Zuerst veröffentlicht in «Zürich 2» vom 15. März 2018
Jede Woche tagt der Zürcher Gemeinderat – bald in neuer Zusammensetzung. Doch was sich trotz Parteienrochade nicht ändern dürfte, ist die Flut von schriftlichen Anfragen, Postulaten oder Interpellationen, mit denen die Volksvertreterinnen und Volksvertreter Woche für Woche den Stadtrat eindecken.
SPler Florian Utz wollte mit 35 Mitunterzeichnenden im Januar unter anderem wissen, ob der Stadtrat bereit sei, dafür zu sorgen, dass das Tiefbau- und Entsorgungsdepartement (TED) «inskünftig keine Glasflaschen auf Velowegen mehr zerschlägt». Hintergrund war ein Artikel im «Beobachter» gewesen. Notabene hatte es sich das TED zwar in einer öffentlichen Stellungnahme geäussert, aber die Antwort befriedigte die Wissbegierde der Politiker offenbar nicht.
Noch stärker die Augen reiben musste ich mir wegen einer Anfrage der beiden Grünen-Politiker Gabriele Kisker und Markus Knauss. Sie stellten zehn sehr lange Fragen wegen der Rahmenbewilligung des Formel-E-Rennens. Dies, obwohl der Stadtrat kurz zuvor eine Interpellation der SP-Gemeinderäte Anjushka Früh und Pawel Silberring zum selben Thema detailliert beantwortet hatte.
Doch Fragen ist keineswegs eine linke Spezialität. So reichten FDPler Patrick Albrecht und CVPler Markus Hungerbühler Ende Februar eine schriftliche Anfrage zu Händetrocknern in öffentlichen WC-Anlagen ein. Löblich, dass sich Politiker so um die Handhygiene der Bürgerinnen und Bürger kümmern.
Eins ist klar: Es ist wichtig, dass die Gemeinderäte dem Stadtrat und der Verwaltung auf die Finger schauen. Allerdings sorgt die Beantwortung der ganzen Interpellationen, Postulate und Anfragen für hohen Aufwand. Gerade die Bürgerlichen machen sich aber für eine Reduzierung der Stadträte von 9 auf 7 Personen stark. Über die Initiative «7 statt 9 Stadträte» wird am Ende das Volk entscheiden – im Gemeinderat wurde das Anliegen knapp mit Stichentscheid abgelehnt.
Die Initiative bezweckt eigentlich eine Verwaltungsreform. Gibt es weniger Stadträte, müssen Ämter zusammengelegt werden. Das könnte zur Verschlankung des Verwaltungsapparats führen. Doch wenn der Gemeinderat die Verwaltung mit Zusatzarbeit eindeckt, wird das wohl ein hehres Ziel bleiben. Dann braucht es am Ende gar 11 statt 9 Stadträte.
Übrigens: Wir Journalisten gehen nicht gerade mit gutem Beispiel voran. Für gute Geschichten sind wir auf detaillierte Antworten angewiesen – davon können die Medienstellen ein Liedchen singen. Jedoch: Wenn wir eine Antwort erhalten, wird meist ein Artikel daraus. Viele Antworten des Stadtrats verlassen aber das Rathaus nicht, wenn sie nicht interessant genug für die Medien sind.