Was wäre wohl geschehen, wenn sich der deutsche Philosoph Friedrich Nietzsche und der österreichische Arzt Josef Breuer im Jahre 1882 begegnet wären? Diese Geschichte erzählt uns Irvin D. Yalom in seinem Roman Und Nietzsche weinte, der neben vielen fiktiven Inhalten dem Leser auch einige authentische Personen, Briefe und Zusammenhänge beschert.
Yalom schafft es, Romanleser und Freunde der Psychologie gleichermaßen auf ihre Kosten kommen zu lassen, denn er erzählt einerseits die Geschichte zweier verzweifelter Männer, die auf die Hilfe des jeweils anderen angewiesen sind und berichtet andererseits von der Erfindung der Psychotherapie (auch wenn sie so nie stattfand). Man erhält Einblick in das Seelenleben des Menschen und stolpert immer wieder über Fragen, Überlegungen und Gedanken, die dem Leser aus dem eigenen Leben bekannt sein dürften. Liebe, Freundschaft, Selbsterkenntnis - dies alles sind nur Bruchteile der Themen, die Nietzsche und Breuer während ihrer Gespräche anschneiden und analysieren. Immer wieder will man zum Stift greifen und wichtige Ergebnisse ihrer Untersuchungen markieren - sind sie doch so bedeutend und zeitlos.
Die erste Hälfte des Buches erwies sich noch als etwas schwierig, da hier besonders Breuers medizinische Arbeit im Fokus stand und Nietzsche erst einmal überredet werden musste, sich dem Experiment anzuschließen. Doch kaum hatte man diese Seiten hinter sich und die beiden (gleichermaßen) Patienten und Ärzte sich gegenüber, so schwindet der Anteil der Langatmigkeit. Man muss sich sicherlich ein wenig für Psychologie, Traumdeutung etc. interessieren, um wirklich Gefallen an diesem Buch zu finden, aber sofern dieses Interesse vorhanden ist, sollte dem fesselnden Leseerlebnis nichts mehr im Wege stehen. Da Yalom selbst Psychoanalytiker ist, weiß er, wovon er spricht, und das merkt man auf jeder Seite des Romans.