1997 erschien der erste Bridget Jones-Band “Schokolade zum Frühstück”, wenige Jahre später Teil 2 (wie zumeist, wenn es so nicht geplant ist, ist Teil 1 besser, aber ich mochte auch Teil 2), beide wurden (gelungen) verfilmt, und nun, nach langer Pause, ist also Teil 3 da.
Au weia. Mein erstes Erschrecken, dass der Band knapp über 500 Seiten umfasst, kam nicht von ungefähr und hat sich wieder einmal bewahrheitet. Auf so vielen Seiten diese Thematik – das kann nicht funktionieren, und das tut es auch nicht.
Liegt es vielleicht daran, dass ich exakt so alt bin wie Bridget? Möglich. Aber auch damit kann ich leider keine Gnade walten lassen.
Die 52jährige (2013) Bridget strotzt vor Klischees und peinlichen Übertreibungen, da ist nichts mehr von der tollpatschigen Liebenswürdigkeit ihrer jüngeren Ausgabe übrig geblieben. Zudem ist so manches auch unglaubwürdig, wie etwa, dass sie, das jahrzehntelange Pummelchen, völlig unmotiviert mittendrin innerhalb kurzer Zeit 20 Kilo abspeckt, sich auch mit “60 Kilo” noch als pummlig darstellt, S. 500: “er hob mich hoch, als wäre ich leicht wie eine Feder, die ich bekanntermaßen nicht bin, es sei denn die Flugfeder einer prähistorischen Riesenflugechse” – hallo, 60 Kilo????? Geht’s noch? Da komme ich mir ziemlich veräppelt vor. Weil sie angeblich auch nach den wenigen Tagebucheinträgen jede Menge kalorienreiches verdrückt. Dazwischen allerdings isst sie wohl gar nicht mehr. Also, sie ist vorgeblich immer noch zu dick, trägt aber String-Tanga. Ernsthaft? Bäh.
Was Humor war, ist zur übertriebenen Klamotte verkommen. Der Zeitbezug ist zu aktuell, womit das Buch nicht zeitlos sein wird. Die absolut gesichtslose Bridget ist zur Klischeetussi verkommen, die Shoppen geht, zum Frisör, zum Waxing, zum Botox, natürlich Yoga, Pilates und wasweißich, sie stellt sich als uralt dar, was sie aber nicht sein will; ich weiß nicht, wie sie aussieht, und nach dem, was sie tut und wie sie sich benimmt, sorry, will ich sie auch ansonsten nicht kennenlernen. Nachdem sie 20 Kilo abgenommen hat, schreibt sie, aha, nächstes Klischee, an einem Drehbuch, nur um das allzu oft durchgekaute irre Filmbusiness zum Thema zu machen. Erzähl uns mal was Neues, Bridget! Und es ist natürlich wahnsinnig lustig, dass “Hedda Gabbler” von “Tschechow” ist. Mal abgesehen davon, ein noch mehr old fashioned Thema ging nicht? (Ach ja, und äh, um was für ein Thema geht es Bridget doch gleich? Wie im übrigen Buch bleibt alles an der Oberfläche.) Hand aufs Herz: Wer von euch erinnert sich an Hedda Gabler? Ich will es gar nicht, weil ich es damals schon sterbenslangweilig fand und weil es in den 70ern schon eine urolle Kamelle war. Und es ist ein Armutszeugnis, wenn sich jemand intensiv damit beschäftigt und das Thema zum Film machen will und nicht mal Titel und Autor genau kennt. Das ist nicht lustig. Das ist traurig.
Was einst innovativ und interessant war, ist abgedroschen und elends langweilig. Dazu kommt mir zu viel – und das ist jetzt im Detail wörtlich zu nehmen, bitte – Pipikackakotzefurz-Thematik, die bis ins letzte Detail ausgearbeitet wird, ach ja, und da waren auch noch die Kopfläuse. Ab und zu habe ich mich ernsthaft gefragt, ob ich zu alt dafür bin. Und vor allem muss ich sagen: So bin ich in gar nichts, weder in meinem Alter, noch in meiner Lebenseinstellung, noch in meinem Verhalten. Ich finde diese überdrehte künstliche Figur nur noch peinlich. Es fehlen die feineren Töne und der Stil einer reifen Frau. Mit dieser Darstellung wird jede Frau in den 20ern mit Panik daran denken, jemals 50 zu werden.
Hinzu kommt: warum hat sie so kleine Kinder? Es ist so viel Zeit vergangen, die könnten bereits im Pubertätsalter sein, was die ganze Sache sehr viel interessanter machen würde. Aber mit den zwei Kurzen kommt noch das Klischee der übertüttelnden hysterischen Mutter dazu, die aber, oh, man merke auf, nur chaotisch ist, immer zu spät zur Schule bringt, ach herrje, das ist halt das, was anders ist an ihr, das mögen wir ja.
Nein, mögen wir nicht. Die Konstellation mit den Kleinkindern ist hirnrissig blöd. Wir mögen auch nicht, dass Bridget den Autoschlüssel suchen muss, weil das so ziemlich 90% aller Leute tun müssen, wir mögen nicht, dass Kopfläuse sich als Thema von Anfang bis Ende durchziehen, weil das einfach eine ganz normale Sache ist, die in Kindergarten und Grundschule gang und gäbe ist, und wir mögen nicht, dass wir jedes noch so unbedeutende Missgeschick bis ins Detail vorhersagen können. Bridget kauft sich einen weißen Mantel, klar ergießt sich Kakao drüber. Bridget hat eine Verabredung mit einem aufregenden jüngeren Mann, klar kackt (da haben wir’s wieder, das Kackethema, das sich noch häufiger durch den Roman zieht als die Kopfläuse, aber trotzdem getoppt wird von Fürzen) ihr ein Vogel auf die Schulter, der Liebhaber übrigens versucht dann, die Kacke vom Busen zu wischen. Aua.
Über 400 Seiten lang ist Bridget eine in ununterbrochenem Selbstmitleid zerfließende Nervensäge. Sie beschäftigt sich nur mit sich selbst und daddelt pausenlos mit SMS (das mit Twitter vergessen wir mal ganz schnell, da habe ich das meiste überblättert), egal wo sie ist und worum es geht, das ist einfach unerzogen. Kann einmal vorkommen, aber hier wird es zum Stilmittel, das ihren Charakter noch mehr verschlechtert. Da gibt es keine Wendungen, keine Überraschungen, alles passiert nach Schema F und sowas von vorhersehbar. Was, frage ich mich, finden der junge Liebhaber und der künftige neue Lebenspartner (der natürlich James Bond ist, drunter tun wir’s nicht) nur an ihr? Bridget ist ätzend. Leider erfahren wir erst nach gut 200 Seiten, wie Mark Darcy umgekommen ist, ein weiteres dramaturgisches Manko, denn sein Tod liegt bei Einstieg bereits 5 Jahre zurück und seine Todesart hat keinerlei Einfluss auf die Handlung. Wir möchten es aber trotzdem gern gleich zu Beginn wissen, damit wir ihn abhaken können.
Erst auf S. 429 dann endlich, endlich! haben wir unsere schrullige, schlagfertige, großherzige und intelligente Bridget wieder, der hie und da ein Missgeschick passiert, die ihrer Umgebung Aufmerksamkeit schenkt, auch wenn sie dabei zerstreut ist (weswegen die Missgeschicke passieren). Sie interagiert, sie setzt sich (zB mit ihrer Mutter) auseinander, sie lässt sich nicht mehr treiben, sondern wird aktiv, und sie wandelt auf Freiersfüßen. Von hier bis S. 471 ist das Buch richtig gut, humorvoll und richtig schön.
Danach wird’s wieder für die gottseidank nur noch wenigen Seiten fad und wir wissen ja, wie es endet, mit Kopfläusen. Ende eines zerrissenen Romans, der aus vielen, vielen Versatzstücken zusammengesetzt wurde, was andere so erlebt haben oder erlebt zu haben glauben und was man unbedingt mit reinnehmen muss, damit es ein zeitgeschichtliches Buch wird, das die Gesellschaft aufs Korn nimmt.
Helen Fielding wäre besser sich selbst treu geblieben, denn da ist ja immer noch was, wie man auf S. 429-471 erlebt. Vielleicht hat es einfach zu lange gedauert, bis die Geschichte geschrieben wurde. Schade.