Wache morgens auf und ein Blick aus dem Fenster und auf die Wetter-App zeigen: der bretonische April geht weiter. Nach dem gestrigen verregneten Tag gibt es heute strahlenden Sonnenschein. Der Strand ruft!
Esquibien. Morgenidyllisch.
Aber vor das Badevergnügen hat der Urlaubsgott die obligatorische Fahrrad-Berg-Tour zum Bäcker gesetzt. Fröhlich pfeifend radle ich mit leichtem Tritt von Hügel zu Hügel gen Audierne.
„Like a Rolling Stone“ – Lieder, die ich singe, wenn ich mit dem Rad durch die bretonische Hügellandschaft fahre.
— Familienbetrieb (@Betriebsfamilie) 25. Juli 2015
Bitte glauben Sie nicht den Gerüchten, dass ich mich keuchend und rotgesichtig über die Berge mühe. Das sind böswillige Unterstellungen, um meinen guten Ruf zu schädigen. Dass ich gar keinen guten Ruf habe, ist übrigens ebenfalls eine böswillige Unterstellung.
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In Audierne ist heute Markttag. Anscheinend ein Ereignis von größter gesellschaftlicher Bedeutung allenfalls vergleichbar mit royalen Hochzeiten und Taufen in Großbritannien. Schon lange bevor der Markt öffnet, stehen Massen von Audierner ungeduldig mit großen Einkaufstaschen vor den Ständen. Ein wenig wie in der DDR, wenn es mal ausnahmsweise Zitrusfrüchte gab. Gut, ich komme nicht aus der DDR und war auch nie in der DDR, so dass ich die langen Schlangen vor den Einkaufshallen gar nicht kenne. Aber für eine billige Pointe bin ich mir ja nie zu schade. Eventuell auch nicht gerade zuträglich für meinen guten Ruf.
Nehme mir die Zeit und schlendere ein wenig über den Markt, als dieser schließlich öffnet. Da macht man sich übrigens sehr beliebt, wenn man ein Fahrrad durch die Menschenmengen schiebt. An den Marktständen wird eine bunte Mischung aus landestypischen kulinarischen Lebensmitteln und Speisen angeboten: Obst, Gemüse, bretonischer Honig, Fleur de Sel, regionale Fleischprodukte und (hoffentlich) frisch gefangener Fisch. Wobei ein Seeteufel, der einen mit offenem Mund und glupschigen Augen anstarrt, nicht gerade appetitanregend wirkt. Werde das zum Glück bis zum Frühstück wieder vergessen haben.
Dorf-Ekstase: Markttag in Esquibien.
Außerdem gibt es an anderen Ständen von lokalen Künstlern Werke von zweifelhafter Qualität und Schönheit. An wiederum anderen Ständen werden Klamotten von noch zweifelhafterer Qualität und Schönheit angepriesen.
Ein Stand erregt besonders meine Aufmerksamkeit. Dort wird modische Body-Shaping-Unterwäsche verkauft. Die ist für einen Urlaub, in dem man sich in punkto Ernährung etwas gehen lässt, nicht unpraktisch. Allerdings kann man so etwas natürlich nicht seiner Freundin mitbringen, ohne zu riskieren, dass sie zur Ex-Freundin wird. Für mich selbst fände ich so eine Unterhose aber auch ein gute Sache. Nur, was heißt auf Französisch: „Haben Sie auch moderne und schicke Männermodelle im Sortiment?“ Wenn ich diesen Satz hinbekomme, könnte ich gleich beim Bäcker noch ein paar Croissants mehr und zusätzlich einige Küchlein kaufen.
Apropos Bäcker! Den hätte ich fast vergessen. Die anderen warten bestimmt schon auf mich. Und auf die Baguettes. Gehe daher zügig zu einem Marktstand, der Backwaren anbietet. Alles Bio. Und alles sieht aus wie Bio-Brot aus den 80er Jahren. Trocken, staubig und unlecker gesund. Habe in den letzten Tagen am Strand Sandkuchen gebacken, der frischer und saftiger aussah.
Suche deswegen lieber einen meiner Stammbäcker auf, wo ich wieder ein köstliches Brioche-Brot kaufen möchte. Die Verkäuferin erkennt mich gleich und packt mir sofort den kompletten Brioche-Laib ein, bevor ich meine Marcel-Marceau-Pantomimen-Show durchziehen muss.
Fahre glücklich und beschwingt nach Hause. Die Freundin nimmt mich und die Backwaren in Empfang und sagt, sie habe sich schon gewundert, wo ich so lange bleibe und dachte ich sei mit der Bäckerin durchgebrannt. Lache und versichere ihr, dass sie diesbezüglich keine Sorgen haben muss. Verzichte darauf, sie zu erinnern, dass ich stattdessen die Macarons-Verkäuferin in Quimper ehelichen werde.
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Nach dem Frühstück bereiten wir uns auf den Strand vor. Eincremen, Badezeug richten und Proviant zusammenstellen.
Bild von Strand-Baguettes. Immer noch nicht gut genug für Instagram.
Heute fahren wir nicht an den Surfer-Strand von Plouhinec mit den großen Wellen, sondern an den nahegelegenen Strand von Esquibien mit den weitläufigen Liegebereichen, dem flachen Meereseinstieg und den kinderfreundlichen Wellen, der Erholung und Entspannung verspricht. Oder wie die Kinder sagen: Wir gehen an den Langweiler-Srand.
Nachdem wir uns ein wenig ausgeruht haben, kommt der Bonner Freund auf die Idee, Frisbee zu spielen. Mit den Kindern. Wie so ein Anfänger.
Alles, was ich über Frustrationstoleranz weiß, habe ich am Strand beim Frisbeespielen mit meinen Kindern gelernt.
— Familienbetrieb (@Betriebsfamilie) 25. Juli 2015
Die Frisbee-Scheibe fliegt unkontrolliert durch die Gegend und wir müssen permanent über den halben Strand laufen und uns bücken, um die Scheibe vom Boden aufzuheben. Nach kurzer Zeit verlieren die Kinder die Lust und spielen etwas anderes.
Das gibt dem Bonner Freund und mir die Möglichkeit, uns noch ein wenig alleine die Frisbeescheibe zuzuwerfen. So viel Geschmeidigkeit, Eleganz und Anmut gab es in Esquibien schon lange nicht mehr zu bestaunen. Außer vielleicht in der letzten Woche als ein Zirkus im Ort gastierte, dessen Hauptattraktion eine große Elefantennummer war. Von der Freundin und der Bonner Freundin wehen Wortfetzen zu uns hinüber, die sich wie „Seekuh-Ballett“ anhören. Habe mich da aber sicherlich verhört.
Allmählich werfen der Bonner Freund und ich uns in einen wahren Rausch und versuchen uns in immer artistischeren und waghalsigeren Würfen und Fang-Moves. Es kommt, wie es kommen muss: Lande bei einem Hechtsprung, der meinen Ruf als Moabiter Mops festigt, krachend auf meinen Rippen.
Gehe zur Freundin und klage ihr mit schmerzverzerrtem Gesicht mein Leid. Sie sieht das Ganze wie immer nüchtern-pragmatisch und schlägt eine Notschlachtung vor. Dann hätten wir auch schon etwas zum Grillen für heute Abend. Erwidere scherzhaft, dass sei vielleicht nicht so ratsam, man solle ja nicht so fett essen. Anstatt zu sagen, ich solle doch nicht immer mit meinem angeblichen Übergewicht kokettieren, lacht sie laut auf. Sehr laut sogar. Fast schon vulgär. Schlimm, was für Personen sich am Strand von Esquibien herumtreiben.
Nutze den Rest des Strandbesuchs, um zu lesen, und verneine jegliche Fragen des Sohns nach gemeinsamen Bewegungsaktivitäten („Papa, spielst du mit mir Fußball?“, „Papa, wollen wir klettern gehen?“ „Papa, magst du mit ins Wasser kommen?“, „Papa, willst du mit mir Boccia spielen?“) mit bedauerndem Dackelblick und Verweis auf meine schmerzende Schulter.
Leichter Strandproviant.
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Vom Strand fahren wir zum Supermarkt, um Einkäufe für das Abendessen zu erledigen. Wenig überraschend nutzen wir das gute Wetter, um wieder zu grillen. Der Metzger an der Fleischtheke begrüßt uns mit Freudentränen in den Augen, da wir zu seinen neuen Umsatzbringern zählen. Bekomme trotzdem keine kostenlose Wurstscheibe. Doof!
Mache mich dann erneut auf die Suche nach dem furzenden Spielschwein, das die Kinder beim ersten Besuch im Supermarkt gefunden haben. Der Tipp einer Leserin erwies sich als richtig und ich finde besagtes Schwein in der Hundeabteilung. Und es ist immer noch großartig. Ja, ich habe ein einfach gestricktes Gemüt (sogar ein sehr einfach gestricktes Gemüt).
Der Plan ist nun, ein paar der blähenden Säue gegen Ende des Urlaubs für die Kinder als Erinnerung zu kaufen. Niveauvoller wird es wohl nicht mehr bei uns.
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Werde auf dem Weg zur Kasse von einer Promotion-Frau von ‚Bonne Maman‘ angesprochen, die Rabatt-Coupons verteilt. Wenn ich den Coupon richtig verstehe, erhalte ich beim Kauf eines ‚Pommes Tatin‘ im Wert von 1,79 Euro einen Nachlass von 30 Cent. Bin begeistert. Erstens, weil ich gerne Apfelküchlein esse, und zweitens, ob dieser genialen Sparmöglichkeit.
Erkläre der Freundin geradezu ekstatisch, dass wir nur 1.000 der Küchlein kaufen müssten, um 300 Euro zu sparen. Damit hätten wir dann für die zweite Woche die Supermarkteinkäufe raus. Die Freundin schaut mich an, als ob ich heute zu lange in der Sonne gelegen habe (was wahrscheinlich stimmt). Sie schlägt vor, ich solle lieber etwas Vitamin-A-haltiges kaufen, das sei nämlich gut für mein Gehirn.
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Abends frönen wir dem bretonischen Grillgut, den alkoholischen Getränken und einigen Verdauungskeksen.
Darf ich vorstellen? Hugo.
Dann schlägt der Bonner Freund vor, wir könnten morgen früh ins benachbarte Pont Croix joggen, eine Strecke von insgesamt 16 bis 17 Kilometern. Willige ohne zu zögern ein. Habe nämlich vorhin die Wetter-App konsultiert. Die Regenwahrscheinlichkeit liegt bei 85 Prozent mit Windböen von 60 km/h. Das muss ja auch mal für etwas gut sein.
Regenbogen. Topf voll Gold fehlt. Leider.
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