“Brautalarm”-Antwort für Männer: “Die Trauzeugen”

Erstellt am 13. Juni 2012 von Denis Sasse @filmtogo

© Concorde Film / Kris Marshall, Tim Draxl, Xavier Samuel & Kevin Bishop (v.l.n.r.)

Erinnert sich noch jemand an die unschuldige Sandy Olsson, die im Sommer 1959 an die Rydell High School kam um dort mit Danny Zuko ein unvergleichliches Musical-Gespann zu bilden? Mit ihren Rollen in dem 1978er Film „Grease“ wurden John Travolta und Olivia Newton-John zu Vorbildern einer ganzen Generation. Hoffen wir, dass das Newton-John nicht noch einmal passiert. Denn in der australisch, britischen Co-Produktion „Die Trauzeugen“ schwirrt sie als abgedrehte Mutter mit Hang zum Champagner und Kokain über die Tanzfläche. Der Film soll der „Brautalarm“ für Männer sein und schafft es dank Drehbuchautor Dean Craig, der vor fünf Jahren den Geheimtipp „Sterben für Anfänger“ schrieb, dieses Vorhaben auch einzuhalten.

Und Mia (Laura Brent) steht es da Olivia Newton-John, die als ihre Mutter Barbara zu sehen ist, in nichts nach. Auch sie verliebt sich bei einem Urlaubsflirt und lässt sich nach wenigen Tagen Bekanntschaft auf die Ehe mit David (Xavier Samuel) ein. Dieser überredet seine britischen Kumpels, als Trauzeugen bei seinem großen Tag dabei zu sein und mit ihm in den Flieger nach Australien zu steigen, wo Mia und ihre Familie leben. Aber kaum dort angekommen, treffen mit seinen Freunden und ihrer Familie zwei Welten aufeinander, die dafür sorgen, dass die Hochzeit wahrlich ein unvergesslicher Tag für das Brautpaar wird.

Laura Brent, Olivia Newton-John & Rebel Wilson (v.l.n.r.)

„Warte, bis du meine Familie kennenlernst“, der schlimmste Satz dem man seinem Partner mit auf den Weg geben kann. Und irgendwie hält jeder die eigene Familie für die schlimmste Anhäufung von skurrilen Individuen auf der ganzen Welt. Im Falle von David und Mia mag das sogar zutreffen, Drehbuchautor Dean Craig hat erneut eine bunte Truppe aus exzentrischen Charakteren auf der Leinwand zusammen gebracht, die sich nun nicht auf der Beerdigung eines geliebten Familienmitgliedes, wie es in „Sterben für Anfänger“ der Fall war, sondern zu einer Hochzeit zusammenfindet. Dabei kann immer noch eine Menge schief gehen, wie „Die Trauzeugen“ beweist. Den Hauptfokus legt der Film dann aber nicht auf die Menschen, sondern auf einen armen Schafbock, der mehr Grausamkeiten über sich ergehen lassen muss, als manch ein Darsteller dieser grotesken Zusammenkunft. Nur Schade, dass der geübte Genre-Fan schnell sieht, wo die Witze herkommen. Das schon fast vergewaltigte Schaf wird sich denselben Psychiater nehmen wie Mike Tysons Tiger in „Hangover“, der dritte „American Pie“-Film liefert die Hochzeitsvorlage samt neidisch, nervigen besten Kumpel. Ein freundschaftsbedürftiger Drogenhändler, der die Clique auf der Hochzeitsfeier heimsucht, erinnert an den erst kürzlich gestarteten Party-Overkill „Project X“. Nichts Neues also auf der Leinwand und doch schafft man es ein unterhaltsames Chaos zu kreieren, das durch eine schnelle Aneinanderreihung von verschiedensten Scheiß-Situationen das Tempo hochhält und somit einen lückenlosen Komik-Pegel vorweist.

Tim Draxl hat Spaß mit dem Schaf

Allerdings auch erst dann, wenn die Hochzeit bereits vorüber ist. Der Film braucht seine Zeit um in Fahrt zu kommen, eher seicht bereitet man das große Tohuwabohu vor, bei dem nicht nur Schaf und Drogendealer eine Rolle spielen sollen. Wenn das Ja-Wort erst einmal gefallen ist, zeigt man sorgsam die Psychosen der Figuren: vom Käseallergiker über Herzschmerz-Heulsuse bis hin zum machomäßigen Superangeber auf der einen Seite und einem politisch überengagierten Papa, der übergewichtigen Lesbenschwester – passenderweise von Rebel Wilson aus „Brautalarm“ verkörpert – und Mama Olivia Newton-John auf der anderen Seite. Trotzdem wirkt es dann doch etwas ungeschickt, dem Schaf das Rampenlicht zu überlassen. So sehr sich die Witze auch ausbreiten, alles führt zu dem lieben Tierchen zurück, das recht brav im Bild steht und sich schminken, Drogenkondome aus dem Popo ziehen oder sich aus dem zweiten Stock abseilen lässt. Aber es gibt auch romantische Untertöne, wie die „Romeo & Julia“-Geschichte zweier Menschen, deren Familien sich eher gegen den Fremdkörper sträuben. Hier nimmt das Ganze natürlich keinen tödlichen Ausgang, sondern viel mehr werden die Werte von Familie und Freundschaft mit dem moralischen Zeigefinger gepredigt. So muss sich der patriarchale Vater von Mia irgendwann den Mund verbieten lassen und vor einer Gemälde-gleichen Landschaftsaufnahme Australiens zelebrieren die vier Freunde David, Tom (Kris Marshall), Graham (Kevin Bishop) und Luke (Tim Draxl) ihre enge Familienbande.

„Die Trauzeugen“ zeigt ein herrlich überdrehtes, dafür aber bereits oft gesehenes Komödienhandwerk. Mehr als in anderen Filmen merkt man den Ideenklau, darf sich darauf aber gerne einlassen, gerade wenn man Olivia Newton-John noch aus „Grease“-Zeiten kennt und nun altgeworden, aber weitaus Alkohol- und Drogensüchtiger erleben möchte. Die vier Freunde werden derweil von eher unbekannten Gesichtern verkörpert – vielleicht wäre es mit gestandenen Hollywoodgrößen zum Komödien-Blockbuster geworden. Dafür muss man wohl auf ein potentielles amerikanisches Remake warten. Bis dahin bietet aber auch die australische Version ein gutes Potpourri des Genres Komödie.

Denis Sasse


”Die Trauzeugen”