Bretagne 2015 – Vorbereitung: Von Mietwagen, Reiseproviant und Packerei

Von Christianhanne

Heute Morgen steht die größte Aufgabe vor dem Urlaub bevor (abgesehen von dem Badehosenkauf, den ich gestern erfolgreich hinter mich gebracht habe): das Abholen des Mietwagens! Die Freundin und ich fahren beide nur sehr selten Auto. Und sehr ungern. Und besonders ungern in der Großstadt.

Für die Fahrt vom Autoverleih quer durch die Stadt zu unserer Wohnung ist die Freundin auserkoren. Sie ist nämlich die routinierter Fahrerin von uns beiden (Möglicherweise ist sie sogar die bessere Autofahrerin, aber das möchte ich hier nicht so leichtfertig schreiben, da es unter Umständen in Zukunft zu ungünstiger Gelegenheit gegen mich verwendet werden könnte.). Sie ist sozusagen von uns beiden die Einäugige und ich der Blinde. Eine etwas befremdliche Formulierung im Zusammenhang mit Autofahren, aber in unserem Fall recht zutreffend (Vielleicht sollten Sie zu Ihrer eigenen Sicherheit morgen besser die Autobahnen zwischen Berlin und Bonn und übermorgen zwischen Bonn und der Bretagne großräumig umfahren.).

Bei der Autovermietung sind die Formalitäten erfreulich schnell geregelt und ein älterer Mitarbeiter präsentiert uns stolz unseren fahrbaren Untersatz für die nächsten zweieinhalb Wochen: einen silbernen KIA-Kombi. Bitte fragen Sie mich nicht nach dem genauen Modell, der Hubraumgröße, der PS-Stärke oder anderem technischen Schnick-Schnack. So etwas kann ich mir nicht merken und es ist mir im Gegensatz zu 96,4 Prozent der Männer auch egal. Vermutlich ein Defekt auf meinem Y-Chromosom.

Würden Sie diesem Mann ein Auto leihen? Ich auch nicht.

Der Mann fordert uns auf, das Auto auf etwaige Schäden zu untersuchen. Interessiere mich nicht sonderlich für mögliche Macken und Kratzer – was auch mit der Vollkaskoversicherung ohne Selbstbeteiligung, die wir abgeschlossen haben, zusammenhängt –, sondern inspiziere lieber gründlich das Fassungsvermögen des Kofferraums. Der scheint mir unnatürlich klein zu sein. Frage mich, ob es physikalisch möglich ist, drei Kubikmeter Reisegepäck in zweieinhalb Kubikmetern Kofferraum unterzubringen. Das könnte problematisch werden. Oder, wie wir Kommunikationsberater beschönigend zu sagen pflegen: Das könnte eine Herausforderung darstellen.

Erkundige mich bei dem Mitarbeiter, ob gegen einen kleinen Aufpreis ein Harry-Potter-Ausdehnungszauber möglich wäre, um das Kofferraumvolumen zu vergrößern. Der Mann schaut mich fragend an. Es scheint ihm an Phantasie und Problemlösungskompetenz zu mangeln. Schnell drückt er uns die Autoschlüssel in die Hand und verzieht sich.

Machen uns dann auf den Weg und die Freundin steuert das Auto souverän durch den Großstadtverkehr, als täte sie tagtäglich nichts anderes. Um sie zu unterstützen und um mich auch als Beifahrer ein ganz klein wenig männlich zu fühlen, übernehme ich das Beschimpfen der anderen Verkehrsteilnehmer.

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Gehe nachmittags mit der Freundin und den Kindern los, um den Reiseproviant zu besorgen. Ein nicht zu unterschätzender Teil der Urlaubsvorbereitung, denn die konstante Nahrungszufuhr ist essenzielle Voraussetzung für gute Laune und allgemeines Wohlempfinden auf einer mehrstündigen Autofahrt. Insbesondere wenn Kinder mit an Bord sind.

Laufen ungefähr eine Stunde durch den Supermarkt wie im Fieberwahn mit den wichtigsten Lebensmitteln für die Anreise:

  • 12 Flaschen Wasser, 6 Flaschen Cola, 6 Flaschen Apfelsaftschorle: eine Dehydration sollte somit ausgeschlossen sein
  • 1 Laib Toastbrot, mehrere Packungen Sandwich-Käse, Schinken, Salami, Salat, Ketchup und Mayonnaise: wichtige Zutaten für Sandwiches, die Basis unserer Reiseverpflegung
  • Salami-Sticks, Käse-Sticks, Käse-Würfel: schnelle Notration bei plötzlich auftretender Unterzuckerung
  • 1 Tüte Milchbrötchen, 1 Becher Schoko-Aufstrich: süße Frühstücksration
  • 1 Packung Margarine, 1 Päckchen Butter: als Geschmacksträger nicht zu verachten
  • Äpfel, Bananen, Kirschen: Alibi-Obst, falls Nachbarn uns beobachten, wie wir den Proviant ins Auto tragen
  • Tomaten, Gurken, Paprika: diese müssen für die Fahrt besonders gut und kühl verpackt werden, damit sie die 16-stündige Autofahrt unbeschadet überstehen und am ersten Tag am Urlaubsort im Salat verarbeitet werden können
  • 2 Tüten Chips, 1 Packung Salzstangen und 1 Dose Erdnüsse: wichtig für die Elektrolyte (wer ‘Herr Lehmann’ von Sven Regener gelesen hat, weiß wovon ich schreibe)
  • 1 Packung Haribo ‚Greatest Hits‘, 2 Packungen ‚Fun Kekse‘, 1 Paket Kakao-Waffeln, 1 Paket Creme Cookies, 1 Paket Chocolote Cookies: Nerven-Nahrung für zwischendurch
  • 2 Tafeln Schokolade, 2 Tafeln Kinder-Riegel und 2 Tüten Schoko-Bons: Diese müssen immer direkt zu Beginn der Fahrt gegessen werden, weil sie sonst schmilzen. Deswegen kaufen wir davon immer die doppelte Menge, weil das Zeug so schnell weg ist. Bitte versuchen Sie nicht, irgendeine Logik hinter diesem Verhalten zu erkennen. Es geht um Schokolade und damit um Emotionen, nicht um Ratio.

Ihnen mag unsere Lebensmittelzusammenstellung vielleicht als unangemessen viel und geradezu vulgär vorkommen. Aber Sie sollten bedenken, dass es wissenschaftlich erwiesen ist, dass der Kalorienbedarf auf langen Urlaubsanreisen um ein vielfaches höher als im normalen Alltag ist. Ungefähr vergleichbar mit der Teilnahme an einem Ironman auf Hawaii, wo die Sportler fast vier Kilometer schwimmen, 180 Kilometer auf dem Rad zurücklegen und dann noch abschließend einen Marathon laufen. Der Kalorienbedarf für unsere zweitägige Anreise berechnet sich nach folgender Formel:

1.650 Kilometer x 16 Stunden Autofahrt x 4 Personen = 105.600 Kalorien

Schaue in den Wagen und hole sicherheitshalber noch ein Päckchen Frikadellen, einen weiteren Laib Toastbrot sowie zusätzliche Käse-Sticks. Das sollte nun reichen.

Bezahlen an der Kasse einen Betrag, der ungefähr der Miete für das Ferienhaus in der Bretagne entspricht, und schleppen unsere Einkäufe beladen wie zwei nepalesische Sherpas nach Hause.

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Nachdem wir uns vom Einkaufen erholt haben, packen wir alle Sachen für die Reise zusammen. Die erste Hürde besteht darin, die Koffer, Taschen und Rucksäcke aus der staubigen Ecke im Schlafzimmer hervorzukramen. Eine Aufgabe die mir obliegt, da ich alles penibelst auf Spinnen absuchen muss. Es ist doch erstaunlich, wieviel Schmutz und Spinnweben sich in einem Jahr ansammeln. Sieht ein wenig aus wie bei ‚Indiana Jones und der letzte Kreuzzug‘. Finde aber leider nicht den Heiligen Gral, sondern nur bretonischen Sand vom letzten Jahr.

Dann geht die Packerei endlich los. Wir tragen Klamotten, Jacken, Schuhe, Handtücher und Bettwäsche von einem Zimmer ins andere und wieder zurück; wir stopfen Hygiene- und Haushaltsartikel wahllos in Tüten und Taschen; wir richten unzählige Bücher, Spiele und Malsachen, räumen sie wieder weg und holen sie erneut hervor; wir suchen diverse Ladekabel, wissen nicht, wo sie sind, fluchen und finden sie schließlich doch noch verteilt in der ganzen Wohnung; wir stapeln Strandspielzeug auf Badetücher auf Strandzelte. Es wird gestöhnt, geschwitzt, gestritten, mit den Augen gerollt, wieder vertragen und gelacht. Da das alles ziemlich anstrengend ist, essen wir schon mal ein paar von den Keksen.

Da das Kofferpacken schon zur Urlaubsreise gehört, ist es konsequent, dabei erste Teile des Proviants zu essen. (*mit vollem Mund getippt)

— Familienbetrieb (@Betriebsfamilie) 16. Juli 2015

Nach knapp zwei Stunden haben wir endlich alles beisammen. Wie jedes Jahr stellt sich die Frage, ob es nicht doch ratsam gewesen wäre, für den Urlaub einen 7,5-Tonner zu mieten.

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Zum Abendessen gibt es Pizza und wir halten Familienrat ab. Es geht um die wichtige Entscheidung der Musik- und Hörspielauswahl für die lange Autofahrt. Dabei geht es härter zu als bei politischen Koalitionsverhandlungen und der ein oder andere Kuhhandel muss eingegangen werden. Die Kinder wollen ‚Die drei Ausrufezeichen‘- und ‚TKKG‘ mitnehmen, die Freundin und ich legen ein Veto ein, da wir fürchten beim Hören ins Wachkoma zu fallen. Wir schlagen ‚Element of Crime‘ und ‚Maximo Park‘ vor, die Kinder sind dagegen, weil das Erwachsenenmusik und total langweilig sei.

Mit Müh‘ und Not können die Freundin und ich die ‚Hits vom Fritz‘ von Fredrik Vahle durchsetzen, müssen dafür aber die ‚Ritter Rost‘-CDs opfern und den Kindern zwei Folgen ‚Teufelskicker‘ zugestehen. Die Tochter will Cro mitnehmen, der Sohn bringt Helene Fischer ins Spiel. Die elterliche Geschmackspolizei verbietet beides. Daraufhin wollen die Kinder beide einen iPod, was in der Kürze der Zeit aber nicht möglich ist. Was die beiden auch verstehen. Nachdem wir es ihnen lang und breit erklären. Mehrmals. Die ‚Nena – Best of‘-CD ist massenkompatibel genug und wird von allen Familienmitgliedern akzeptiert.

Nena. Trifft den familiären Massengeschmack.

Nach dem harten Feilschen sind wir alle erschöpft und gehen ins Bett.

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