Brief an den Bundespräsidenten - Keine Papstrede im Bundestag!

Erstellt am 3. Januar 2011 von Freiheitsliebe
Sehr geehrter Herr Bundespräsident,
erlauben Sie mir, dass ich mich als Staatsbürger, Jurist und freier Christ mit einigen
Fragen und einer Bitte an Sie wende.
Als Staatsoberhaupt stehen Sie über allen politischen Parteien, Konfessionen,
wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Interessengruppen. Vom Träger des
höchsten Staatsamtes erwartet das Staatsvolk in besonderem Maße Neutralität
und ausgleichendes Wirken im Widerstreit der vielfältigen öffentlichen und
privaten Belange, nicht zuletzt in Bezug auf die unterschiedlichen religiösen
Gruppierungen unseres Landes. Ihre Rede zum Tag der deutschen Einheit, in
der Sie den Islam als Teil Deutschlands bezeichnet haben, wurde deshalb von
vielen freiheitlich denkenden Bürgern als politisch hilfreicher Fingerzeig empfunden,

der eine aus dem Ruder laufende Diskussion zur rechten Zeit entschärfte.
Angesichts dieser Rede, die Modernität und Liberalität ausstrahlte, verwundert
es umso mehr, dass Sie im Verhältnis zur katholischen Kirche Wege beschreiten,
die vielleicht Mitte des vorigen Jahrhunderts, zu Zeiten der „Volkskirche“,
noch gangbar erschienen, heute aber viele Bürger vor den Kopf stoßen. Ich
meine die Einladung des Papstes zu einem Staatsbesuch, verbunden mit der
Möglichkeit, im Deutschen Bundestag eine Grundsatzrede zu halten.
Vor allem Letzteres ist schwer nachvollziehbar, wenn man bedenkt, dass 70 %
der Bewohner unseres Landes mit der katholischen Kirche nichts zu tun haben.
Im Übrigen wird die Ehre, vor der deutschen Volksvertretung sprechen zu
dürfen, auch Staatsoberhäuptern nur höchst selten zuteil.
Hinzu kommt – und das gilt nicht nur für den Auftritt vor dem Bundestag, sondern
für den gesamten Staatsbesuch -, dass die Stellung des Papstes als
Staatsoberhaupt äußerst fragwürdig ist. Ursprünglich ging der Staat des Papstes
aus der so genannten konstantinischen Schenkung hervor, die sich im 15.
Jahrhundert als Fälschung entpuppte, was die Kirche später auch selbst zugab.
Im 19. Jahrhundert wurde diesem Staatsgebilde zunächst durch Napoleon
ein vorläufiges und später durch den italienischen König Emanuel I. ein definitives
Ende bereitet. Wenn es heute wieder einen Vatikanstaat gibt, so ist
dies auf eine der übelsten Gestalten des vorigen Jahrhunderts zurückzuführen,
nämlich den faschistischen Diktator Benito Mussolini, der in den Lateranverträgen
mit Pius XI. dem Vatikan erneut Staatscharakter zusprach, obwohl
sich das Staatsgebiet auf die Gärten um den Petersdom und das Staatsvolk
auf einige Hundert Prälaten beschränkt. Die Verfassung dieses Staates spiegelt
bis heute ihren faschistischen Ursprung wieder. Art.1 des von Papst Johannes
Paul im Jahr 2000 neu erlassenen „Grundgesetzes“ lautet: „Der Papst
besitzt als Oberhaupt des Vatikanstaates die Fülle der gesetzgebenden, ausführenden
und richterlichen Gewalt.“ Und in der Präambel dieses Grundgesetzes
heißt es, dass der Staat des Vatikans den Zweck hat, dem Papst im Äußeren
Unabhängigkeit für seine Weltmission zu verschaffen. Der Vatikanstaat ist
also erklärtermaßen nichts anderes als ein Vehikel des Kirchenoberhaupts;
und wer den Papst als Staatsoberhaupt einlädt, lädt damit den Kirchenführer ein,
sodass dessen Glaubenslehre kein Kircheninternum mehr bleibt, sondern zum Politikum
wird. Das gilt umso mehr, als die Beweggründe für die Staatseinladung der
Vorstellung entspringen, dass Christentum und Kirche identisch seien, eine Auffassung,
die viele Bürger keineswegs teilen. Wenn der Papst als Staatsoberhaupt,
das sich zugleich als „Stellvertreter Christi“ bezeichnet, in Deutschland einfliegt,
wird die Frage, inwiefern er Christus vertritt, zur politischen Frage.
Was Jesus Christus lehrte, ergibt sich aus dem Evangelium, auf das sich auch
die Kirche beruft. Dass Kreuzzüge, Hexenverbrennungen und die blutige
Missionierung der Ureinwohner Südamerikas nichts mit der Lehre Jesu zu tun
hatten, wird auch Benedikt XVI. nicht leugnen. Er wird vielleicht sagen, das liege
lange zurück. Nicht so lange zurück liegt die Kriegstreiberei des Vatikans im
Jahr 1914, als der vatikanische Gesandte in Wien die damalige österreichische Regierung
zu „scharfem Vorgehen“ gegen Serbien aufforderte und damit den 1. Weltkrieg
mit heraufbeschwor. Nicht lange zurück liegt auch die kirchliche Unterstützung
Mussolinis beim Überfall auf Abessinien im Jahr 1935 oder die Unterstützung der
Franco-Diktatur durch Pius XII., der dem Kriegsverbrecher in Madrid mit den
Worten gratulierte: „Indem wir unser Herz zu Gott erheben, freuen wir uns mit
ew. Exzellenz über den von der katholischen Kirche so ersehnten Sieg“ – ein
Sieg, der rund Hunderttausend Republikanern hauptsächlich in Gefängnissen
und bei Erschießungen das Leben kostete. Erinnert sei auch an die moralische
Unterstützung des Russland-Feldzugs Hitlers durch katholische Würdenträger
bis hin zu Pius XII. Kardinal Graf von Galen feuerte im Jahr 1942 in einem Hirtenbrief
die deutschen Soldaten zu einem Kreuzzug gegen den Bolschewismus
an. Nicht zu vergessen ist auch der Völkermord an Hunderttausenden orthodoxer
Serben, der von 1941 bis 1943 unter maßgeblicher Beteiligung katholischer
Kleriker in Kroatien stattfand, angeführt von dem katholischen Ustascha-
Führer Pavelic, der mehrmals von Pius XII. empfangen und jeweils mit
den besten Wünschen „für die weitere Arbeit“ entlassen wurde. Und der unmittelbare
Vorgänger des jetzigen Papstes hielt es in den 90-iger Jahren für nötig,
sowohl beim ersten Golf-Krieg als auch im Bosnienkrieg vom „gerechten
Krieg“ zu sprechen und zu betonen: „Wir sind keine Pazifisten.“ Auch der jetzige
Papst distanzierte sich schon einmal vom so genannten Fundamentalpazifismus.
Man mag dies unter dem Gesichtspunkt des Völkerrechts für richtig halten,
nur mit Jesus von Nazareth hat es eben nichts zu tun, der Gewalt unter keinen Umständen
für gerechtfertigt hielt. Dann kann man aber dem Papst auch keine
Vorzugsbehandlung als Stellvertreter Christi einräumen, denn die Papstkirche
steht in eklatantem Gegensatz zur Lehre Jesu, was sich eindeutig auch aus
der Kirchenbibel ergibt.
Ein Blick in die als Gründungsurkunde des Christentums geltenden Evangelien
zeigt, dass auch das riesige Dogmengebäude der Kirche mit Jesus von Nazareth
nichts zu tun hat. Es ist nicht einmal durch Theologenweisheit entstanden,
sondern im 4., 5. und 6. Jahrhundert durch das Diktat römischer Kaiser. Sie waren
es, die in der römischen Staatskirche Religionsstreitigkeiten durch Machtsprüche erledigten
und z.B. dekretierten, dass Christus „wesenseins mit Gott“ sei (Kaiser Konstantin,
Nizzäa, 325), dass es eine Dreieinigkeit von Gott Vater, Gott Sohn und
Heiligem Geist gebe und eine allein-seligmachende Kirche (Kaiser Theodosius
I., Konstantinopel, 381) und vor allem, dass jeder verflucht sei, der daran glaube,
dass am Ende aller Zeiten alle Seelen und Menschen zu Gott zurückkehren
(Kaiser Justinian, Konstantinopel, 553).
Mit solchen und ähnlichen Bannflüchen traktiert die katholische Kirche ihre
Mitglieder bis zum heutigen Tag. Einer davon lautet: „Wer nicht die ganze
kirchliche Überlieferung annimmt, die geschriebene wie die ungeschriebene,
der sei verflucht.“ (Neuner-Roos, Der Glaube der Kirche in den Urkunden der
Lehrverkündigung, Nr.85). „Verflucht“ heißt im Kontext kirchlicher Glaubenssätze:
verdammt in alle Ewigkeit. Verflucht wird auch jeder, der „nicht alle Bücher
der Heiligen Schrift“, wie sie von der Kirche kanonisiert wurden, also das
Neue und Alte Testament, „anerkennt“, oder „wer leugnet“, dass diese Schriften
unmittelbar „von Gott eingegeben sind“ (Neuner-Roos, a.a.O., Nr.98). Dabei sind
diese Schriften zum Teil geradezu gemeingefährlich. Im Alten Testament steht z.B.:
„Wenn jemand die Ehe bricht mit der Frau seines Nächsten, so sollen beide des Todes
sterben, Ehebrecher und Ehebrecherin.“ (3.Mose, 20,10) Auch Homosexuellen
droht nach der alttestamentlichen Scharia die Steinigung. Verdammt wird nach der
kirchlichen Lehre auch jeder, der aus der Kirche austritt, ohne Rücksicht darauf,
dass er als Säugling zwangsweise hineingetauft wurde. Ewig verdammt
ist auch jeder, der sich nicht der Unfehlbarkeit des Papstes und den von ihm
verkündeten Glaubenssätzen unterwirft. Man kann sagen, es handelt sich um
eine ausgesprochen gefährliche Ideologie, die bei vielen Kirchenmitgliedern
auch ihre psychische Wirkung zeigt, nicht nur in Form von Unfreiheit, sondern
auch in Form ekklesiogener Neurosen – ein inzwischen medizinisch anerkanntes
Krankheitsbild.
Eine Organisation, die ihre Mitglieder zwangsweise erwirbt und zwangsweise mit
der Androhung ewiger Höllenstrafen bei der Stange hält, verstößt gegen die Menschenwürde.
Wenn der Papst als Staatsoberhaupt auftritt, ist seine staatliche und
religiöse Diktatur nicht mehr bloß eine „Sache der Katholiken“, sondern eine Frage
der politischen Akzeptanz, wie es bei anderen Staatsgästen mit diktatorischem Hintergrund
auch der Fall wäre. Aus dem religiösen Ärgernis seiner totalitären Dogmen
wird eine politische Provokation. Dass die Inhalte seines Glaubens für Außenstehende
tabu sein sollten, kann er für sich nicht mehr in Anspruch nehmen, denn
der Papst macht mit seiner Religion und seiner Behauptung, er sei der „Stellvertreter
Christi“, Politik. Dann wird man ihm seine eigene Bibel entgegenhalten und ihm sagen
dürfen bzw. müssen, dass Christus keinen Stellvertreter vorgesehen hat und
dass die Kirche mit ihrer blutigen Geschichte und ihrem bis heute andauernden
Zwangsystem der freiheitlichen Lehre Christi seit 1500 Jahren ins Gesicht schlägt.
Bedenkt man dies, erweist sich der angebliche „Stellvertreter Christi“ eher als der
Stellvertreter einer Gegenorganisation. Würden Sie den Papst auch unter dieser
Prämisse einladen, nur weil er ein Staatsoberhaupt ist? Vermutlich nicht. Also
erfolgt die Einladung aus bestimmten Glaubensgründen, was für einen Staatsbesuch
keine legitime Motivation ist.
Die meisten Menschen nehmen die Gleichsetzung von Kirche und Christentum
einfach hin, weil sie weder über die blutige Geschichte der Kirche noch
über ihre totalitäre Lehre informiert sind, die bis heute gilt. Sie, sehr geehrter
Herr Bundespräsident, und auch der Herr Bundestagspräsident dürften entsprechende
Kenntnisse haben. Deshalb darf ich Sie fragen, wie Sie es verantworten
wollen, dem Papst die Möglichkeit zu geben, im Deutschen Bundestag für
sein Kirchenregime Reklame zu machen; für ein Regime, das in Deutschland und
weltweit Tausende von Kinderschändern in seinen Reihen hat und deren Verbrechen
systematisch vertuscht hat, auch unter maßgeblicher Beteiligung des jetzigen
Papstes; für ein Regime, das durch so genannte Sektenbeauftragte religiöse Minderheiten
in Deutschland ausgrenzt und diskriminiert, was die amerikanische Außenministerin
in ihrem jüngst vorgelegten Jahresbericht über Religionsfreiheit ausdrücklich
rügte; und für ein Regime, das 3000 professionelle „Teufelsaustreiber“
(Exorzisten) unterhält und damit das Mittelalter ins 21. Jahrhundert transportiert?
Der überwiegende Teil der Bevölkerung wird für diesen Staatsbesuch kein
Verständnis haben, auch wegen des irrwitzigen Sicherheitsaufwandes und
den enormen Kosten von zig Millionen Euro. Da der Papst nur scheinbar als
Staatsoberhaupt, in Wirklichkeit aber als Kirchenoberhaupt kommt, verletzt
sein Auftritt im Deutschen Bundestag die weltanschaulich-religiöse Neutralitätspflicht
des Staates, es sei denn, man will in Zukunft auch die Vertreter anderer
Religionen und Weltanschauungen im Bundestag reden lassen. Die Bürger
dieses Landes und ihre Volksvertretung haben es nicht nötig, sich über Ethik
und Moral von einem Kirchenführer belehren zu lassen, der einer Organisation
vorsteht, die die größte Blutspur in der Weltgeschichte hinterließ, die sich im
19. Jahrhundert vehement gegen die Anerkennung von Menschenrechten
wehrte, die über 1500 Jahre Antisemitismus schürte und noch bis zum 2. vatikanischen
Konzil das Grundrecht auf Religionsfreiheit ablehnte und ihren Mitgliedern
bis heute verweigert – durch Androhung schlimmster Strafen im Falle
des Austritts. Solange der Papst sein totalitäres Kirchenregime, angefangen
von der Verfassung des Vatikanstaats bis hin zu den Drohungen des kirchlichen
Katechismus, nicht ändert, mag man ihn, wenn man will, als gestrengen
Religionsführer tolerieren, als Staatsoberhaupt sollte man ihn in einem freiheitlichen
Gemeinwesen, das sich von mittelalterlicher Glaubensknechtschaft gelöst
hat, nicht empfangen.
Wenn er nicht von sich aus bereit ist, seinen Staatsbesuch in eine Pastoralreise
umzuwandeln, möchte ich Sie, sehr geehrter Herr Bundespräsident, bitten,
jedenfalls dafür Sorge zu tragen, dass der Papst nicht im Deutschen Bundestag
auftritt. Ich bin überzeugt, dass diese Bitte im Sinne vieler Bürger ist und
vor allem im Sinne unserer Verfassung: In Deutschland gibt es, wie das
Grundgesetz ausdrücklich feststellt, keine Staatskirche und deshalb hat der
Vertreter eines Kirchenstaats im Parlament unseres Landes nichts zu suchen.
Da es sich um eine öffentliche Angelegenheit ersten Ranges handelt, bitte ich
Sie um Verständnis, wenn ich diesen Brief als offenen Brief schreibe. Ihrer geschätzten
Antwort sehen ich und viele ähnlich denkende Mitbürger mit großem
Interesse entgegen. Einen Abdruck dieses Briefes erlaube ich mir, dem Herrn
Bundestagspräsidenten und den Fraktionsvorsitzenden des Deutschen Bundestages
zu übersenden.
Mit freundlichen Grüßen
und staatsbürgerlicher Hochschätzung
gez.: Christian Sailer
Der Brief wurde hier veröffentlicht "Freie Bürger für demokratische Werte"!