Bremen: Schnüre, dicke Touristen und ein gerettetes Viertel

Bremen: Schnüre, dicke Touristen und ein gerettetes Viertel

Street-Art satt: satt junge Frau steht vor einer bunt besprayten Graffity-Wand im Viertel (Steintor) in Bremen und schaut auf ihr Handy, Foto: Robert B. Fishman

Bremen. In Bremen war ich zuletzt vor mehr als 30 Jahren. Damals habe ich dort Freunde besucht, die kurz danach in die USA ausgewandert sind. Von der Stadt habe ich wenig gesehen.  Meist hat es geregnet. Ich erinnere mich an hässliche Nachkriegsbauten, Stadtautobahnen und das Steintor- und Ostertorviertel, das sie in Bremen nur noch das Viertel nennen. Am Ostrand der Innenstadt war es damals der alternative Kiez mit vielen Altbauten, die Hausbesetzer vor dem Abriss gerettet hatten, Dönerbuden und ausgefallenen Kneipen. Wie sich die Zeiten auch in Bremen verändert haben, erfahre ich auf einer Stadtführung vor Beginn des Reiseblogger-Barcamps.   Aus vielen politisch Aktiven von einst wurden Hausbesitzer, die die alten Bremer Kaufmannshäuser restauriert haben. „Hier zahlst Du inzwischen Mieten von bis zu 17 Euro den Quadratmeter und manchmal mehr“, berichtet  Stadtführer Pierre Demirel auf seiner Tour durch das Viertel. Einige der einst legendären Kneipen wie die Schänke oder der „Schuster“ haben den Wandel überlebt, ebenso das alternative Kulturzenrum „Lagerhaus“.

Pierre, der den Kiez gut kennt und mit Feuereifer dabei ist, erzählt uns, dass ein Schuster vor 160 Jahren angefangen hat, an seine auf ihre Schuhe wartenden Kunden Bier ausgeschenkt hat. Irgendwann hat er mit dem Ausschank mehr verdient, als mit seinem Beruf. So wurde er Wirt und seine Werkstatt zur Kneipe „Zum lustigen Schuster“. So heisst die Wirtschaft immer noch.

Cantina Weinhandel:

Cantina Essbar und Weinhandel in Bremen

Vor der „Weinhandlung Cantina“ entdeckt uns die Inhaberin, kommt heraus und freut sich über unser Interesse. Ihr macht ihr Job sichtbar Spaß. In einer Seitenstraße bietet uns eine Anwohnerin eine kostenlose Führung durch ihr restauriertes Haus an. Sie zieht gerade weg, weil sie mehr Platz braucht.

Vor einem der letzten heruntergekommenen Altbauten, der gerade renoviert wird, packt Pierre eine Zeitschrift aus. Auf einem Foto zeigt er uns, was die Stadt mit dem Viertel in den 1960er Jahren vor hatte. Ein Autobahnkreuz sollte den Kiez durchschneiden, die meisten der traditionellen Bremer Häuser aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert der Abrissbirne zum Opfer fallen. Bis in die 80er Jahr wehrten sich die Anwohner und Aktivisten von außerhalb gegen diesen Wahnsinn.

Am Sielwall kommen wir am angeblich ältesten Sexshop Deutschlands vorbei. „Das hieß früher Ehehygiene“, erzählt Pierre lachend. Gegenüber beginnt hinter einer Mauer die Helenenstraße. Anfang des 20. Jahrhunderts wollte die Stadt hier die Prostitution auf einer Straße zusammenfassen. Bis heute haben Frauen (außer die, die dort arbeiten) angeblich keinen Zutritt.

Bremen: Schnüre, dicke Touristen und ein gerettetes Viertel

Stadtführer Pierre geht durch die an der engsten Stelle 53 Zentimetern schmale Gasse im Schnoorviertel in der Altstadt Bremen, 21.4.2017, Foto: Robert B. Fishman

Zurück in der Innenstadt entdecken wir Bremens ältesten Stadtteil Schnoor (kommt wahrscheinlich von Schnur, weil hier einst wie auf der Reeperbahn in Hamburg die Seiler ihre Taue herstellten). Durch die engste Gasse passe ich gerade noch durch. Sie misst an der schmalsten Stelle 53 Zentimeter. Vor Jahren hätte die Feuerwehr einen dicken Touristen mit dem Vorschlaghammer daraus befreien müssen. Er habe seinen Umfang unterschätzt und sei stecken geblieben. Die Retter mussten ein Stück der Mauer abschlagen, um ihn zu erlösen. Anschließend erhielt der Mann die Rechnung für den Schaden an dem denkmalgeschützen Haus.

Bremen: Schnüre, dicke Touristen und ein gerettetes Viertel

Stadtführer Pierre Demirel zeigt im Steintorviertel vor einem in der Sanierung befindlichen Haus die Pläne aus den 60er Jahren für das Viertel. Eine Autobahn sollte demnach das Steintor- und Ostertorviertel durchschneiden, 21.4.2017, Foto: Robert B. Fishman

Bremen: Schnüre, dicke Touristen und ein gerettetes Viertel

gestapelter alter Hausrat vor einem historischen Reihenhaus im (Ostertor)-Viertel in Bremen, 21.4.2017, Foto: Robert B. Fishman

Bremen: Schnüre, dicke Touristen und ein gerettetes Viertel

Street Art Graffito im Viertel (Steintor) in Bremen, 21.4.2017, Foto: Robert B. Fishman

Bremen: Schnüre, dicke Touristen und ein gerettetes Viertel

Putto-Figur mit Sonnenbrille an einer Altbau-Hauswand im Viertel (Steintor) in Bremen, 21.4.2017, Foto: Robert B. Fishman

Bremen: Schnüre, dicke Touristen und ein gerettetes Viertel

Eingang zur Rotlichtmeile Helenenstrasse in Bremen, 21.4.2017, Foto: Robert B. Fishman

Bremen: Schnüre, dicke Touristen und ein gerettetes Viertel

,historisches Ladengeschäft eingerichtet im Jugendstil am Sielwall im Viertel (Steintor) in Bremen, 21.4.2017, Foto: Robert B. Fishman

Bremen: Schnüre, dicke Touristen und ein gerettetes Viertel

Wandbild Chamäleon am Ostertorsteinweg, Eingang zum Viertel (Ostertor) in Bremen, 21.4.2017, Foto: Robert B. Fishman

Bremen: Schnüre, dicke Touristen und ein gerettetes Viertel

Schaufenster eines Erotik-Ladens am Sielwall im Viertel in Bremen, 21.4.2017, Foto: Robert B. Fishman

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lebensgroße Loriot-Figur sitzt auf einer Parkbank in den Wallanlagen am Loriotplatz in Bremen, 21.4.2017, Foto: Robert B. Fishman

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Kultkneipe Die Schänke im Viertel in Bremen, 21.4.2017, Foto: Robert B. Fishman

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Kulturzentrum Lagerhaus im Viertel (Steintor) in Bremen, 21.4.2017, Foto: Robert B. Fishman

Bremen: Schnüre, dicke Touristen und ein gerettetes Viertel

Kopfsteinpflastergasse und alte Häuser im Altstadtviertel Schnoor in Bremen, 21.4.2017, Foto: Robert B. Fishman

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