Britischer Humor bis zum bitteren Ende

Filmkritik zu ‘Four Lions’

Wer im Abspann genau hinschaut, wird die Zeile „One sheep was blown up by making this film“ bemerken. Diese Entschuldigung an die Tierwelt ist allerdings genauso wenig ernst zu nehmen, wie der Film "Four Lions" selbst. Mit seinem Erstlingswerk wagt sich Regisseur Chris Morris, seines Zeichens britischer Satiriker, Drehbuchautor, Schauspieler und ab sofort eben auch Regisseur, weit über die Grenzen des schwarzen Humors hinaus. Nicht viele hätten den Mut, eine Komödie über eine islamistische Terrorzelle in England zu drehen. Der Deutschlandstart war lange Zeit nicht gesichert. Die CSU wollte den Film wegen der aktuellen Terrorgefahr aus den Kinos verbannen lassen. Auch in den USA war das kontroverse Thema für das Auffinden eines Filmverleihs hinderlich. Dort startete "Four Lions" im November letzten Jahres in einer eingeschränkten Version.

Der Film erzählt von vier jungen britischen Männern, die im Auftrag Allahs unterwegs sind. Omar (Riz Ahmed) will sich dem Heiligen Krieg anschließen, weil er nicht länger tatenlos zuschauen will, wie das Ansehen junger Moslems auf der Welt mit Füßen getreten wird. Waj (Kayvan Novak) hält das für eine gute Idee und schließt sich an, weil er nichts Besseres zu tun hat. Außerdem trifft Omar ohnehin immer alle Entscheidungen für ihn. Barry (Nigel Lindsay) ist als weißer islamischer Konvertit zwar völlig anderer Meinung, aber das macht nichts, denn das ist er grundsätzlich. Aus Prinzip. Als Bombenbauer stößt Faisal (Adeel Akhtar) zu der Truppe, der allerdings nicht als Selbstmordattentäter in Frage kommt, weil sein Vater gerade krank geworden ist. Gemeinsam sind sie fest entschlossen die westliche Gesellschaft dort zu treffen, wo es weh tut.

Filmkritik zu ‘Four Lions’

Kayvan Novak

Am Ende muss für diesen Anschlag der London-Marathon herhalten, der wegen seiner Teilnehmerzahlen von über 30.000 Menschen jährlich zu den bedeutendsten Sport-Wettbewerben dieser Art zählt. Aber bis zu diesem Ereignis dürfen die Zuschauer die vier Hauptprotagonisten begleiten, wie sie sich in einem Trainingscamp in Pakistan ausbilden lassen – oder es zumindest versuchen, wie sie Debatten über ihr Vorgehen führen und amateurhafte Videobotschaften aufzeichnen.

Mit einer solchen Botschaft beginnt "Four Lions" und zeigt direkt auf, dass hier ein höchst zynischer Film folgen wird. Die ersten Minuten dürften verstörend wirken, wenn die Zuschauer mit einem dieser Videos konfrontiert werden, wie man sie aus den realen Nachrichten kennt, in denen die Terroristen ihre Forderungen stellen oder ihre Taten begründen. Hier allerdings entwickelt man dem gegenüber keine Angstgefühle, sondern erschreckenderweise ist es Sympathie, die man den Hauptfiguren bereits von Anfang an entgegen bringt. Geschickt spielt man mit den schusseligen Protagonisten, die im Verlauf des Filmes immer wieder Aufnahmen ihrer Taten und Unterredungen machen – auch Überwachungskameras kommen hier ins Spiel. Zum Ende des Filmes werden diese Aufnahmen gebündelt präsentiert. Hier entsteht der Eindruck, die Terroristen wären eine wirkliche Gefahr, allein durch die Aufnahmen muss man die Figuren wieder ernst nehmen. Aber das ist die Medienkritik die hier angebracht wird. Denn in "Four Lions" erfahren wir auch, was hinter den Kameras läuft.

Filmkritik zu ‘Four Lions’

Ein armer Vogel

Hierzu gehört der Ausflug in das Trainingscamp in Pakistan, in dem Omar merkt, dass es der moderne Terrorist von heute dort nicht lange aushält. Er verliert sich in Vorstellungen von"‚Rambo" und ‚James Bond‘, zückt unüberlegt einen Raketenwerfer und legt mal eben alles in Schutt und Asche – aus Versehen! Es wirkt eher wie ein Kriegsspiel, was die vier Männer betreiben, bis sie am Ende wirklich die Bomben am Körper haben und in Kostümen durch die Stadt irren. Besonders hilfreich ist es für die Ernsthaftigkeit allerdings nicht, dass sie sich für dieses Vorhaben als Teenage Mutant Ninja Turtle, Honigmonster, als Strauß und als Clown verkleidet haben.

Bis das eigentliche Ziel gefunden ist, liefert man sich aber noch Schlachten mit Wasserpistolen und plant erst einmal, das Internet in die Luft zu jagen. Bei diversen Ausflügen werden dann aber eher eine Krähe, ein Schaf und die Männer selbst in Mitleidenschaft gezogen. Und bei jeder weiteren Explosion einer Bombe wird der Zuschauer unweigerlich zusammenzucken. Es sind Sympathieträger, die dort ihr Leben lassen. Dabei wirken diese nicht wie unwirkliche, fiktionale Figuren. Omar ist ein Familienvater, er hat einen Job und in seiner Freizeit beschäftigt er sich mit den Freunden aus der Terrorzelle. Das menschliche Gehirn ist bei "Four Lions" nahe der Verzweiflung, wandert es doch auf dem schmalen Grat zwischen der Feststellung, dass es sich hier um gut konzipierte Figuren handelt, denen man im wirklichen Leben Vertrauen entgegen bringen würde, auf der anderen Seite aber ein willkürliches und gleichgültiges Bild der Attentäter entsteht, die mit Humor und Selbstüberzeugung niemals ihr Vorhaben anzweifeln.

"Four Lions" zeigt mit einer nicht zu unterschätzenden Portion britischen Humors, dass nicht nur Terrorismus dämlich ist, sondern auch viele Terroristen nicht die hellsten Köpfe sein müssen um Schaden anzurichten. Dass der Film, trotz seiner Thematik, zu unterhalten weiß, darf man dem Regisseur Chris Morris zusprechen, der seine Darsteller durch ein gut pointiertes Drehbuch leitet und niemals in eine zu melodramatische Stimmung abrutscht. Es bleibt witzig bis zum bitteren Ende.

Denis Sasse


Filmkritik zu ‘Four Lions’

"Four Lions"

Originaltitel: Four Lions

Altersfreigabe: ab 16 Jahren
Produktionsland, Jahr: GB/F, 2010
Länge: ca. 100 Minuten
Regie: Chris Morris
Darsteller: Riz Ahmed, Kayvan Novak, Nigel Lindsay, Adeel Akhtar

Deutschlandstart: 21. April 2011
Offizielle Homepage: www.fourlions-film.de/


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