gerächt.
Sonnenbrillen-und Barkeeper Jack hilft dem Inder auf, indem er ihn an den Ohren hochzieht und ihm unfreiwilliges Geleit zum Ausgang gibt. Ich gehe ins Bad, wasche Gesicht und Hände, entleere den kleinen Mazungo weiter unten und wasche mich nochmals. Auch hier dieses verdammte violette Licht. Wer denkt sich sowas aus?
Nach meiner Rückkehr ist es angenehm still in der Bar. Sonnenbrillen-Jack mobt weisse Tröpfchen vom Boden, ich lasse allen Alk wegschütten, bestelle eine Cola und setze mich an einen Tisch um unter akkustischer Begleitung des Generators das Notebook zu starten und in die Tasten zu hämmern.
Ich habe noch Zeit, die Fähre nach Sansibar fährt erst in 3 Stunden.
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